𝐷𝑖𝑒 𝑆𝑐ℎ𝑟𝑖𝑓𝑡 𝑎𝑛 𝑑𝑒𝑟 𝑊𝑎𝑛𝑑

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LIA
Es wurde Oktober und feuchte kühle Luft breitete sich über die Ländereien und das Schloss aus. Eine jähe Erkältungswelle unter den Lehrern und Schülern hielt Madam Pomfrey auf Trab. Ihr Aufpäppeltrank wirkte zwar sofort, aber wer ihn getrunken hatte, dem rauchten danach noch stundenlang die Ohren. Harry und Hermine drängten mich dazu ein paar Schlucke zu nehmen, weil ich ihrer Meinung nach etwas kränklich aussah und sofort zischte Dampf unter meinen braun, roten langen Wellen hervor.
Regentropfen trommelten tagelang gegen die Schlossfenster.
Eines Nachmittags kamen Harry und Sophie klatsch nass und mit Schlamm bespritzt nach ihrem Quidditch-Training in den Gemeinschaftsraum und erzählten, dass wir von Sir Nicolas zu seiner Todestagsfeier eingeladen wurden.
„Eine Todestagsfeier", sagte Hermine begeistert. „Ich wette, es gibt nicht viele Lebende, die von sich behaupten können, auf einer davon gewesen zu sein. Das wird sicher faszinierend."
„Warum sollte jemand den Tag feiern wollen, an dem er gestorben ist?", fragte ich.
„Das hört sich ja niederschmetternd an", meinte Ron, der erst mit der Hälfte seiner Zaubertrank-Hausaufgaben fertig war und schlechte Laune hatte.

Halloween kam und Harry bereute sein Versprechen, zu der Todestagsfeier zu gehen.
„Versprochen ist versprochen", ermahnte Hermine Harry energisch. „Du hast gesagt, dass du auf die Todestagsfeier gehst."
So gingen Harry, Ron, Hermine, Sophie und ich um sieben Uhr geradewegs an der großen Halle vorbei und stiegen hinab in den Kerker.
Der Gang, der zur Feier des Fast Kopflosen Nicks führte, war mit Kerzen beleuchtet, wenn auch diese nicht gerade eine aufmunternde Wirkung hatten. Mit jedem Schritt, den wir gingen, wurde es kälter. Plötzlich hörte ich etwas, das klang wie tausend Fingernägel, die über eine riesige Tafel kratzten.
„Soll das etwa Musik sein?", flüsterte Ron.
Wir bogen um eine Ecke und sahen den Fast Kopflosen Nick vor einer Tür stehen, die mit schwarzem Samt bespannt war.
„Meine lieben Freunde", sagte er von Trauer erfüllt, „willkommen, willkommen ... so erfreut, dass Sie kommen konnten ..."
Er riss sich den Federhut vom Kopf und bat uns mit einer Verbeugung herein.
Ein unglaublicher Anblick bot sich uns. Der Kerker war voll mit Hunderten perlweißer, durchscheinender Gestalten. Die meisten schwebten dicht gedrängt über einem Tanzboden und walzten zu dem fürchterlichen Kreischen von dreißig Musiksägen eines Orchesters, das auf seiner schwarz bespannten Bühne spielte. Über uns verströmten weitere tausend Kerzen. Unser Atem stieg als Nebelwolke vor uns auf und es war, als würden wir einen Eisschrank betreten.
„Sollen wir uns ein wenig umsehen?", schlug Harry vor.
„Passt auf, dass ihr durch keinen hindurchgeht", sagte Ron nervös und wir machten uns auf den Weg um die Tanzfläche. Wir kamen an einer Gruppe düsterer Nonnen vorbei, an einem zerlumpten und mit Ketten gefesselter Mann und an dem Fetten Mönch, einem Geist aus Hufflepuff, der in ein Gespräch mit einem Ritter vertieft war. Ich erkannte auch den blutigen Baron, einen ausgemergelten, stierenden Slytherin-Geist voll silbriger Blutflecken.
„Seht mal, da gibt's was zu essen!", sagte Ron plötzlich.
Auf der anderen Seite des Kerkers stand ein langer Tisch, ebenfalls mit schwarzem Samt bedeckt. Hungrig traten wir näher, doch nach ein paar Schritten blieben wir entsetzt stehen. Der Gestank war ekelerregend. Auf schönen Silberpaletten lagen riesige verdorbene Fische, rabenschwarze verbrannte Kuchen häuften sich auf Tellern. Es gab große Mengen Schafsinnereien, auf denen sich fröhlich Maden tummelten, einen Käselaib, überzogen mit flaumigem grünem Moder und einen gewaltigen grauen Kuchen in der Form eines Grabsteins, verziert mit einer Art Teer, der die Worte bildete:

SIR NICOLAS DE MIMSY-PORPINGTON
gestorben am 31. Oktober 1492

Mir wurde schlecht und ich hielt mir die Nase zu.
Ich sah, wie Harry erstaunt zu sah, wie ein fülliger Geist sich dem Tisch näherte, in die Knie ging und mit offenem Mund durch einen stinkenden Lachs watschelte.
„Können Sie es schmecken, wenn Sie hindurchgehen?", wollte Harry wissen.
„Beinahe", sagte der Geist traurig und schwebte davon.
„Ich denke mal, sie lassen es verrotten, damit es einen stärkeren Geschmack annimmt", wusste Hermine beizutragen, kniff sich die Nase zu und beugte sich vor, um die verwesten Innereien zu begutachten.
Sophie und ich verzogen angewidert das Gesicht.
„Lasst uns gehen, mir ist schlecht", sagte Ron.
Kaum hatten wir uns umgedreht, schwebte der Fast Kopflose Nick uns durch die Gästeschar entgegen.
„Macht's Spaß?"
O ja", log ich.
„Es sind doch einige gekommen", sagte der Fast Kopflose Nick stolz. „Die Klagende Witwe ist immerhin aus Kent angereist ... es ist Zeit für meine Rede, ich geh lieber und sag den Orchester bescheid ..."
Das Orchester hörte jedoch in diesem Moment zu spielen auf. Und auch alle anderen im Kerker verstummten und drehten sich um. Ich erschrak, als ein Jagdhorn ertönte.
„Oh, da sind sie", sagte der Fast Kopflose Nick verbittert.
Durch die Kerkerwände brach ein Dutzend Geisterpferde, jedes geritten von einem kopflosen Reiter. Die Versammelten klatschten begeistert.
Die Pferde galoppierten in die Mitte der Tanzfläche, wo sie aufbäumend und ausschlagend haltmachten. Ein großer Geist an der Spitze, hob seinen bärtigen Kopf in die Luft um über die Menge sehen zu können. Er setzte sich den Kopf auf den Hals und Schritt auf den Fast Kopflosen Nick zu.
„Nick", dröhnte er. „Wie geht's? Hängt der Kopf immer noch dran?"
Unter schallendem Gelächter klopfte er dem Fast Kopflosen Nick auf die Schulter.
„Willkommen, Patrick", sagte Nick steif.
Sophie lehnte sich zu mir hinüber und flüsterte:„Wie kann man nur so besessen davon sein, kopflos zu sein?"
Ich nickte. Gute Frage.
„Lebendige!", rief Sir Patrick und zuckte mit gespieltem Entsetzen zusammen, sodass sein Kopf wieder herunterkullerte. Die Menge johlte auf.
„Sehr amüsant", sagte der Fast Kopflose Nick mit düsterer Miene.
„Stört euch nicht an Nick!", rief Sir Patricks Kopf zu mir und den Anderen vom Fußboden hoch. „Der ist immer noch sauer, weil er nicht an der Jagd teilnehmen darf! Aber ich würde meinen - schaut euch den Kerl doch mal an -"
„Ich denke", sagte Harry rasch auf einen bedeutungsvollen Blick von Nick hin, „Nick ist sehr - Furcht einflößend und - ähm -"
„Ha!", rief Sir Patricks Kopf. „Wette, er hat Sie gebeten, mir das zu sagen!"
Irgendwie regte mich Sir Patricks auf. Wenn man nicht einfach durch ihn hindurchgleiten würde, dann würde ich einfach auf seinen Kopf treten, der sowieso auf den Boden lag.
„Dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten, es ist Zeit für meine Rede!", sagte der Fast Kopflose Nick laut, schritt auf das Podium zu und trat in das eisblaue Licht einer Kerze.
„Meine beklagenswerten verstorbenen Lords, Ladys und Gentlemen, es ist mir ein großes Missvergnügen ..."
Doch niemand mochte mehr zuhören. Sir Patrick und der Rest seiner Kopflosen Jäger hatten eine Partie Kopfhockey begonnen und die Gäste wandten sich dem Spiel zu. Der Fast Koplose Nick bemühte sich vergeblich, die Aufmerksamkeit seines Publikums zurückzugewinnen, gab jedoch schließlich auf.
Mir war es inzwischen sehr kalt, ganz zu schweigen von meinem Hunger.
„Ich halt's hier nicht mehr lange aus", knurrte Ron mit klappernden Zähnen, als das Orchester wieder zu sägen begann und die Geister auf den Tanzboden zurück schwebten.
„Gehen wir", stimmte ihm Harry zu.
Den Umstehenden lächelnd zunickend machten wir uns auf den Weg in Richtung Tür und kurze Zeit später hasteten wir zurück durch den Gang.
„Vielleicht sind sie mit dem Nachtisch noch nicht fertig", sagte Ron hoffnungsvoll und betrat als Erster die Stufen zur Eingangshalle.
Und dann hörte ich es.
„Reißen ... zerfetzen ... töten ..."
Es war dieselbe Stimme, dieselbe kalte, mörderische Stimme, die ich schon in Lockharts Büro gehört hatte.
Stolpernd hielt ich inne. Ich sah wie Harry die Hände auf die steinerne Wand legte, blickte gangauf, gangab und schien mit aller Kraft zu lauschen.
„Hörst du's auch?", fragte ich, was offensichtlich eine dumme Frage gewesen war.
Harry nickte.
„Harry, Lia, was-", fing Sophie an.
„Da ist wieder die Stimme - sei mal still-", unterbrach Harry sie.
„... so hungrig ... schon so lange ..."
„Hört", sagte Harry eindringlich und Ron, Hermine und Sophie erstarrten und richteten die Augen auf Harry und mich.
„... töten ... Zeit zu töten ..."
Ich hörte, wie die Stimme schwächer wurde. Sie bewegte sich fort, da war ich mir sicher - nach oben. Harry und ich starrten an die Decke. Angst erfüllte mich.
„Hier lang!", rief Harry und lief die Stufen zur Eingangshalle hoch.
Hier konnte ich nichts mehr hören. Harry rannte weiter die Marmortreppe zum ersten Stock hoch, Ron, Hermine, Sophie und ich dicht auf den Fersen.
„Harry, wohin gehen wir?", wollte Hermine wissen.
„SCHHH", sagten Harry und ich gleichzeitig.
Ich spitzte die Ohren. Aus dem nächsten Stockwerk, aus weiter Ferne, hörte ich die verblasste Stimme. „... ich rieche Blut ... ICH RIECHE BLUT!"
Mir drehte sich der Magen um. Harry und ich sahen uns geschockt an und sagten wie aus einem Mund:„Es wird jemanden umbringen!", und rannten los.
Ohne auf Ron's, Hermine's und Sophie's verwirrte Gesichter zu achten, nahm ich drei Stufen der nächsten Treppe auf einmal und versuchte über das Getrappel meiner Schritte hinweg zu lauschen.
Harry und ich jagten durch alle Gänge im zweiten Stock und Ron, Hermine und Sophie keuchten hinter uns her. Erst als wir in den letzten, verlassenen Korridor gebogen waren, hielten wir an.
„Harry, Lia, was ist eigentlich los?", fragte Ron, während er sich den Schweiß vom Gesicht wischte. „Ich hab nichts gehört"
Da stieß Hermine einen kurzen Seufzer aus und deutete den Gang hinunter.
„Seht mal!"
Und erst jetzt sah ich es. Vor uns leuchtete etwas. Wir späten durch die Dunkelheit und traten vorsichtig näher. An die Wand zwischen zwei Fenstern waren halb Meterhohe Wörter geschmiert, die im flackernden Licht der Fackeln schimmerten.

Avventura - Harry Potter Fan-Fiction IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt