27 - psychopath

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01. Dezember 1992

Es war der 1. Dezember und wir assen gerade zu Abend. Ich hatte nicht sonderlich Hunger und war ziemlich müde, weswegen ich schon vor den anderen die grosse Halle verliess. Als ich den Flur betrat war es still auf den Gängen bis ich auf einmal sich mir nähernde Schritte hörte. Ich schaute mich um, um zu sehen, von wem die Schritte stammten, doch ich konnte niemanden erkennen. Plötzlich spürte ich eine kalte Hand an meinem Hals und wurde ruckartig an die steinerne Schlossmauer gedrückt. Während ich nach Luft rang erkannte ich McCadens Gesichtszüge im Licht einer flackernden Kerze. "Hast du etwa gedacht du wirst mich einfach so los Evans?" Ich schaute ihn ahnungslos an und zischte: "L-lass-mich-los du perverser Ps-sychopath." Wir waren nicht weit von der grossen Halle entfernt, doch die Türen waren geschlossen und ich hatte nicht genügend Luft, um nach Hilfe zu schreien. McCaden kam näher und flüsterte in mein Ohr: "Tut mir leid, aber das habe ich nicht vor." Ich versuchte meinen Kopf von seinem wegzudrehen, doch McCaden nahm nun meinen Kiefer in die Hand und verstärkte durch meine Bewegung seinen Griff. Er küsste mich von meinem Ohr, über meine Wange, bis zu meinem Mund. "Bitte nicht", wimmerte ich. Ich verschloss meinen Mund mit aller Kraft, die ich hatte. Tränen liefen über meine Wangen. Nicht schon wieder. Nicht noch einmal. War denn niemand hier, um mir zu helfen? Dann hörte ich ein räuspern hinter uns. "McCaden, wenn ich mich nicht irre, hat Miss Evans sie gebeten, sie in Ruhe zu lassen."

Noch nie war ich so froh, Snapes Stimme zu hören, wie in diesem Moment. Abrupt liess mich McCaden los und wich zurück. Furcht war ihm ins Gesicht geschrieben. Ich stand noch immer mit pochendem Herz an der Wand. "Sie begeben sich jetzt sofort in mein Büro und warten da auf mich." McCaden nickte nur und eilte mit schnellen Schritten davon. Endlich war er weg. Ich rutschte mit zittrigen Knien der kalten Steinmauer entlang auf den Boden und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Wieso ich? Wieso immer ich? "Miss Evans?" Er kniete zu mir hinunter und legte seine Hand auf meine Schulter. "Ich werde dafür sorgen, dass Sage McCaden von der Schule verwiesen wird." Ich schaute zu ihm hoch. "Danke", sagte ich leise. Er nickte, stand dann wieder langsam auf und wandte sich von mir ab.

"Sir?" Auch ich stand nun auf und Snape drehte sich noch einmal zu mir um. "Ist es wahr? - Sind sie mein Vater?" Nach einem kurzen Augenblick nickte er noch einmal und ich sah eine Träne in seinem Auge aufblitzen. Diesmal glaubte ich ihm. Ich hatte das Gefühl, dass er die Wahrheit sagte. Er hatte keinen Grund, mich bei dieser Sache anzulügen. "Wieso haben sie mir das nie gesagt?" Er zuckte mit den Schultern. Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck nicht ablesen, was er gerade dachte oder fühlte. "Ich konnte nicht", sagte er dann. "Ich habe den Mut nicht aufgebracht. Du bist das Ebenbild deiner Mutter. Du siehst eins zu eins aus wie sie und hast zudem alle ihre Charaktereigenschaften geerbt. Lily war ebenfalls immer so aufgestellt und fröhlich, hilfsbereit und hat in allen immer das Gute gesehen. Sogar in mir. Ich war kein guter Mensch, doch Lily hat etwas in mir gesehen. Ich wollte nicht ein Teil deines Lebens sein, weil ich Angst hatte, dass du diese Eigenschaften verlierst."

Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu: "Und es bringt dich in Gefahr Faye. Du darfst es niemandem erzählen! Verstehst du das? Wirklich niemandem. Nicht einmal Miss Greene oder Miss Flores. Es ist im Moment noch zu gefährlich." Wieso denn? Wieso sagen alle immer es ist zu gefährlich. Ich darf nicht wissen, wer meine Mutter ist - es ist zu gefährlich. Ich darf nicht wissen, was mit meiner Mutter passiert ist - ist zu gefährlich. Ich darf nicht wissen, wer mein Vater ist - zu gefährlich. Ich darf niemandem erzählen, wer meine Eltern sind - zu gefährlich. Ist denn überhaupt irgendetwas nicht gefährlich, was mit meiner Vergangenheit zu tun hat? "Was ist denn so gefährlich?" fragte ich nun mit einem etwas zornigen Unterton. Er schaute mich unbeholfen an. "Das kann ich dir nicht sagen. Es wäre -" Ich unterbrach ihn. "- zu gefährlich? Ist es nicht gefährlicher, wenn ich nicht weiss, was mich in Gefahr bringt? Seit meiner Geburt wurden mir jegliche Dinge über meine Vergangenheit verschwiegen, weil sie mich anscheinend in Gefahr bringen. Darf ich nicht selbst entscheiden, ob ich die Gefahr riskieren möchte? Es geht ja schliesslich um mein Leben. Sie haben sich die letzten 13 Jahre nicht für mein Leben interessiert. Wieso jetzt auf einmal?" Erstaunt über meine Reaktion versuchte er etwas zu entgegnen, doch fand vermutlich nicht die richtigen Worte. "Faye du verstehst das nicht." "Dann erklären sie es mir." Meine Stimme wurde nun lauter. "Das kann ich nicht." Auch Snape hob seine Stimme nun etwas an, doch sie klang immer noch so monoton, wie immer.

Wieder einmal sammelten sich Tränen in meinen Augen. Nicht aus Angst, Furcht oder Verzweiflung, sondern aus Enttäuschung. Ich war enttäuscht von meinem Vater und von allen, die dachten sie könnten mich beschützen, durch das sie mich anlogen. "Verstehe", zischte ich nun mit einer leisen, zittrigen Stimme, der man die Enttäuschung anhörte. Als ich an meinem Professor vorbeischritt, hielt er mich an meinem Arm fest. "Faye, bitte..." Seine Stimme klang nun ziemlich verzweifelt. So wie es aussah, hatte er nicht wirklich Erfahrung damit, eine Vaterrolle zu übernehmen. War mir aber ehrlichgesagt auch egal. Für mich war er mein Lehrer. Ich brauchte ihn nicht als Vater. Ich zog meinen Arm weg und blickte ihn mit zornig funkelnden Augen an. "Ich glaube McCaden wartet in ihrem Büro auf sie Professor."

Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt