„Sisi!"
Mit ausgebreiteten Armen kommen die Kinder auf mich zugerannt. Zugleich umspielen warme Flammen mein Herz und meine Mundwinkel heben sich wie von selbst. Sie zupfen leicht an meinem Oberteil und an meinem Rockzipfel.
„Endlich bist du wieder da!"
„Wir haben den ganzen Tag auf dich gewartet, aber du bist nicht gekommen", sagt ein kleines Mädchen mit zwei Zöpfen traurig.
Ich tätschle ihr den Kopf. „Aber dafür bin ich ja jetzt da."
Augenblicklich hellt sich ihr Gesicht auf.
Seit ich damit angefangen habe, in der Halle Essen und Trinken an die Überlebenden zu verteilen, haben die Kinder damit angefangen, mir hinterher zu laufen. Erst waren es nur drei, mittlerweile sind es zehn. Ich weiß wirklich nicht, was sie dazu bewegt hat, so begeistert von mir zu sein.„Können wir was spielen?", fragt mich ein kleiner Junge, der etwa um die sechs Jahre alt sein muss.
„Gleich. Erst muss ich noch das Essen verteilen." Ich halte inne. „Wollt ihr mir helfen?"
Erst schauen sie einander an, ehe sie freudig auf und abspringen. „Ja!"
Gemeinsam gehen wir zu dem großen Rollwagen mit den ganzen Suppentassen und dem Besteck. „Ihr müsst aber sehr vorsichtig sein, okay? Die Leute wären sehr traurig, wenn einer von ihnen nichts bekommen könnte."„Oh nein! Das wäre voll doof!", ruft ein blondes Mädchen.
„Und eine Verschwendung", fügt ein etwa Neunjähriger hinzu und schiebt seine leicht herunter gerutschte Brille nach oben.
„Fasst schön am Henkel an, dann könnt ihr euch nicht verbrennen. Verteilt es am besten erst an die, die hier vorn sitzen", sage ich mit leicht kindlicher Stimme.
So haben sie es nicht allzu weit und das Risiko, dass sie hinfallen, ist dadurch etwas niedriger.Sie geben sich wirklich große Mühe und vor allem die älteren Menschen freuen sich sehr darüber. Das Mädchen mit den beiden Zöpfen beobachte ich sogar dabei, wie sie erst zu mir schaut und dann meine Handlungen nachmacht, wie sie ebenfalls eine ältere Dame füttert. Ich lache leise auf. Wirklich goldig. Ich schätze, das war eine gute Idee. Die Kinder haben was zu tun und verbreiten eine gute Stimmung. Nach und nach kommen sogar noch mehr Kinder, sogar ältere, vielleicht um die Dreizehn, kommen zu mir und helfen mir und den anderen Keryno. Während ein Teil noch Essen an den hinteren Part der Halle verteilt, sammelt der Rest schon wieder die leeren Suppentassen ein. So sind wir viel schneller fertig als sonst.
„Das habt ihr wirklich prima gemacht! Ihr seid mir eine riesengroße Hilfe gewesen. Ohne euch wäre das nie so schnell gegangen", lobe ich sie und gebe jedem von ihnen einen High-Five. Ein verheißungsvolles Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. „Und jetzt habe ich noch eine kleine Überraschung für euch."„Wirklich?! Was ist es, was ist es?"
Ich gehe in die Vorhalle und hole den Ball, den ich zuvor hinter einer Topfpflanze versteckt hatte. Sobald die Kinder sehen was ich in meiner Hand halte, quieken sie erfreut auf und springen aufgeregt auf und ab. Und so werfen wir uns den Ball einander zu.
Es ist nichts Besonderes und doch bereitet es den Kids einen mordsmäßigen Spaß. So wie sie sich anstrengen, bin ich mir auch sicher, dass sie nachher ganz schnell einschlafen werden – tief und fest.„Was möchtet ihr später mal gerne werden oder was ist euer Traum?", frage ich und werfe zu einem Zehnjährigen.
„Wenn ich groß bin, möchte ich genauso stark, mutig und tapfer wie du sein!", antwortet das Mädchen mit den Zöpfen wie aus der Pistole geschossen.
Für einen Augenblick bin ich wie erstarrt und völlig baff. Mit dieser Antwort habe ich überhaupt nicht gerechnet. Sobald mein Gehirn die Aussage verarbeitet hat, wird mir ganz warm ums Herz und ich hocke mich hin, um mit ihnen etwa auf einer Augenhöhe zu sein. „Wieso das denn?"„Na du bist so groß!", ruft ein Junge, der wohl um die Sieben sein muss.
Ich schnaufe belustigt. „Wenn ihr älter seid, seid ihr bestimmt sogar noch größer als ich."
„Obwohl du verletzt bist, kümmerst du dich um uns alle."
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Keryno - Aufstand der Vampire
VampireDie bisher unterdrückten Vampire erheben sich und versetzen alles in Angst und Schrecken. Nun spürt die gesamte Welt das Ausmaß ihrer Existenz. Während ein Krieg um die Freiheit der Menschheit beginnt, versinkt Sienna in einem Gefühlschaos. Ihre ma...