19 - loss

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Der Rest des Tages war ziemlich durchzogen. Alle ausser McGonagall wussten natürlich nicht, was passiert war und wussten auch nicht wirklich, wie sie mit mir umgehen sollten. Ich war froh, dass mich die meisten in Ruhe liessen und mir einfach ab und zu verstohlene Blicke zuwarfen. McGonagall kam nach dem Unterricht auf mich zu und meinte: "Wenn Sie mit jemandem reden möchten Miss Evans, dann-" "Nein danke Professor", schnitt ich ihr das Wort ab und sie schaute mich mitfühlend an. Wieso wollten alle mit mir reden? Ich weiss, es war nur nett gemeint, aber war es denn so schwierig zu verstehen, dass ich nicht reden wollte? Ich verliess das Schulzimmer und verschwand in meinen Schlafsaal. Zum Glück war das unsere letzte Stunde und ich konnte mich endlich zurückziehen. Viel länger hätte ich es nicht ausgehalten.

Kurz vor dem Abendessen kam June ins Zimmer und fragte mich, ob ich auch nach unten komme. Ich schüttelte den Kopf. "Ich hab keinen Hunger." Sie nickte verständnisvoll und schritt wieder durch die Zimmertür die Stufen hinab. Da nun alle in der grossen Halle waren, war der Gemeinschaftsraum leer und ich setzte mich auf die Couch vor dem Kamin. Ich starrte in die Flammen und irgendwann fielen mir vor Müdigkeit die Augen zu.

Als ich wieder aufwachte, war es draussen bereits dunkel. Es waren nur noch wenige Leute im Gemeinschaftsraum. Ich musste raus., frische Luft schnappen. Es war mir egal, dass es bereits nach 21 Uhr war und wir unser Haus eigentlich nicht mehr verlassen durften. Im Moment war mir wirklich alles egal. Ich stieg also durch das Portrait der fetten Dame, die mir dringend versuchte einzureden, hier zu bleiben. Ich hörte nicht auf sie. Als ich die Treppe hinab steigen wollte hörte ich hinter mir meinen Namen rufen. "Faye warte." Es war Harrys Stimme, die durch den Flur hallte. "Können wir bitte reden? Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht." Ich ignorierte ihn und lief weiter die Treppe hinunter. "Faye bitte!" "Ich möchte nicht reden Harry. Wieso versteht niemand, dass ich nicht reden möchte. Ich kann nicht. Das ist alles zu viel für mich. Oh ja, ich weiss, auch du hast deine Eltern verloren, aber du hast es wenigstens gewusst. Du wusstest, dass deine Eltern gestorben sind. Ich bin mit der Hoffnung aufgewachsen meine Eltern irgendwann kennenzulernen und dann erfahre ich an einem Tag, dass meine Mutter tot ist. Sie ist tot und ich konnte sie kein einziges Mal in die Arme schliessen. Nicht einmal. Nur weil sie mich beschützen wollte. Ich kann das nicht ertragen Harry und hör bitte auf mir ständig hinterher zu laufen. Ich habe keine Energie mehr, dem allem aus dem Weg zu gehen. Also lass mich jetzt bitte in Ruhe."  Erst jetzt merkte ich, wie laut ich eigentlich geschrien hatte. Alle meine Emotionen sind ausgebrochen. "Faye es tut mir leid." Das wusste ich. Ich wusste, dass ihm die ganze Situation leid tat. Trotzdem konnte ich es nicht ertragen, ihn in meiner Nähe zu haben. "Lass mich bitte", schluchzte ich. "Ich brauche frische Luft." Mit diesen Worten drehte ich mich wieder um, liess Harry stehen und rannte die Treppen hinunter. Tränen strömten über meine Wangen.

Als ich gerade aus dem Schloss rennen wollte, packte mich ein fester Griff am Arm. Ich wollte mich wehren, weiter rennen, doch ich hatte keine Chance. "Lassen Sie mich los", schluchzte ich, ohne zu wissen, wer mich festhielt. "Hören sie auf sich zu wehren", ertönte Snapes ruhige Stimme hinter mir. "Nein! Bitte! Lassen Sie mich los!" Ich wehrte mich weiter, doch irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und meine Bewegungen wurden schwächer. "Bitte!" Meine Worte, waren mittlerweile ein leises Flüstern, da ich einfach keine Energie mehr hatte. Professor Snape drehte mich zu ihm um und hielt mit beiden Händen meine Oberarme fest. Tränen liefen mir immer noch über das Gesicht und ich atmete sehr schwer und schnell. "Beruhigen Sie sich Evans." Doch das konnte ich nicht. Ich war nahe an einer Panikattacke und merkte, wie meine Knie langsam nachgaben. Hätte Snape mich nicht festgehalten, wäre ich vermutlich wieder zusammengebrochen. "Ich brauche frische Luft", entgegnete ich ihm noch immer schluchzend und schnell atmend. "Sagen Sie mir zuerst, was los ist." Ich schüttelte den Kopf. "Ich- Ich kann nicht. Ich muss weg. Raus. Bitte." "Na Gut, aber Sie gehen nicht alleine." Ich nickte und wir verliessen das Schulgebäude. Ohne ein Wort zu reden gingen wir einen Moment lang umher. Langsam habe ich mich beruhigt und atmete wieder etwas langsamer. Als wir wieder zum Schloss zurückkehrten, durchbrach Snape die Stille: "Es geht um ihre Mutter nicht wahr?" Irritiert schaute ich zu ihm hoch. "Woher wissen Sie-?" Seine Augen verfingen sich in meinen. "Denken Sie wirklich, ich tue nichts dergleichen, wenn eine Schülerin völlig verweint zu spät in meinem Klassenzimmer auftaucht, ihren Trank gänzlich vermiest, wobei sie sonst immer eine der Stärksten ist und mir nicht sagen will, was der Grund für ihr Auftreten ist?" Ich zuckte mit den Schultern. Er legte seine Hand auf meine Schultern und schaute mich besorgt an. Ich hatte das Gefühl, dass er etwas sagen wollte, doch er hat sich vermutlich dagegen entschieden, denn er zog seine Hand kurz darauf wieder weg. "Angesichts der Situation werde ich Ihnen keine Punkte für Ihr nächtliches Weglaufen abziehen, aber ich möchte, dass Sie nun wieder in ihren Schlafsaal zurückkehren und in Zukunft solche Ausflüge sein lassen. Die Schulregeln haben ihre Gründe Evans und sind nicht nur als Spass hier." Ich nickte und Snape begleitete mich anschliessend wieder in den Gryffindorturm zurück.

"Kannten Sie meine Mutter, Sir?" fragte ich ihn, als wir vor dem Portrait ankamen. Er hielt inne. Mit dieser Frage hat er anscheinend nicht gerechnet und ich bereute in diesem Moment, dass ich sie überhaupt gestellt habe. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er der einzige war, der mich verstand. Mit dem ich über das Geschehene reden wollte. Er hat mich nicht so bemitleidet, wie alle anderen. Er war einfach nur da und hat mich verstanden. "Es tut mir leid Sir, ich wollte nicht-" Diesmal war er es, der mir das Wort abschnitt. "Ja ich habe Lily gekannt." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Sie haben wirklich grosse Ähnlichkeiten mit ihr Faye." Ich nickte und meine Augen wurden wieder ein bisschen wässrig. "Danke Sir." Er nickte ebenfalls und verschwand darauf wieder in der Dunkelheit des Flurs. Auch ich schlüpfte durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum und stieg leise die Treppe zu den Mädchen Schlafsälen hoch. Erst als ich im Bett war, merkte ich, wie gut mir dieses Gespräch getan hat. Ich war viel beruhigter als vorhin und meine Gedanken habe sich wieder geordnet. Ich war wirklich überrascht von Snapes sorgender Art. Vor allem hätte ich nie gedacht, dass ich einmal so froh um Snapes Anwesenheit sein würde, und dass mir ein Gespräch mit einem sonst so gefühlslosen Menschen so gut tun konnte.


Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt