44. Aufeinandertreffen

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Egal wie oft ich das sehen werde, ich werde mich wohl nie daran gewöhnen. Sonst so belebte Straßen wie leergefegt. Türen von Wohnhäusern stehen offen, sind aus den Türangeln getreten, aus offenen Fenstern wehende Vorhänge, Schaufenster zerstört, sämtliche Möbel teilweise lieblos und völlig achtlos umgeworfen, ineinander gecrashte Autos. Wie von selbst spielt mein Gehirn verschiedene Szenarien ab, wie die Menschen voller Angst und Schrecken die Straße entlang rennen, um Hilfe schreiend. Wie sie verzweifelt versuchen sich oder ihre Kinder zu verstecken, auf der Flucht vor dem Unausweichlichen.

Doch während es in vielen Straßen dermaßen chaotisch aussieht, ist es in manchen das genaue Gegenteil.

Man könnte sogar denken, es handle sich um einen Drehort für einen Film oder eine Serie.

Als wären die Menschen von dem einen auf den anderen Tag einfach verschwunden, an einen anderen Ort gegangen. Besitztümer, Schätze, unzählige Erinnerungen – alles zurückgelassen. Wie eine Geisterstadt. Oder zumindest ein Teil einer solchen.

Es schmerzt immer wieder aufs Neue. Und obwohl ich den Beweis für den Aufstand, für den Krieg unmittelbar vor meiner Nase habe, fühlt es sich so surreal an. Als wäre all das nur ein schlechter Traum, aus dem man gleich erschrocken wieder aufwacht und sich fragt, was zur Hölle das war.

Aber es ist keiner.

Warum es wohl so schwer zu akzeptieren ist, obwohl ich es mit meinen eigenen Augen sehe?

Seufzend gehe ich die Treppe zur nächsten Wohnung des Wohnblocks hianuf und drücke die Türklinke herunter. Abgeschlossen. Ich gehe einige Schritte zurück, nehme Anlauf und trete die Tür mit dem rechten Fuß ein. Laut scheppernd kommt sie auf dem Boden auf.

„Alles gut!", rufe ich laut.

Als ich die Wohnung betrete, knarzt die Tür unter meinem Gewicht. Alles scheint an seinem gewohnten Platz zu stehen und es gibt absolut keine Anzeichen auf einen Kampf. Das ändert sich allerdings als ich die letzte Tür am Ende des Flurs öffne. Eine weiße Wand mit Hello Kitty Motiven darauf, die Bettwäsche gleichen Motives achtlos auf dem Boden verteilt und von dreckigen Fußspuren übersät. Sämtliche Utensilien eines Schreibtischs, auf dem eine niedliche Lampe in Form eines Sterns steht, liegen wild durcheinander, als sei jemand mehrmals gegen den Tisch gerammt.

Das auffälligste sind jedoch die verteilten Blutflecken und die zerbrochene Fensterscheibe. Auf dem Boden springt mir prompt ein Zettel auf.

„Übermorgen werde ich endlich elf! Mama und Papa wollen mit mir sogar in einen Freizeitpark fahren! Ich bin so aufgeregt!", steht auf ihm geschrieben. Darunter ein gemaltes Bild, das ein Mädchen mit seinen Eltern zeigt. In der einen Hand einen Luftballon, in der anderen ein Eis. Im Hintergrund ein Riesenrad.

In mir beginnt es zu brodeln.

Diese verfluchten Vampire.

Bei der Vorstellung, was sie wohl all den Kindern und anderen Gefangenen antun, was sie alle erleiden und durchmachen müssen, wird mir schlecht.
Diese vergeblichen Suchen sind ehrlich gesagt ziemlich frustrierend. Mittlerweile bin ich sogar schon so weit, dass ich mich frage, ob sie überhaupt noch etwas bringen. Seit dem Aufstand sind immerhin schon mehrere Wochen vergangen. Wie hoch ist da die Chance, noch großartig Menschen zu finden? Wobei, ich sollte mich vielleicht nicht so beschweren. Wir haben ja auch noch längst nicht einmal die Hälfte der Stadt durchsucht. Aber ich wünschte, wir würden stattdessen eher nach dem Versteck der Vampire suchen. Würde das nicht viel mehr Sinn machen? Irgendwo müssen sie ja all die Menschen hingebracht haben, deshalb kann ihr Unterschlupf nicht allzu weit von Lane selbst entfernt sein. Nur so einfach kann das auch wiederum nicht sein, denn ich nehme an, in den letzten Jahren wurde auch bereits danach gesucht.

Keryno - Aufstand der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt