So sehr Armitage und ich uns auch wünschten, die aktuelle Situation wäre anders, so viel positives konnte zumindest ich dem Ganzen doch abgewinnen. Bellava Parnadee und ich ergänzten uns wunderbar und je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto besser lernten wir uns kennen. Auch unser gegenseitiges Vertrauen wuchs.
Ich hatte mit meiner Annahme, dass sie die skrupellosen Vorgehensweisen der Ersten Ordnung nicht guthieß, voll ins Schwarze getroffen, denn ich sah meine Vermutung immer wieder in kleinen Anmerkungen bestätigt, die die andere Frau in unsere Gespräche mit einfließen ließ. Wenn sie etwas kritisierte. Oder über einen Entschluss missbilligend den Kopf schüttelte. Vor allem die radikalen Kindesentführungen aus allen Winkeln der Galaxis waren ihr ein Gräuel, wie ich kurz darauf in einem sehr persönlichen Gespräch erfuhr. Denn sie selbst war in viel zu jungen Jahren von ihrem Heimatplaneten aus dem Kreis ihrer Familie gerissen worden, ohne eine Erinnerung daran zu behalten. Ich hatte unser Gespräch diesbezüglich noch deutlich im Kopf.
Bellava legte die Akte aus den Händen, begleitet von einem Seufzen.
Als ich zu ihr aufsah entdeckte ich ihr Kopfschütteln. "Was ist denn?"
"Ich habe hier die konkreten Zahlen der zwangsrekrutierten Kinder aus den äußeren Randgebieten." Sie tippte verdeutlichend auf die Akte.
Während meiner Zeit hier hatte ich gelernt, dass die Menschen in den Randgebieten der Galaxis unter teilweise menschenunwürdigen Umständen lebten. Es war fast ein Ding der Unmöglichkeit, Ordnung in dieses unstrukturierte Chaos zu bringen, sogar für die Erste Ordnung. Deswegen ließ man den Dingen dort einfach seinen Lauf, wodurch die Kriminalität natürlich exponentiell anstieg. Dort galt das Recht des Stärkeren und diese Person nahm sich dann, was sie begehrte, selbst dann, wenn man dafür über Leichen gehen musste.
Die Kinder, deren Eltern der dortigen Kriminalität zum Opfer gefallen waren, lebten in verwahrlosten Waisenhäusern, wo man sich mehr schlecht als recht um sie kümmerte. Entweder, sie überlebten die harten Bedingungen, oder man warf ihre kleinen, leblosen Körper in die nächste Gosse und war dankbar, dass man ein Maul weniger zu füttern hatte. Die Erste Ordnung rekrutierte bevorzugt die Kinder von dort, um aus ihnen angehende Sturmtruppler zu machen. Für mich stand außer Frage, dass ein Leben innerhalb der Ersten Ordnung dem Leben dort eindeutig vorzuziehen war. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
Aber es ging auch anders, denn die Rekrutierungen fanden eben nicht nur in diesen schlimmen Gegenden statt. Viel zu oft wurden Kinder aus ärmlichen Familien gerissen, wo die Eltern jeden Tag aufs neue hart dafür kämpften, ihren Nachwuchs irgendwie zu ernähren und über die Runden zu bringen. Bellava selbst entstammte einer solchen Familie, aber wo genau ihre Heimatwelt lag, war natürlich aus den Akten gelöscht worden.
"Das ist nicht richtig!", murmelte Bellava.
"Für die Kinder von dort ist es eine Verbesserung", hielt ich dagegen. "Denn so haben sie wenigstens die Chance, weiterzuleben. Auch wenn die Perspektive für ihre spätere Zukunft alles andere als perfekt aussieht, immerhin werden sie dadurch gezwungen, ein Leben als Soldaten zu führen, ob sie es nun wollen, oder nicht."
Bellava schwieg.
Das Schweigen dauerte sogar so lange, dass ich mich dazu genötigt sah, weiterzusprechen. "Aber im Grunde hast du natürlich Recht. Alle anderen Rekrutierungen entsprechen der absoluten Willkür der Ersten Ordnung."
"Ja. Willkür ...", sie richtete die Augen nachdenklich auf die Akte auf ihrem Schreibtisch. "Weißt du, Ria, ich hätte die Chance gehabt, etwas zu verändern und etwas zu verbessern. Sehr oft sogar. Mein Rang innerhalb der Ersten Ordnung ist hoch genug, sodass er mir etliche Vorteile gewährt. Außerdem erhalte ich in viele Dinge Einsicht. Unzählige Male saß ich bei der Bearbeitung und war kurz davor, wirklich so kurz davor, etwas zu manipulieren. Ein Shuttle mit weiteren zwangsrekrutierten Kindern umzuleiten und ihnen ihre Freiheit wiederzugeben. Sie zu ihren Familien zurückzuschicken. Oder eine Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten zu unterschlagen, notfalls aus dem System zu löschen, nur um diese Waren dann dort einzusetzen, wo sie dringender gebraucht werden. Ich hatte viel zu oft die Chance dazu, dies zu tun und habe doch immer wieder gezögert. Wieder und wieder habe ich einen Rückzieher gemacht. Mich nicht getraut, aus Angst davor, aufzufliegen und im Anschluss dafür wegen Hochverrats hingerichtet zu werden."
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Love and Betrayal, General Hux
FanfictionDer Widerstand hat von einer geheimen Waffe der Ersten Ordnung erfahren. Um möglichst genaue Informationen zu erhalten, schleust General Leia Organa eine Widerstandskämpferin innerhalb der Ersten Ordnung ein. Die Wahl fällt auf Victoria Deveron, ei...