53. Neue Grenzen

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„Hatten wir nicht abgemacht, dass du deine Aura erst einmal nicht mehr benutzt?"

Ich schnaube leise auf und sehe leicht zur Seite. Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis sie mich darauf ansprechen. Wundert mich eigentlich, dass das so lange gedauert hat, denn ich hätte schwören können, dass es nur ein bis zwei Tage dauert. Also kann ich eigentlich froh sein, dass sie jetzt erst deswegen zu mir kommen.
Lachend hebe ich eine Braue und breite die Arme leicht aus. „Wie könnte ich sie nicht benutzen?" Langsam nehme ich die Arme wieder runter. „Es ist unmöglich, es nicht zu versuchen. Sie zu kontrollieren." Zum Ende hin wird mein Lächeln immer breiter. „Ich bin endlich so weit, dass ich nicht mehr so schnell schwach werde und kein Blut mehr spucke-"

„Das ist nichts worüber du dich freuen solltest! Du solltest nicht einmal Blut spucken müssen!", fährt Levi mir schroff ins Wort und macht einen kleinen Schritt auf mich zu.

Meine Mundwinkel erschlaffen und ich balle die Hände zu Fäusten. „Ihr wisst gar nicht was diese Kraft für mich bedeutet. Ihr kennt es nicht anders, ihr habt eure Fähigkeiten schon seit Ewigkeiten und seid mit ihnen aufgewachsen. Versucht euch mal vorzustellen, wie es für euch wäre, wenn ihr eure Kräfte nicht benutzen dürftet. Für mich ist das etwas, was ich mir seit meiner Kindheit vorgestellt und gewünscht habe. Wozu habe ich diese Kraft, wenn ich sie nicht einsetzen darf?"

„Es ist ja auch schön, dass du sie mittlerweile so gut kontrollieren kannst, aber du solltest es nicht übertreiben und nicht zu viel damit rumexperimentieren. Und das schon gar nicht ohne uns oder ohne jemanden, der im Notfall eingreifen könnte. Selbst jetzt, einige Monate später, wissen wir immer noch kaum etwas über sie."

„Davon abgesehen ist es nicht gut, wie du gerade lebst", mischt sich Finn ein und kommt mir ebenfalls einen kleinen Schritt näher.

Wie ich gerade lebe? Ich hebe eine Braue.

„Die Missionen sind schon anstrengend genug, du solltest dich an den freien Tagen ab jetzt wirklich ausruhen und nicht auch noch bis spät in die Nacht trainieren. Jeder der deine Augenringe sieht, wüsste sofort, dass du nicht gerade zeitig ins Bett gehst."

Meine Augenringe?

Ich glaube nicht, dass mein Training wirklich die Hauptschuld daran trägt. Selbst wenn ich nicht trainieren würde, halten mich die Gedanken und die Angst vor den Träumen trotzdem wach. Die Bilder, die Erinnerungen, die Stimmen.

Aber was wisst ihr schon?

„Versteh doch, wir freuen uns ja, dass du Fortschritte machen konntest, aber-", fährt Jonas fort, doch ich falle ihm schroff ins Wort.
„Ja und genau diese Fortschritte habe ich ganz allein geschafft." Ich schüttle leicht den Kopf und blicke kurz zur Seite. „Ihr habt einfach nur Angst. Angst davor, was ich alles kann. Ihr seid meine Freunde, meine Familie, solltet ihr mich nicht unterstützen und mich ermutigen? Solltet ihr nicht genauso darauf brennen zu erfahren, wie weit meine Kräfte reichen? Was sie können? Wozu ich imstande bin?"

„Sienna du verstehst das nicht! Diese Kraft die du hast..." Levi macht eine kurze Pause und schnalzt mit der Zunge. „Das ist keine normale Kraft. Sie dürfte gar nicht existieren."

„Und doch tut sie es."

Für einige Sekunden hört man nur das Rauschen des Windes, das Pfeifen, wenn er durch winzige Lücken nahegelegener Gebäude zieht und das Rascheln der Bäume aus der Ferne.

Levi seufzt verzweifelt und rauft sich die Haare. „Du verstehst es einfach nicht. Weder Mensch noch Vampir ist dazu fähig, die Auren anderer zu sehen oder zu spüren, geschweige denn die eigene zu benutzen! Den meisten hier im Quartier kann man vertrauen, aber die Elite hat ihre Augen und Ohren überall. Wenn sie erfahren, dass es jemanden gibt, der etwas kann was eigentlich absolut unmöglich ist, was denkst du, was sie dann machen werden?"

Keryno - Aufstand der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt