𝐷𝑒𝑟 𝑠𝑒ℎ𝑟 𝑔𝑒ℎ𝑒𝑖𝑚𝑒 𝑇𝑎𝑠𝑐ℎ𝑒𝑛𝑘𝑎𝑙𝑒𝑛𝑑𝑒𝑟

85 9 0
                                    

Pov. Lia

Hermine blieb mehrere Wochen im Krankenflügel. Als die andern aus den Weihnachtsferien zurückkamen, kochte die Gerüchteküche über, denn natürlich glaubten alle, sie wäre angegriffen worden. Auffällig viele schlenderten am Krankenflügel entlang und versuchten einen Blick auf Hermine zu erhaschen, sodass Madam Pomfrey ihren Vorhang wieder auspackte und ihn um Hermines Bett hängte, damit ihr die Schande erspart bleiben sollte, mit einem Fellgesicht gesehen zu werden.
Harry, Ron, Sophie und ich gingen sie jeden Abend besuchen. Und seit der Unterricht wieder begonnen hatte, brachten wir ihr Tag für Tag die Hausaufgaben mit.
»Wenn mir diese Schnurrhaare gewachsen wären, dann hätte ich mal eine Pause eingelegt«, meinte Ron eines Abends und legte einen Stapel Bücher auf Hermines Nachttisch.
»Red keinen Stuss, Ron, ich darf den Anschluss nicht verlieren«, erwiderte Hermine barsch.
Ihre Stimmung hatte sich deutlich gebessert, seit alle Haare aus ihrem Gesicht verschwunden waren und ihre Augen sich allmählich wieder braun färbten.
»Ihr habt nicht etwa neue Spuren?«, setzte sie flüsternd hinzu, damit Madam Pomfrey nichts hörte.
»Nichts«, erwiderte ich düster.
»Ich war mir so sicher, es sei Malfoy«, sagte Ron ungefähr zum hundertsten Mal.
»Was ist denn das?«, fragte Harry und deutete auf etwas Goldenes, das unter Hermines Kissen hervorlugte.
»Nur eine Gute-Besserung-Karte«, sagte Hermine hastig und versuchte die Karte wegzustecken, doch Sophie war schneller. Sie zog sie hervor, klappte sie auf und las laut:
»An Miss Granger, der ich eine rasche Genesung wünsche, von ihrem besorgten Lehrer, Professor Gilderoy Lockhart, Orden der Merlin dritter Klasse, Ehrenmitglied der Liga zur Verteidigung gegen die dunklen Kräfte und fünfmaliger Gewinner des Charmantestes-Lächeln-Preises der Hexenwoche.«
Ron und Sophie sahen angewidert zu Hermine auf.
»Sowas schreibt man doch nicht in eine Genesungskarte. Der will nur nochmal damit prahlen, was der alles für Auszeichnungen hat und alles kann«, höhnte ich.
»Und doch kann er nichts«, erwiderte Sophie.
Hermine durchdolchte Sophie und mich mit einem giftigen Blick.
»Mit der Karte unter dem Kissen schläfst du?«, wollte Ron wissen.
Doch Madam Pomfrey kam mit der abendlichen Dosis Arznei herübergewuselt und ersparte Hermine die Antwort.
»Lockhart ist mit Abstand der größte Schleimer, den man sich vorstellen kann«, sagte Ron, als wir den Krankensaal verlassen hatten und die Treppe zum Gryffindor-Turm emporstiegen. Snape hatte uns so viele Hausaufgaben aufgehalst, dass Harry meinte, er würde wohl erst im sechsten Schuljahr damit fertig werden. Ron sagte gerade, er hätte Hermine eigentlich fragen wollen, wie viele Rattenschwänze man in einen Haarsträubetrank mischen müsse, als ich aus dem Stockwerk über uns jemanden wutentbrannt schreien hörte.
»Das ist Filch«, murmelte Harry.
Wir rannten die Treppe hoch, gingen in Deckung und lauschten mit gespitzten Ohren.
»Ihr glaubt doch nicht etwa, es ist wieder jemand angegriffen worden?«, fragte Ron angespannt.
Wir standen reglos da, die Köpfe zu Filchs Stimme hin geneigt, die ausgesprochen hysterisch klang.
»- noch mehr Arbeit für mich! Die ganze Nacht wischen, als ob ich nicht genug zu tun hätte! Nein, das bringt das Fass zum Überlaufen, ich geh zu Dumbledore -«
Seine Schritte wurden leiser, während er den Gang entlanglief, in der Ferne hörte ich eine Tür schlagen.
Wir steckten die Köpfe um die Ecke. Filch hatte offenbar an der üblichen Stelle Wache gehalten: Wieder einmal waren wir an dem Ort, wo Mrs Norris angegriffen worden war. Ich sah auf den ersten Blick, weshalb Filch getobt hatte. Eine große Wasserlache bedeckte den halben Korridor, und es sah so aus, als ob immer noch Wasser unter der Klotür der Maulenden Myrte hervorsickerte. Nun, da Filch aufgehört hatte zu schimpfen, konnte ich Myrtes Klagen von den Klowänden widerhallen hören.
»Was ist denn bloß mit der schon wieder los?«, murrte Ron.
»Lass uns nachsehen«, schlug Harry vor.
Ich zog meinen Umhang über die Knöchel hoch, was die anderen mir gleich taten, und tapsten durch die große Wasserlache hinüber zur Tür mit dem »Defekt«-Schild, missachteten es wie üblich und traten ein.
Die Maulende Myrte weinte noch lauter und heftiger als sonst, falls das überhaupt möglich sein konnte. Offenbar versteckte sie sich in ihrer üblichen Kabine. Hier drin war es dunkel, denn die große Wasserflut, von der Wände und Boden pitschnass waren, hatte auch die Kerzen gelöscht.
»Was ist los, Myrte?«, fragte ich.
»Wer ist da?«, schluchzte Myrte niedergeschlagen. »Willst du noch etwas auf mich werfen?«
Ich watete hinüber zu ihrer Tür und sagte:
»Warum sollte ich dich mit etwas bewerfen?«
»Frag mich nicht«, rief Myrte und tauchte auf, wobei noch eine Wasserwelle auf den schon klitschnassen Boden schwappte. Ich musste zurück hüpfen, um nicht getroffen zu werden. Dabei rutschte ich fast aus, wurde jedoch von Harry und Ron hinter mir aufgefangen.
»Da bin ich und kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten, und irgendjemand hält es für witzig, ein Buch nach mir zu schmeißen ...«
»Aber es kann dir doch nicht wehtun, wenn jemand dich trifft«, sagte Ron beschwichtigend. »Ich meine, es würde einfach durchfliegen, oder?«
Er hatte etwas Falsches gesagt. Myrte plusterte sich auf und kreischte:
»Lasst uns allesamt Bücher auf Myrte werfen, denn sie spürt es ja nicht! Zehn Punkte, wenn ihr eins durch den Magen kriegt! Fünfzig Punkte, wenn es durch den Kopf geht! Schön, hahaha! Was für ein wunderbares Spiel - finde ich gar nicht!«
»Wo wir schon dabei sind - wer war es eigentlich?«, fragte Sophie.
»Ich weiß es nicht ... Ich saß im Abflussrohr und dachte über den Tod nach, und es fiel direkt durch meinen Kopf«, erwiderteMyrte und starrte sie böse an. »Da drüben ist es, es ist ganz nass geworden ...«
Harry und ich sahen unter dem Waschbecken nach, auf das Myrte deutete. Dort lag ein kleines, dünnes Buch. Es hatte einen schäbigen schwarzen Einband und war nass wie alles andere im Klo. Harry trat vor, um es aufzuheben, doch Ron streckte jäh seinen Arm aus, um ihn aufzuhalten.
»Was ist?«, fragte Harry.
»Bist du verrückt geworden?«, fuhr Ron ihn an. »Es könnte gefährlich sein.«
»Gefährlich?«, wiederholte Sophie und lachte auf. »Weshalb sollte es gefährlich sein?«
»Du würdest Augen machen«, erwiderte Ron, der das Buch misstrauisch beäugte. »Manche der Bücher, die das Ministerium beschlagnahmt hat - Dad hat es mir erzählt - eines davon brannte einem die Augen aus. Und jeder, der Sonette eines Zauberers gelesen hatte, sprach für den Rest seines Lebens in Limericks. Und eine alte Hexe in Bath hatte ein Buch, bei dem man nie aufhören konnte zu lesen! Man musste mit der Nase drin herumlaufen und versuchen alles mit einer Hand zu erledigen. Und -«
»Schon gut, ich hab's kapiert«, stoppte ihn Sophie.
Das kleine Buch lag auf dem Boden, harmlos und durchweicht.
»Nun, wir kommen nicht weiter, wenn wir es uns nicht anschauen«, meinte ich, duckte mich unter Rons Arm hindurch und hob das Buch auf.
Ich sah sofort, dass es sich um einen Taschenkalender handelte, und die ausgebleichte Jahreszahl auf dem Umschlag sagte mir, dass er fünfzig Jahre alt war. Neugierig schlug ich das Buch auf. Auf der ersten Seite konnte ich nur den Namen »T. V. Riddle« in verkleckster Tintenschrift erkennen.
»Wart mal«, sagte Ron, der sich vorsichtig genähert hatte und über meine Schulter sah. »Den Namen kenn ich doch gut ... T V. Riddle hat vor fünfzig Jahren eine Auszeichnung für besondere Verdienste um die Schule erhalten.«
»Woher zum Teufel weißt du das?«, wollte Sophie verblüfft wissen.
»Filch hat mich bei den Strafarbeiten die Medaille ungefähr hundertmal polieren lassen«, erzählte Ron gereizt. »Das war die Medaille, über die ich eine Ladung Schnecken gespuckt hab. Wenn du eine Stunde lang Schleim von einem Namen gewischt hättest, dann würdest du dich auch an ihn erinnern.«
Harry nahm mir das Buch aus der Hand und schälte die nassen Seiten auseinander. Sie waren vollkommen leer. Nicht die geringste Spur einer Eintragung war auf ihnen zu entdecken, nicht einmal »Tante Mabels Geburtstag« oder »Zahnarzt, halb vier«.
»Er hat ihn nicht benutzt«, klagte Harry enttäuscht.
»Ich frag mich, warum es dann jemand ins Klo spülen wollte?«, murmelte Ron verwundert.
Harry drehte das Buch um und ich sah auf der Rückseite den Namen eines Zeitungshändlers in der Londoner Vauxhall Road.
»Er muss aus einer Muggelfamilie stammen«, meinte ich nachdenklich. »Wenn er einen Kalender in der Vauxhall Road gekauft hat ...«
»Tja, das nützt dir nicht viel«, meinte Ron. Er senkte die Stimme. »Fünfzig Punkte, wenn du es durch Myrtes Nase kriegst«, witzelte er.
Sophie und ich kicherten, Harry jedoch steckte es emotionslos in die Tasche.

Avventura - Harry Potter Fan-Fiction IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt