24. Klärendes Gespräch

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„Leute!"
„Sienna!", rufen Finn und Jonas wie aus einem Munde, beide ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht.
Das meinige erlischt augenblicklich, als ich die vielen, großen Verbände sehe. Ich ziehe geräuschvoll die Luft ein und presse eine Faust gegen meine Brust. Bei Sumikos Armen ist kein Stückchen freie Haut zu sehen, das Gleiche bei Finns Oberkörper. Jonas' Schultern und Brustkorb sind ebenfalls von weißen Verbänden umzingelt
Wie von selbst bewegen sich meine Beine nach vorn und wie ein Betrunkener torkle ich auf die Drei zu. Meine Beine sind von vorhin noch immer ein wenig taub, aber das spielt keine Rolle. Ich lege meine Arme um die Drei.
Finn stöhnt leise auf. „Hey, hey, nicht so stürmisch."
Ich streiche über das Pflaster an Jonas Wange, den anderen Beiden streiche ich über die Stirn. Ohne etwas dagegen tun zu können, sammeln sich wieder Tränen, nur um abermals über meine Wangen zu rollen.

„Oh man, ich bin echt eine Heulsuse", schluchze ich.
Finn und Jonas nehmen mich augenblicklich in den Arm und Sumiko piekt mir leicht in den Oberarm.
„Es muss schrecklich für dich gewesen sein, nicht wahr?", flüstert Finn und streicht mir zärtlich übers Haar. „Den ganzen Tag hier festzusitzen, ohne zu wissen, was mit uns ist."

Ich dachte, meine Bedenken würden verschwinden, sobald Levi, Sumiko, Jonas und Finn wieder zurück sind, aber diese Angst, sie zu verlieren, scheint mir tiefer in den Knochen zu stecken als erwartet. Ich nicke lediglich.
Nach einigen Sekunden räuspere ich mich, schließe sie fester in die Arme und krächze: „Allerdings. Ihr wisst ja gar nicht, wie das ist. Die Zeit verging so quälend langsam und ich hatte solche unendliche Angst um euch. Was würde ich nur machen, wenn ihr plötzlich nicht mehr zurückkommen würdet oder man mir sagen würde, dass ihr es nicht überlebt hättet? Hier nutzlos festzuhängen, ohne euch beschützen zu können..."
Am Ende bricht meine Stimme weg und schniefe geräuschvoll.

„Brauchst' ein Taschentuch?", spottet Jonas.
Mir die Tränen aus dem Augenwinkel wischend boxe ich ihm gegen den Oberarm.
„Nein, ich brau-"
Klingen bohren sich in meine Beine und jagen einen eisigen Schauer über meinen Rücken. Meine Verletzungen werden von einem abartigen Pulsieren heimgesucht. Leise zischend kralle ich meine rechte Hand um mein linkes Handgelenk.
„Was ist?", bricht es sofort besorgt aus Finn heraus.
Jemand schnippst mit den Fingern und eine Sekunde später sitze ich auf Finns Bett. Mit einem knappen Lächeln bedanke ich mich bei Levi.
Als wir auf dem Weg hierher waren, hat er Finn, Jonas und Sumiko per Talkacer eine Nachricht geschickt, dass wir uns in Finns und Jonas' Zimmer treffen würden.

„Lass mich raten: Sie hat's mal wieder übertrieben?", sagt Jonas mit gehobener Augenbraue und sieht zu Levi.
Dieser nickt mit dem Kopf und kommt näher an uns heran.
Dennoch sehen Jonas und Finn mich fragend an. Noch immer piekst es schmerzhaft, weshalb meine Stimme ziemlich gepresst klingt. „Die meiste Zeit ist alles okay, aber ab und zu tun die Wunden echt höllisch weh oder sind sogar wieder komplett taub."
„Warum wohl?", mischt sich Levi ein.
„Mir war am Vormittag so langweilig, dass ich überall ein bisschen geholfen habe-"
„Und das bis vor einer knappen halben Stunde", wirft Levi erneut ein.

Ich verdrehe die Augen und will, ohne auf seine Bemerkung einzugehen, fortfahren, doch da kommt mir wer anderes in die Quere.

„Was?! Das kannst du doch nicht machen!", ruft Finn entsetzt.
„Sienna, das darfst du nicht! Du musst mit deinen Verletzungen vorsichtig sein und dich ausruhen! Du kannst doch nicht stundenlang rumlaufen und so tun, als ob du putzmunter wärst! Es ist ein Wunder, dass du gerade überhaupt noch bei Bewusstsein bist!", räumt Jonas mit geweiteten Augen ein.
Er legt seine Hände auf meine Wangen und presst sie leicht zusammen. Wahrscheinlich sehe ich gerade wie ein Kugelfisch aus.
„Du musst echt mehr auf dich selbst aufpassen. Je mehr du dich verausgabst, desto länger dauert die Heilung."
Ich atme tief durch. „Könnt ihr mich vielleicht auch mal ausreden lassen?!", sprudelt es aus mir heraus und ich habe wütend die Augenbrauen zusammengezogen.
Alle schauen mich komisch an.
Im nächsten Moment bin ich selbst über mich schockiert.
Was ist nur los mit mir?
Ich seufze laut. „Tut mir leid, ich wollte nicht schreien."

Keryno - Aufstand der VampireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt