LIA
Am nächsten Morgen liefen Sophie und ich alleine in die große Halle. Hermine war schon früh aufgestanden und vermutlich schon dort. In der großen Halle setzten wir uns an den Gryffindortisch neben Hermine, die in einem Buch blätterte. Ihr 'Morgen' Gruß klang ein wenig steif und ich spürte, dass sie immer noch die Art und Weise, wie Harry, Ron und ich nach Hogwarts gelangt waren, missbilligte. Als Harry und Ron sich ihr gegenüber setzten, verhielt sie sich nicht anders. Sophie dagegen grüßte sie fröhlich.
„Die Post müsste gleich kommen. Ich glaube, Oma schickt mir ein paar Sachen, die ich vergessen habe", hörte ich Neville sagen.
Sophie neben mir verdrehte die Augen und sagte:„Würde mich auch wundern, wenn nicht."
Neville zuckte nur mit den Schultern und machte sich über seinen Haferbrei her.
Kurz darauf war ein Rauschen über unseren Köpfen zu hören und gut hundert Eulen strömten herein, kreisten in der Halle und ließen Briefe und Päckchen in die schnatternde Schülerschar fallen. Ein großes, klumpiges Paket prallte von Nevilles Kopf ab und einen Augenblick später fiel etwas Großes und Graues in Hermines Krug und bespritzte uns alle mit Milch und Federn.
„Errol!", sagte Ron und zog die bedröppelte Eule an den Beinen aus der Milch. Errol sackte ohnmächtig auf dem Tisch zusammen, die Krallen in die Luft gestreckt und einen feuchten roten Umschlag im Schnabel.
„O nein", seufzte Ron.
„Was ist denn?", wollte ich neugierig wissen.
„Sie ... sie hat mir einen Heuler geschickt", sagte Ron mit matter Stimme.
„Mach ihn lieber auf, Ron", flüsterte Neville ängstlich. „Sonst wird es nur noch schlimmer. Meine Oma hat mir mal einen geschickt und ich habe ihn nicht beachtet und-", er schluckte, „es war schrecklich."
„Ich habe dir ja gesagt, du sollst ihn öffnen", tadelte ihn seine Cousine.
Daraufhin verpasste er Sophie einen Schlag. Dies bekam er jedoch schnell wieder zurück.
Ron streckte zitternd die Hand aus, zog den Umschlag aus Errols Schnabel und schlitzte ihn auf. Plötzlich erschütterte ein ohrenbetäubendes Dröhnen die riesige Halle und Staub rieselte von der Decke.
„RONALD WEASLEY! WIE KONNTEST DU ES WAGEN DAS AUTO ZU STEHLEN. ES HÄTTE MICH NICHT GEWUNDERT, WENN SIE DICH RAUSGEWORFEN HÄTTEN. WART AB, BIS ICH DICH IN DIE FINGER KRIEGE. NATÜRLICH HAST DU NICHT DARAN GEDACHT, WAS DEIN VATER UND ICH DURCHMACHEN MUSSTEN, ALS WIR SAHEN, DASS ER WEG WAR..."
Mrs Weasleys Geschrei, hundertmal lauter als sonst, ließ Teller und Löffel auf dem Tisch erzittern und hallte gellend laut von den steinernen Wänden wider. Alle Köpfe in der Halle wirbelten herum, neugierig, wer den Heuler bekommen hatte, und Ron versank so tief im Stuhl, dass nur noch seine puterrote Stirn zu sehen war.
„... BRIEF VON DUMBLEDORE GESTERN ABEND. ICH DACHTE DEIN VATER WÜRDE VOR SCHARM STERBEN, NACH ALLEM, WAS WIR FÜR DICH GETAN HABEN. DU, HARRY UND LIA HÄTTET EUCH DEN HALS BRECHEN KÖNNEN. DAS IST EINE UNGLAUBLICHE SCHANDE. DEIN VATER HAT EINE UNTERSUCHUNGSKOMMISSION AM HALS UND WENN DU DIR NOCH EINMAL DEN KLEINSTEN FEHLTRITT ERLAUBST, HOLEN WIR DICH SOFORT NACH HAUSE!"
Grabstille machte sich breit. Der rote Umschlag, den Ron auf den Tisch hatte fallen lassen, flammte auf und verschrumpelte zu Asche. Harry und Ron saßen sprachlos da, ebenso wie Sophie und ich und sahen uns geschockt und verängstigt zu gleich an. Ein paar Schüler lachten und allmählich stellte sich wieder munteres Geplapper ein. Hermine klappte ihr Buch zu und sah hinab zu Ron. Erst jetzt konnte ich erkennen, welches Buch es war. Es war Abstecher mit Vampiren von Gilderoy Lockhart.
„Nun, ich weiß nicht, was du erwartet hast Ron, aber du-"
„Sag bloß nicht, ich hab's verdient", fauchte Ron Hermine an.
Kurz darauf ging Professor McGonagall am Tisch der Gryffindors entlang und verteilte Stundenpläne. Wir hatten heute als Erstes eine Doppelstunde Kräuterkunde mit den Hufflepuffs.
Harry, Ron, Sophie, Hermine und ich verließen zusammen das Schloss und gingen durch den Gemüsegarten hinüber zu den Gewächshäusern, wo die Zauberpflanzen gezüchtet wurden. Der Heuler von eben war wenigstens für etwas gut gewesen: Hermine dachte nun, dass Harry, Ron und ich genug bestraft wurden und war nun wieder ausgesprochen freundlich. Wir näherten uns den Gewächshäusern und ich sah schon die andere Klasse draußen auf Professor Sprout warten. Kaum waren wir hinzugetreten, kam sie auch schon über den Rasen geschritten. In Begleitung von Gilderoy Lockhart. Professor Sprout trug einen Arm voll Mullbinden.
„Oh, hallo, hallo!", rief Lockhart und strahlte die versammelten Schüler an. „Hab eben kurz Professor Sprout erklärt, wie man eine peitschende Weide richtig verarztet. Aber ich möchte nicht, dass Sie jetzt denken, ich sei besser in Pflanzenkunde als sie. Auf meinen Reisen sind mir nur zufällig einige dieser Exoten begegnet..."
Ich sah zur peitschenden Weide, die mit dem leichten Wind, sachte hin und her wiegte.
„Gewächshaus drei heute, Freunde", sagte Professor Sprout, die nicht wie sonst immer fröhlich, sondern unverkennbar miesepetrig drein sah.
Die Professorin ging zum genannten Gewächshaus und schloss es auf. Die schnatternde Schülerschar betrat das stickige Häuschen. Als Harry und ich jedoch das Haus hinter Hermine, Ron und Sophie betreten wollten, zog uns Lockhart zurück.
„Harry, Lia! Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen. Sie haben doch nichts dagegen, wenn die beiden ein paar Minuten später kommen, nicht wahr, Professor Sprout?"
Nach Professor Sprouts Stirnrunzeln zu schließen, hatte sie eine ganze Menge dagegen, doch Lockhart sagte: „Wunderbar", und schlug ihr die Gewächshaustür vor der Nase zu.
„Als ich davon gehört hab, nun, natürlich war alles meine Schuld. Ich hätte mich ohrfeigen können."
Harry und ich sahen uns verdutzt an. Wir hatten keine Ahnung, wovon er redete.
„Weiß nicht, ob ich mich jemals so erschrocken habe. Einen Wagen nach Hogwarts zu fliegen! Nun, natürlich wusste ich sofort, warum Sie es getan haben. War eine ganz große Sache", sprach Lockhart weiter.
Erstaunlicherweise konnte er jeden einzelnen seiner blitzenden Zähne zeigen, selbst wenn er nicht sprach.
„Hab Sie auf den Geschmack gebracht, was öffentliches Aufsehen angeht, nicht wahr?", sagte Lockhart. „Es hat sie gepackt. Sie sind auf die Titelseite gekommen und wollten es gleich nochmal probieren."
„Nein? Es war..."
Ich wollte ihm erklären, dass wir keinesfalls damit Aufsehen erregen wollte, wurde jedoch direkt von im unterbrochen.
„Lia, Lia, Lia", sagte Lockhart, streckte seine Hand aus und packte mich an der Schulter. „Ich verstehe. Ist doch nur natürlich, dass man ein wenig mehr will, sobald man davon gekostet hat. Und ich mache mir Vorwürfe, Sie darauf gebracht zu haben, denn es musste Ihnen ja zu Kopfe steigen, doch sehen Sie mal, junge Frau, Sie können nicht einfach hingehen und mit Autos herumfliegen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Kommen Sie besser wieder auf den Boden. Wenn Sie älter sind, haben Sie noch genug Zeit für derlei. Ja, ja, ich weiß, was Sie denken. Der hat gut reden, er ist ja schon ein weltberühmter Zauberer! Aber als ich zwölf war, war ich auch nur ein Niemand, genau wie Sie. Und eigentlich noch weniger als ein Niemand. Immerhin haben einige Leute schon von Ihnen gehört, oder? Diese ganze Geschichte mit ihm, dessen Namen nicht genannt werden darf."
Er wandte sich von mir ab und betrachtete die blitzförmige Narbe auf Harrys Stirn. „Ich weiß, das ist nichts gegen meine Auszeichnungen. Fünfmal in Folge den Charmantestes-Lächeln-Preis der Hexenwoche gewonnen, doch es ist ein Anfang, Harry, Lia, ein Anfang."
Er zwinkerte Harry und mir kumpelhaft zu und schritt davon. Harry und ich blieben ein paar Sekunden wie angewurzelt stehen. Allerdings mussten wir ja eigentlich im Gewächshaus sein, also öffneten wir die Tür des Häuschens und glitten hinein. Professor Sprout stand hinter einer aufgebockten Holzplatte mitten im Gewächshaus. Darauf lagen etwa zwanzig Paar verschiedenfarbige Ohrenschützer. Harry stellte sich zwischen Ron und Hermine und ich stellte mich zwischen Hermine und Sophie.
„Was wollte der denn von euch?", flüsterte mir Sophie zu, doch bevor ich antworten konnte begann Professor Sprout mit dem Unterricht.
„Heute werden wir Alraunen umtopfen. Nun, wer kann mir die Eigenschaften der Alraune nennen?"
Hermine streckte als Erste den Finger in die Höhe, worüber sich ganz sicher niemand wunderte.
„Die Alraune, oder Mandragora, ist eine mächtige Rückverwandlerin", erklärte Hermine und klang wie üblich, als hätte sie das Lehrbuch geschluckt. „Sie wird verwendet, um Verwandelte oder Verfluchte in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen."
„Glänzend. Zehn Punkte für Gryffindor", sagte Professor Sprout. „Die Alraune bildet einen wesentlichen Bestandteil der meisten Gegengifte. Natürlich ist sie auch gefährlich. Wer kann mir sagen, warum?"
Hermines Hand schoss wieder in die Höhe.
„Der Schrei der Alraune ist tödlich für jeden, der ihn hört, antwortete sie blitzschnell.
„Genau. Weiter zehn Punkte für Gryffindor", sagte Professor Sprout.
Nun zeigte sie auf eine Reihe tiefer Kästen. Dort wuchsen aufgereiht etwa hundert kleine, büschelige Pflanzen von grüner Farbe mit einem Hauch Purpurrot. Ich fand, dass die Pflanzen eigentlich relativ unscheinbar aussahen.
„Jetzt nimmt sich jeder ein Paar Ohrenschützer", forderte Professor Sprout uns auf. „Wenn ich sage, Sie sollen sie aufsetzen, dann passen Sie auf, dass Ihre Ohren vollständig bedeckt sind. Wenn Sie sie gefahrlos wieder abnehmen können, zeige ich mit dem Daumen nach oben. Also, Ohrenschützer auf!"
Ich klemmte mir die Ohrenschützer über den Kopf. Sie ließen keinerlei Geräusch durch. Professor Sprout rollte die Ärmel ihres Umhangs hoch, packte mit festem Griff eine der büscheligen Pflanzen und zog kräftig daran. Ich erschrak, als ich sah, was die Professorin aus dem Topf zog. Statt einer Wurzel kam ein kleines, schlammüberzogenes und äußerst hässliches Baby aus der Erde. Die Blätter wuchsen aus seinem Kopf heraus. Es hatte eine blassgrüne, gefleckte Haut und schrie ganz eindeutig aus Leibeskräften.
Professor Sprout zog einen großen Blumentopf unter dem Tisch hervor, steckte die Alraune hinein und begrub sie mit dunkler, feuchter Komposterde, bis nur noch die büscheligen Blätter zu sehen waren. Dann zeigte sie einen Daumen nach oben und zog ihre Ohrenschützer ab.
„Da unsere Alraunen noch Setzlinge sind, würden ihre Schreie Sie noch nicht umbringen", sagte sie gelassen. „Allerdings würde sie Sie mehrere Stunden außer Gefecht setzen, und da sicher keiner von Ihnen den ersten Schultag im neuen Jahr verpassen will, achten Sie darauf, dass Ihre Ohrenschützer richtig sitzen, während Sie arbeiten. Ich gebe Ihnen ein Zeichen, wenn es an der Zeit ist, einzupacken."
So begannen wir alle mit dem Umtopfen der Alraunen und nach etwa vierzig Minuten war die Stunde vorbei und wir wurden entlassen. Ich war Schweiß gebadet und voller Erde. Dazu Taten mir meine Arme höllisch weh. Harry, Ron, Hermine, Sophie und ich trotteten zurück zum Schloss. Zum Glück hatten wir eine Stunde Zeit bis die nächste Schulstunde begann und so konnten wir noch schnell duschen. Danach ging es für uns auch schon weiter mit Verwandlung.
Wir sollten einen Käfer in einen Knopf verwandeln. Mir und Hermine gelang dies ganz gut. Ich hatte drei Versuche gebraucht und Hermine natürlich nur einen. Bei Harry, Ron und Sophie sah das allerdings nicht ganz so gut aus. Sophie verwandelt ihren Käfer erst in einen Stift und dann in ein Glas. Und das die ganze Zeit. Harry gelang nur, seinen Käfer außer Atem zu bringen, denn der krabbelte ständig über den Tisch, um seinem Zauberstab zu entkommen. Ron erging es noch schlimmer. Er hatte seinen Zauberstab mit einem Stück Zauberband geflickt, doch er schien nachhaltig beschädigt zu sein. In den unpassendsten Momenten stieß er prasselnde Funken aus. Und immer wenn Ron seinen Käfer verwandeln wollte, hüllte er ihn in dicken grauen Rauch, der nach faulen Eiern stank. Ron, der nicht mehr sah, was er tat, zerquetschte aus Versehen seinen Käfer mit dem Ellenbogen und musste um einen neuen bitten. Professor McGonagall war alles andere als begeistert.
Als endlich die Glocke zum Mittagessen läutete, leerte sich der Raum schnell. Auf dem Weg zur großen Halle regte sich Ron über seinen kaputten Zauberstab auf.
„Blödes, nutzloses, Teil! ", brüllte er seinen Zauberstab an, der unschuldig in seiner Hand lag.
„Schreib deinen Eltern, dass sie dir einen neuen schicken sollen", schlug Sophie vor.
„Ja natürlich und zurückkommt dann noch ein Heuler", sagte Ron und stopfte den inzwischen fauchenden Zauberstab in seine Schulmappe.
Wir gingen hinunter in die große Halle und setzten uns an den Gryffindortisch.
„Was haben wir heute Nachmittag? ", fragte Harry.
„Verteidigung gegen die dunklen Künste", antwortete Hermine sofort.
„Sag mal", meinte Ron und schnappte sich ihren Stundenplan, „warum hast du alle Stunden bei Lockhart mit Herzchen umkringelt?"
Hermine riss ihm den Stundenplan aus der Hand und wurde knallrot.
„Ist da jemand verliebt?", neckte ich meine beste Freundin.
„Nein", antwortete diese und wurde noch roter.
Sophie und ich lachten.
„Man Hermine, wir veräppeln dich doch bloß", sagte Sophie kichernd.
„Aber mal im Ernst. Was findest du an Lockhart?", wollte ich wissen.
„Habt ihr mal seine Bücher gelesen. Er hat so viel Gutes getan und ist so mutig. Und sein Lächeln", schwärmte Hermine.
„Das ist es ja. Sein Lächeln. Bahhh", meinte ich.
„Er ist niemand anderer als ein Schnösel, der nur mit seinen Preisen und seiner Berühmtheit prahlt", sagte Sophie.
„Denkt ihr über ihn wie ihr wollt. Ich finde ihn toll", sagte Hermine und widmete sich dann ihrem Auflauf.
Nach dem Essen gingen wir hinaus in den Hof. Hermine setzte sich auf eine steinerne Stufe und vergrub sich wieder in Abstecher mit Vampiren. Harry, Ron und Sophie redeten über Quidditch und ich saß daneben und hörte einfach zu. Doch nach einigen Minuten beschlich mich das Gefühl, dass jemand uns beobachtete. Ich blickte auf und sah einen kleinen Jungen mit mausgrauen Haaren. Er starrte abwechselnd mich und Harry an, als stünde er unter einem Bann. In den Händen hielt er etwas, das aussah wie eine gewöhnliche Muggelkamera, und in dem Moment, als ich ihn anschaute, lief er hellrot an.
„Hallo, Harry und Lia. Ich bin ... Ich bin Colin Creevey", sagte er atemlos und machte einen schüchternen Schritt auf uns zu.
Jetzt sah auch Harry auf.
„Ich bin auch in Gryffindor. Meint ihr - wäre es für euch in Ordnung, wenn - kann ich ein Bild von euch machen? ", fragte er und hob hoffnungsvoll die Kamera.
„Ein Bild?", wiederholten Harry und ich tonlos.
„Damit ich beweisen kann, dass ich euch getroffen hab", sagte Colin begierig und kam langsam näher. „Ich weiß alles über euch. Jeder erzählt es. Wie ihr überlebt habt, als Du-weißt-schon-wer euch umbringen wollte und wie er verschwunden ist und alles und, dass du immer noch eine Blitznarbe auf der Stirn hast", er sah prüfen auf Harrys Stirn, „und ein Junge in meinem Schlafraum hat gesagt, wenn ich den Film im richtigen Gebräu entwickle, dann bewegen sich die Bilder."
Harry und ich sahen uns belustigt an und mussten uns das Lachen verkneifen. Colin holte voll Begeisterung tief Luft und sagte:„Es ist einfach klasse hier, oder? Ich wusste nie, dass all das merkwürdige Zeug, das ich konnte, Magie war, bis der Brief von Hogwarts kam. Mein Vater ist Milchmann, er konnte es auch nicht fassen. Also mach ich eine Menge Fotos und schick sie ihm. Und es wäre echt gut, wenn ich eins von euch hätte", er sah Harry und mich flehentlich bittend an, „vielleicht könnte euer Freund es schießen und ich stelle mich zwischen euch? Und könntet ihr dann eure Namen darauf schreiben?"
„Autogrammkarten? Ihr verteilt Autogrammkarten?"
Laut und schneidend hallte Draco Malfoys Stimme im ganzen Hof wider. Er hatte sich direkt hinter Colin gestellt, flankiert, wie immer in Hogwarts, von seinen grobschlächtigen und brutalen Spießgesellen Crabbe und Goyle.
„Nein, tun wir nicht", sagte Harry wütend und ballte die Fäuste.
„Alle anstellen", dröhnte Malfoy in die Menge hinein. „Harry und Lia Potter verteilen Autogrammkarten!"
„Halt's Maul, Malfoy", zischte ich.
Malfoy jedoch lachte nur.
„Du bist doch nur neidisch", piepste Colin, dessen ganzer Körper etwa so dick war wie Crabbes Hals.
„Neidisch?", sagte Malfoy, der jetzt nicht mehr zu schreien brauchte, da der halbe Schulhof zu hörte. „Worauf denn? Ich will doch keine ekelhafte Narbe quer über meinem Gesicht haben und erst recht nicht mit so jemanden verwandt sein, nein, danke. Wenn du den halben Kopf aufgeschlitzt bekommst, macht dich das noch lange nicht zu etwas Besonderem, wenn du mich fragst."
Crabbe und Goyle kicherten dümmlich.
„Dich fragt aber keiner!", konterte Sophie.
Crabbe hörte auf zu lachen und begann drohend seine kastaniengroßen Faustknöchel zu reiben. Ron ging einen Schritt vor und zückte seinen geflickten Zauberstab.
„Sieh dich vor, Weasley", höhnte Malfoy. „Du willst doch nicht etwa Ärger machen, denn dann muss deine Mami kommen und dich von der Schule holen." Mit durchdringend schriller Stimme rief er:„Wenn du dir noch einmal den kleinsten Fehltritt erlaubst-"
Ein Haufen Fünftklässler aus Slytherin lachte laut auf.
„Weasley hätte gerne eine Autogrammkarte, Potter", spottete Malfoy, „sie wäre mehr wert als das ganze Haus seiner Familie."
Ron streckte seinen Zauberstab direkt vor Malfoy, so, dass er ihn in seine Nase stecken könnte. Doch Hermine schlug Abstecher mit Vampiren knallend zu und flüsterte:„Achtung."
„Um was geht es denn, Herrschaften?"
Gilderoy Lockhart schritt auf uns zu, sein türkisfarbener Umhang flatterte im Winde. „Wer verteilt hier Autogrammkarten?"
Ich wollte gerade denn Mund aufmachen, doch Lockhart patschte mir den Arm auf meine Schulter und dröhnte gönnerhaft:„Dumme Frage! Wieder mal unser Harry und unsere Lia!"
Ich wie mit einem Schraubstock an Lockhart gepresst, sah Malfoy mit spöttischem Blick in der Menge verschwinden.
„Nun denn, Mr Creevey", sagte Lockhart und strahlte zu Colin hinüber. „Ein Dreierporträt, was für ein Angebot und wir unterschreiben alle drei für Sie."
Lockhart legte seinen andern Arm um Harry und zog ihn unsanft an sich.
Colin fummelte an seiner Kamera und schoss das Bild in dem Augenblick, als die Glocke hinter uns läutete und zum Nachmittagsunterricht rief. Ich riss mich von Lockhart und zupfte meinen Umhang zurecht.
„So, die Herrschaften, verkrümeln Sie sich", rief Lockhart den Umstehenden zu.
Ich ging schnell einige Schritte von Lockhart weg, um nicht mit ihm zum Unterricht laufen zu müssen. Denn nur ein paar Sekunden später machte dieser sich mit meinem armen Bruder auf den Weg dort hin.
Zusammen mit Ron, Sophie und Hermine lief ich zum Unterrichtsraum für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Ron, Sophie und ich setzten uns in die letzte Reihe, während Hermine sich ganz nach vorne in die erste Reihe neben Susan Bones setzte.
Nach ein paar Minuten kam Gilderoy Lockhart mit Harry in Schlepptau, der daraufhin zielstrebig auf uns zu kam und sich neben Ron setzte.
„Auf euren Gesichtern hätte man Spiegeleier braten können", meinte Ron noch einmal. Er hatte dies mir eben schon gesagt, bevor Harry dazugekommen war.
„Könnt nur beten, dass Creevey nicht Ginny über den Weg läuft, die würden auf der Stelle einen Harry und Lia Potter Fanclub gründen."
„Wobei Ginny ja eigentlich mehr an Harry interessiert ist", sagte ich kichernd.
„Hört auf", fauchte Harry mich und Ron an.
Ron und ich sahen uns nur grinsend an. Kurz darauf räusperte sich Lockhart laut und es trat Stille ein. Er griff nach Nevilles Exemplar Trips mit Trollen und hielt es hoch, um sein eigenes zwinkerndes Bild auf der Titelseite zu zeigen.
„Ich", fing er an, deutete darauf und zwinkerte ebenfalls, „Gilderoy Lockhart, Merlin Orden dritter Klasse, Ehrenmitglied der Liga zur Verteidigung gegen die dunklen Kräfte und fünfmaliger Gewinner des Charmantestes-Lächeln-Preises der Hexenwoche, aber das alles ist nicht der Rede wert. Die Todesfee von Bandon bin ich schließlich nicht losgeworden, indem ich sie angelächelt habe!"
Er hielt inne, um uns Gelegenheit zum Lachen zu geben. Niemand lachte. Verständlich.
„Wie ich sehe, haben sie alle die komplette Ausgabe meiner Werke erworben, gut so. Ich dachte, wir könnten heute mit einem kleinen Quiz anfangen. Was ganz leichtes, keine Sorge. Wollte nur sehen, wie gründlich Sie sie gelesen haben, wie viel Sie behalten haben."
Also gar nichts. Sehe ich so aus, als würde ich seine Bücher freiwillig lesen?
Sophie und ich sahen uns genervt an.
Er verteilte die Aufgabenblätter und ging dann wieder nach vorn:„Ihr habt dreißig Minuten - los geht's!"
Ich sah auf mein Blatt und las:1. Was ist Gilderoy Lockharts Lieblingsfarbe?
2. Wie lautet Gilderoy Lockharts geheimer Wunsch?
3. Was ist Ihrer Meinung nach Gilderoy Lockharts größte Leistung bisher?
So ging es weiter, über drei Seiten hinweg, bis zur letzten Frage:
54. Wann hat Gilderoy Lockhart Geburtstag und was wäre das ideale Geschenk für ihn?Eine halbe Stunde später sammelte Lockhart die Zettel ein und blätterte sie vor der Klasse durch.
„Tjaja - kaum einer von Ihnen weiß noch, dass meine Lieblingsfarbe Lila ist. Das schreibe ich in Ein Jahr bei einem Yeti. Und ein paar von Ihnen müssen Wanderungen mit Werwölfen sorgfältiger lesen - dort mache ich in Kapitel zwölf deutlich, dass mein ideales Geburtstagsgeschenk die Harmonie zwischen allen magischen Menschen wäre - auch wenn ich zu einer großen Flasche Ogdens Old Firewhiskey nicht nein sagen würde!"
Er zwinkerte uns erneut schalkhaft zu. Ron starrte Lockhart inzwischen mit ungläubiger Miene an, während Sophie und ich uns vor unterdrücktem Lachen schüttelten.
„... doch Miss Hermine Granger kennt meinen geheimen Wunsch, die Welt von allem Bösen zu befreien und meine eigene Serie von Haarpflegeprodukten zu vermarkten. Gutes Mädchen! Tatsächlich-", er überflog ihre Arbeit, „die volle Punktzahl! Wo ist Miss Hermine Granger?"
Hermine hob zitternd ihre Hand.
„Hervorragend!", strahlte Lockhart. „Ganz hervorragend! Nehmen Sie zehn Punkte für Gryffindor! Und nun zu den ernsten Dingen."
Er beugte sich hinter seinen Tisch, hob einen großen, tuchbedeckten Käfig hoch und stellte ihn auf die Tischplatte.
Ich sah, wie Neville tiefer in seinem Stuhl sackte.
„Ich muss euch bitten, nicht zu schreien", sagte Lockhart mit leiser Stimme, „das könnte sie reizen."
Lockhart zog die Decke vom Käfig.
„Ja", sagte er mit theatralischer Stimme,
„Das sind doch nur Wichtel", meinte Seamus und prustete los.
„Frisch gefangene Wichtel aus Cornwall", erwiderte Lockhart und das frisch gefangene betonte er ganz besonders.
„Sie sind nicht - sie sind nicht sehr - gefährlich, oder?", fragte Neville mit verschluckter Stimme.
„Da wäre ich mir nicht so sicher. Teuflisch trickreiche kleine Biester können das sein", erklärte Lockhart.
Kaum war die Abdeckung weg, begannen die Wichtel auch schon zu plappern und umherzuflitzen, sie rüttelten an den Käfigstäben und zogen den Schülern in der Nähe hässliche Grimassen.
„Nun gut", sagte Lockhart laut. „Sehen wir mal, wie ihr mit ihnen klarkommt!" Und er öffnete den Käfig. Pfeilschnell schossen die blauen Tierwesen heraus und in alle Richtungen davon. Zwei von ihnen packten Neville bei den Ohren und hoben ihn in die Luft. Einige Wichtel brachen geradewegs durchs Fenster und ließen einen Hagel aus Glassplittern über die hinteren Reihen niederprasseln. Der Rest machte sich daran, das Klassenzimmer gründlicher zu verwüsten als ein rasendes Nilpferd. Sie packten Tintenfässer und spritzten damit in der Klasse herum, zerfetzten Bücher und Papiere, rissen Bilder von den Wänden, stülpten den Papierkorb um, packten Taschen und Bücher und warfen sie aus dem zerborsteten Fenster. Nach ein paar Minuten nahmen die Schüler unter ihren Tischen Deckung und Neville pendelte vom Kronleuchter an der Decke. Sophie konnte nicht andres und musste über ihren Cousin, der hilflos in der Luft hing, lachen.
„Na kommt schon! - treibt sie zusammen, zeigt es ihnen! Es sind doch bloß Wichtel! ", rief Lockhart. Er rollte die Ärmel hoch, fuchtelte mit seinem Zauberstab und brüllte:„Peskiwichteli Pesternomi!"
Nichts passierte, außer, dass einer der Wichtel Lockharts Zauberstab packte und ihn aus dem Fenster warf. Lockhart schluckte vor Schreck und tauchte ab unter seinen Tisch. Die Glocke läutete und alle rannten in wilder Hast zum Ausgang. Nun trat ein wenig Ruhe ein. Lockhart richtete sich auf, sah Harry, Ron, Hermine, Sophie und mich an, die fast an der Tür waren, und sagte: „Nun, ich bitte euch fünf, den Rest von ihnen einfach wieder in den Käfig zu sperren."
Er huschte an ihnen vorbei und schloss rasch die Tür hinter sich.
„Das ist doch unglaublich!", brüllte Ron, als einer der verbliebenen Wichtel ihn ins Ohr biss.
„Er will doch nur, dass wir ein wenig praktische Erfahrung sammeln", sagte Hermine, legte mit einem pfiffigen Erstarrungszauber zwei Wichtel auf einmal lahm und stopfte sie zurück in den Käfig.
„Praktische Erfahrung?", sagte Sophie und versuchte einen Wichtel zu packen, der jedoch tänzelnd entwich und ihr die Zunge rausstreckte.
„Hermine, der hatte doch keinen blassen Schimmer von dem, was er da hätte tun sollen", meinte ich und versuchte einen Wichtel am Bein zu packen. Jedoch entwischte mir dieser.
„Unsinn", sagte Hermine, „du hast doch seine Bücher gelesen - überleg doch mal, was für tolle Sachen er gemacht hat."
Naja, die Bücher hätte ich nicht wirklich gelesen, nur mal durchgeblättert.
„Die er angeblich gemacht hat", murmelte Ron.
Sxphxe_0205
DU LIEST GERADE
Avventura - Harry Potter Fan-Fiction I
FanfictionAls Lia Potter und ihr Zwilling Harry an ihrem elften Geburtstag erfahren, dass sie eine Hexe und ein Zauberer sind, ändert sich ihr Leben schlagartig. Plötzlich gehen sie nach Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei und müssen mit ihren neuen...