Wie damals bei Rick habe ich das Gefühl, als hätten sich Hände auf meine Schultern gelegt und würden versuchen, mich nach unten zu drücken. Meine weichen Beine können mein Gewicht nicht länger tragen und so lasse ich mich auf die Knie fallen, den Blick immer noch auf den in der Luft fliegenden A-Vampir gerichtet. Meine Haare berühren den Boden und bilden einen kleinen Schleier um mich.
Ich versuche wieder aufzustehen, bleibe jedoch erfolglos. Ich kann mich auf nichts anderes außer auf ihn konzentrieren. Dabei bin ich mir nicht einmal wirklich sicher, warum ich nun auf meinen Knien kauere. Liegt es an meiner Furcht oder an der machtvollen Aura? Höchstwahrscheinlich an beidem.
„Sienna, was machst du da?! Geht es dir gut?", kommt es aufgebracht von links. Mit zittrigem Arm zeige ich auf den A-Vampir.
„Levi, ich kann mich nicht rühren", hauche ich mit wackliger Stimme. „Seine Aura... Sie ist unerträglich. Sie ist so verdammt riesig. Wie kann eine Aura so gigantisch sein? Das ist ein wahres Monster. Er könnte uns alle vermutlich binnen weniger Sekunden erledigen."
Eine Hand legt sich auf meinen Kopf. Dass ein B-Vampir nur wenige Meter von mir entfernt von Windklingen zerfetzt wird, bekomme ich gar nicht mit.
„Das wird er nicht. Definitiv nicht. Darauf kannst du dich verlassen."
„Was ist los?", fragt Jonas keuchend.
„Da drüben, nahe der Barriere, schwebt ein A-Vampir in der Luft. Sienna sagt, seine Aura sei gigantisch. Da sie sie sehen kann, ist für sie das Ganze schlimmer als für uns. Wer weiß, was sich ihr für ein Anblick bietet?", entgegnet Levi mit gerunzelter Stirn. „Wir müssen uns so schnell wie möglich um ihn kümmern, denn wir können ihn nicht einfach außer Acht lassen. Such nach Keryno, die möglichst nicht allzu sehr geschwächt sind."
Diese roten Augen, die selbst aus dieser großen Entfernung gefährlich leuchten, scheinen sich tief in meine Seele zu brennen. Diese Augen, die mich in so vielen Träumen heimsuchen und mich stets verfolgen zu scheinen.
„Levi", kommt es von einer weiblichen Stimme.
Ich spüre mehrere Blicke auf mir, kann mein Blick aber dennoch nicht von dem blutsaugenden Wesen abwenden.
Nur wenige Sekunden später rennen Finn, Jonas, Sumiko und drei weitere Keryno in Richtung des A-Vampirs, Levi ganz vorn.
Die blonden Korkenzieherlocken erkenne ich aus dem Augenwinkel direkt. Das ist Anastasias Team! Mit Anastasia hatte ich von Anfang an meine Probleme. Das Mädchen Kaja, das sehr freundlich zu mir war, jedoch nur wenige Zeit später das Quartier wechseln musste, wurde von ihr gemobbt. Als ich noch relativ neu war, hat Anastasia mich dermaßen provoziert und zu einem Duell herausgefordert, das böse hätte enden können, wäre damals nicht der Lehrer im entscheidenden Moment aufgetaucht. Nicht lange später hatte ich sie und einige ihrer Freundinnen dabei erwischt, wie sie Kaja erneut geärgert haben. Das war auf der höchsten Brücke, die die beiden Schulgebäude miteinander verbindet und natürlich hatte ich mich eingemischt. Dann hat Anastasia mich geschubst und ich bin die Brücke hinuntergefallen und wäre eigentlich so gut wie tot gewesen, doch ich wurde gerettet – von meiner Aura. Oder zumindest von dieser mysteriösen Kraft in mir. Erst jetzt fällt mir auf, dass das eigentlich das erste Mal war, als sich meine Aura gezeigt hat, nur hatte ich dieses Ereignis bisher irgendwie verdrängt.
Noch immer wie in Trance schaue ich den Anderen dabei zu, wie sie nun mittlerweile den A-Vampir angreifen. Während Levi wie er durchgängig in der Luft fliegen kann, muss der Rest immer wieder nach oben springen.
In diesem stillen Moment macht sich die Erschöpfung in meinen Knochen bemerkbar und ich spüre die Schweißperlen auf meiner Stirn deutlicher als zuvor. Erst jetzt wird mir mein Keuchen bewusst.
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Keryno - Aufstand der Vampire
VampireDie bisher unterdrückten Vampire erheben sich und versetzen alles in Angst und Schrecken. Nun spürt die gesamte Welt das Ausmaß ihrer Existenz. Während ein Krieg um die Freiheit der Menschheit beginnt, versinkt Sienna in einem Gefühlschaos. Ihre ma...