7. Behinderungen

32 5 6
                                    

Unsere Schritte hallen in dem menschenleeren Flur wider und klingen schrecklich laut in den Ohren. Normalerweise sind die Flure, egal in welchem Gebäude, immer so lebendig und diese Stille, die nur durch unsere schnellen Schritte gebrochen wird, ist beinahe schon gruslig. Als hätte jemand die Zeit angehalten.

Wir verlassen das Gebäude wieder und sprinten zum Haupttor. Je näher wir ihm kommen, desto größer wird meine Angst und desto lauter werden die Kampfgeräusche. Im Grunde genommen weiß ich schon, was sich mir gleich bieten wird, immerhin habe ich es vorhin bereits aus der Ferne gesehen.

Will ich das wirklich von nahem sehen?

Möchte ich all diese fürchterlichen Dinge wirklich sehen?

Der Anblick der unzähligen Auren... Werde ich ihn ertragen können oder wird mir wieder so widerwärtig schlecht und schwindlig werden? Was mache ich dann bloß?

All die verletzten, womöglich sogar tot am Boden liegenden Kameraden.

Am liebsten würde ich mich auf den Fersen umdrehen und rennen bis meine Füße und Beine mich nicht mehr tragen.

Aber das geht nicht.

Fast wäre ich einfach stehen geblieben.

Feigling.

Wie kann ich nur so egoistisch sein und an so etwas denken, wenn gerade auf der gesamten Welt der Krieg ausbricht, Menschen von den Vampiren getötet, versklavt und Familien auseinander gerissen werden und unsere Kameraden überall ihr bestes geben, um diese verfluchte Situation irgendwie unter Kontrolle zu bekommen?

Doch langsam sickern Kais Worte durch mich hindurch, nehmen feste Form an. Nein, das ist alles bloß ein normaler Angriff der Vampire.

Das ist kein Krieg. Nein.

Während wir das Tor passieren, schließe ich meine Augen und atme tief durch. Nur weitreichende Schwärze. Irgendwie versuche ich mich auf das nun kommende vorzubereiten, doch ich befürchte, was ich auch denke, es wird nichts ändern.

Die Kampfgeräusche sind nun näher als je zuvor, als wären wir bereits mitten im Geschehen. Ich öffne meine Augen und hätte sie am liebsten wieder geschlossen, denn was sie sehen, droht mich zu erschlagen.

Ich dachte schon von weitem, dass dieses Bild der Horror wäre, aber aus dieser mickrigen Entfernung ist es nahezu unerträglich.

So viele Eindrücke preschen auf mich ein, so viele Farben und Auren die sich miteinander vermischen und nun so viel größer als eigentlich wirken. Das gesamte Feld wirkt, als wäre es von einem riesigen, undurchdringlichen Nebel durchzogen.

Ich weiß nicht ob ich mir das einbilde, aber sind einige der Auren wellenförmig? Prompt blitzt der C-Vampir von vorhin in meinem Kopf auf. Seine Aura war auch wellig, aber die Wellen dieser Vampire scheinen ausgeprägter zu sein. Perplex ziehe ich die Brauen zusammen.

Plötzlich zieht sich ein widerwärtiges, penetrantes Stechen und Pochen durch meine Augen, als würde man für einen längeren Augenblick geradewegs in helles Licht sehen. Dass wir geradewegs darauf zurennen, macht es nicht sonderlich besser.

Ich komme mir vor wie ein verängstigter, zurückgedrängter, kleiner Hund, der von mehreren Menschen umrundet ist, die so viel größer als er selbst sind und mit hohen Stimmen wie wild auf ihn einreden.

Ich spüre jede einzelne dieser unzähligen Auren, fühle ihre gewaltige Last auf meinen Schultern, nein, auf meinem gesamten Körper.

Das muss aufhören. Ich muss etwas dagegen tun!

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und blicke geradewegs zum strahlend blauen Himmel, um die Auren aus meinem Blickwinkel zu verbannen. Verschwindet!

Keryno - Aufstand der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt