Er fährt sich seufzend mit der Hand übers Gesicht. „Die Konsequenzen, die Reaktion deines Körpers auf sie, waren schon immens. Anhand eurer Erzählung würde ich jetzt vermuten, dass du die Schmerzen ein bestimmtes Vielfaches so schlimm verspürst wie die Person, die du heilst. Aber wars das wirklich? Wer weiß, was es noch ist? Wie weit reichen die Nachwirkungen? Wie wirkt sich das auf deinen Körper aus? Sienna, dein Körper kann nicht mehr ertragen. Du machst dich selbst damit kaputt."
„Na und?! Ist doch egal, warum ich das konnte! Ich würde sie immer anwenden, wenn ich euch damit retten könnte! Selbst wenn ich all die Verletzungen auf mich nehmen müsste!"
„Und genau das macht mir ja solche Sorgen, du Idiotin!"
Er verzieht schmerzvoll das Gesicht.
Ich beiße mir von innen auf die Wange und verziehe den Mund zu einem Strich. Meine noch immer zittrigen Hände balle ich zu Fäusten. Wieso versteht das denn keiner? Können sie meine Beweggründe nicht nachvollziehen? Es hat mich so viel Mühe und Kraft gekostet, Levi zu heilen und ich habe diese unendlichen Schmerzen über mich ergehen lassen. Ja, es hat mich keiner darum gebeten, ja, ich habe es aus freien Stücken gemacht, aber wieso können sie es nicht einfach akzeptieren und mich wenigstens ein bisschen loben?
„Ihr meckert nur an mir rum. Mach das nicht, mach dies nicht. Ich soll meine Kraft nicht zu sehr einsetzen. Warum? Wozu habe ich sie dann? Ist sie bloß ein nutzloses Accessoire? Wisst ihr überhaupt wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe?! Noch nie habe ich Levi so gesehen. Wie er da lag und da war so viel Blut... So unendlich viel Blut. Was hätte ich denn tun sollen, mh?! Einfach dabei zusehen, wie er immer mehr Blut verliert und vielleicht sogar stirbt?! Ich dachte ich verliere ihn!" Obwohl ich meine Lippen so sehr zusammengepresst habe, rutscht mir dennoch ein Schluchzer aus dem Mund. „Wenn ich nicht so schnell reagiert hätte oder keine Auren spüren könnte, würden wir hier jetzt nicht so sitzen!" Mein Blick schweift zu Levi. Mittlerweile ist meine Sicht so sehr verschwommen, dass es mir vorkommt, als würde ich ihn Unterwasser anschauen. „Hätte ich nicht.... Hätte ich nicht..."
Der fette Kloß, der sich in meinem Hals festgesetzt hat, erstickt meine Worte im Keim. Es fühlt sich an, als hätte sich ein dicker Draht um meine Kehle gewickelt, der sie immer mehr zuschnürt. So sehr, dass ich beinahe keine Luft mehr bekomme.
Zwei muskulöse Arme legen sich um mich und ziehen mich an eine Brust. Sofort kralle ich mich in Levis Oberteil und vergrabe mein Gesicht in seiner Brust. Während sich der Draht immer enger zusammenschnürt, steht beim Kopf kurz vorm Explodieren. Sanft wiegt Levi mich hin und her, wie man es bei einem kleinen Kind machen würde.Und genauso fühle ich mich.
Kindisch.
Erbärmlich.
Lächerlich.
Warum weine ich so viel? Den Anderen geht es nicht gerade besser, wieso muss ich mal wieder diejenige sein, die hier so einen Aufstand schiebt?
Doch egal wie sehr ich das in meinem Kopf wiederhole, beruhigen kann ich mich nur schwer. In meinem Brustkorb hat sich ein gewaltiger Stein abgelegt und die Erinnerungen an den Kampf spielen sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab.
Immer und immer wieder.
Umso mehr versuche ich mich verzweifelt auf Levis Herzschlag zu konzentrieren. Liebevoll streicht Levi mir über die Haare. Es dauert einige Minuten, bis ich mich beruhigt habe, aber Stück für Stück zieht sich der Kloß in meinem Hals zurück und auch die Tränen stoppen irgendwann endlich. Meine Augen brennen fürchterlich, sind geschwollen und meine Wangen sind höchstwahrscheinlich so rot wie ein Pavianhintern. Wobei... Mit den geschwollenen Augen sehe ich vermutlich eher aus wie ein Blobbfisch.Wie peinlich.
Ich schniefe einige Male und wische mir die Tränenreste aus dem Gesicht.
„Sag mal, kann es vielleicht sein, dass du dem Adligen schon mal begegnet bist?", fragt Levi mit leiser, rauchiger Stimme. Sein Atem haucht gegen mein linkes Ohr und schickt eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper.
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Keryno - Aufstand der Vampire
VampireDie bisher unterdrückten Vampire erheben sich und versetzen alles in Angst und Schrecken. Nun spürt die gesamte Welt das Ausmaß ihrer Existenz. Während ein Krieg um die Freiheit der Menschheit beginnt, versinkt Sienna in einem Gefühlschaos. Ihre ma...