Kaum steige ich die Treppen hinab, schließt sich auch schon die Geheimtür hinter mir, die ich kurz zuvor geöffnet hatte. Sofort mache ich mich wieder unsichtbar. Ich habe die letzten Tage und Wochen unfassbar viel geübt, also sollte das jetzt auch über einen längeren Zeitraum funktionieren.
Hoffe ich zumindest.
Die Wände rechts und links scheinen aus Stahl oder ähnlichem zu sein und als die Treppe endlich ihr Ende findet, atme ich erleichtert aus. Gerade kam sie mir bedeutend länger vor als in den letzten Tagen, wo ich sie ja nur durch meine Aura kannte. Ein Flur führt nach rechts, links und geradeaus, doch ich nehme den linken und setze meinen Weg fort, während meine Augen ununterbrochen alles abscannen. Irritiert ziehe ich nach einiger Zeit und mehreren Abzweigungen die Brauen zusammen.
Warum sind hier nirgends Kameras platziert?
Das macht keinen Sinn. Wieso sollten die Keryno diese ganzen Gänge nicht überwachen? Wäre das nicht umso wichtiger, da hier unten offenbar Vampire gefangen gehalten werden? Ich schüttle den Kopf. Naja, darüber kann ich mir auch später noch den Kopf zerbrechen, jetzt sollte ich mich erst mal auf mein Vorhaben konzentrieren, denn nun wird es ernst.
Ich bin da.
Mein Herz hämmert beinahe schmerzhaft in meiner Brust und egal wie oft ich mir über die Lippen lecke, mein Mund bleibt furchtbar trocken.
Obwohl ich nicht sichtbar bin, schaue ich vorsichtig um die Ecke. Durch das ständige Training in den letzten Tagen habe ich mich zwar einigermaßen daran gewöhnt, aber nun bin ich mir doch wieder unsicher. Ich komme mir vor, als würde ich mich hier gleich selbst auf dem Silbertablett präsentieren.
Gut, nach wie vor zwei Keryno. Ich kenne sie nicht, sie scheinen aber einen etwas höheren Rang zu haben. Sie sitzen direkt vor einer großen Flügeltür, die aus dem gleichen oder oder ähnlichem wie die Wände zu bestehen scheint, auf einem Stuhl. Zwischen ihnen steht ein kleiner Tisch, auf dem mehrere Karten ausgebreitet sind.
Okay, also an ihnen vorbeischleichen und durch die Tür gehen.
Schön wär's.
Ich werfe einen letzten Blick hinter mich, ehe ich die Augen schließe und tief ein- und ausatme. Du schaffst das. Du hast die letzten Wochen und Tage immer wieder geübt. Du schaffst das!
In einem Ruck stoße ich meine Aura von mir und lasse sie über die einer der Wächter gleiten, überschatte sie Stück für Stück. Gleichzeitig löst sich meine Unsichtbarkeit auf.Es dauert einige Sekunden, aber dann habe ich es geschafft und kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Der erste Schritt ist geschafft. Ich konzentriere mich ganz genau auf die Aura und tatsächlich – es taucht eine leicht schimmernde Silhouette vor meinem inneren Auge auf.
Ich kratze mich mit der rechten Hand am Kopf und der Wächter, dessen Aura ich überschattet habe, macht es mir nach. Mit einer schnellen Bewegung haue ich dem anderen Wächter kraftvoll auf eine bestimmte Stelle im Nacken, woraufhin dieser zusammensackt.
Ich gehe auf den noch übrigen Wächter zu, der es mir ebenso nachmacht. Anschließend drehe ich mich um, sodass wir mit dem Rücken aneinander stehen und ziehe meine Aura zurück - der Wächter ist also wieder Herr seiner selbst. Sofort drehe ich mich wieder um und gebe ihm den gleichen Schlag, woraufhin auch er bewusstlos auf den Boden sinkt.
Ohne zu zögern trete ich durch die Flügeltür, die ich hinter mir wieder schließe, und was sich mir offenbart, ist ungefähr das was ich mir beinahe gedacht hatte. In den letzten Tagen bin ich mit meiner Aura immer nur bis zur Tür gekommen und konnte nur ganz schwach andere Auren spüren, aber in Wirklichkeit sind es sogar viel mehr als befürchtet. Wobei, ist befürchtet überhaupt das richtige Wort?
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Keryno - Aufstand der Vampire
VampireDie bisher unterdrückten Vampire erheben sich und versetzen alles in Angst und Schrecken. Nun spürt die gesamte Welt das Ausmaß ihrer Existenz. Während ein Krieg um die Freiheit der Menschheit beginnt, versinkt Sienna in einem Gefühlschaos. Ihre ma...