20 - what's wrong, my angel?

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Die nächsten Tage ging es meinem psychischen Zustand ein wenig besser und ich habe mich wieder einigermassen beruhigt. Vorerst ging ich ziemlich allen aus dem Weg, da ich wirklich mit niemandem darüber reden wollte, beziehungsweise konnte. Der einzigen, der ich mich anvertraute war June. Sie hatte ein Recht zu erfahren, wieso ich mich die letzten paar Tage so verhalten habe, vor allem, weil sie mein Verhalten nicht in Frage gestellt hat und so gut mit mir umgegangen ist. Eigentlich genau so, wie ich es benötigte. Ausserdem brauchte ich unbedingt jemandem, mit dem ich über die ganze Situation reden konnte. Sie hat mir stundenlang zugehört, mich in den Arm genommen und war einfach jederzeit für mich da. June hat mir versprochen niemandem davon zu erzählen. Sie weiss, in was für eine Gefahr sie mich bringen würde, wenn sie jemandem von meiner Mutter erzählen und diese Information in falsche Hände geraten würde. Ich wusste, dass sie niemandem etwas sagen würde. Dafür war sie zu loyal.

Anne habe ich vorerst nicht geschrieben. Ich wusste nicht was ich ihr über die Geschehnisse schreiben sollte. Ich wollte es ihr lieber persönlich sagen. Sie kannte meine Mutter und für sie wird es sicher auch ein Schock sein, wenn sie erfährt, dass sie tot ist. Bald waren Winterferien und dann hätte ich genug Zeit mit ihr darüber zu reden.

Bei Harry habe ich mich für meinen Ausraster entschuldigt und wir haben uns ausgesprochen. Er verstand mich oder besser gesagt mein Verhalten und die Situation, in der ich mich befand. Noch immer fiel es mir schwer mit ihm darüber zu sprechen. Ich erklärte ihm jedoch, wie ich mich fühlte und er zeigte Verständnis. Auch wenn ich wusste, dass es ihm schwer fiel Abstand von mir zu halten. Ich glaube er hätte gerne mit mir darüber gesprochen. Ich war die einzige Familie, die er hatte. Doch ich brauchte noch Zeit. Ich konnte es einfach immer noch nicht wirklich begreifen, dass er mein Bruder war.

Noch immer habe ich die ganze Situation nicht wirklich verarbeitet und bin mir sehr sicher, dass das noch ziemlich lange dauern würde, doch es ging mir jetzt schon um einiges besser, als die Tage zuvor. Trotzdem war ich nicht mehr die aufgestellte, immer fröhliche Faye, die alle kannten. Ich war ziemlich ruhig und redete nicht viel, was einige ziemlich irritierte. Ich wusste, dass Schüler hinter meinem Rücken über mich redeten, doch das war mir ehrlich gesagt egal. Hauptsache ich wurde in Ruhe gelassen. Von den Lehrern nahm ich ebenfalls jeden Tag besorgte Blicke entgegen. Doch die einzigen, die mich darauf ansprachen waren Professor McGonagall und Professor Snape. Snape war im Unterricht ungewöhnlich nett zu mir und hat mich einige Male nach dem Unterricht gefragt, wie es mir ginge. Ich antwortete jedes Mal mit 'gut' und setzte ein gezwungenes Lächeln auf, das ihn nicht wirklich täuschen konnte, doch daraufhin fragte er meistens nichts weiteres. Es tat gut zu wissen, dass hinter seiner emotionslosen Fassade eigentlich ein einfühlsamer Mensch steckte, und dass er sich um mich sorgte. Ich fühlte mich wohl bei ihm, vor allem jetzt, wo er im Unterricht nicht mehr so gemein mir gegenüber war. Trotzdem konnte ich mich ihm nicht wirklich anvertrauen. Professor McGonagall hingegen war neben June die einzige, mit der ich gut über die Situation reden konnte. Zwar wies ich sie die ersten paar Male ab, doch irgendwann merkte ich, dass sie es wirklich ernst meinte und sich nicht nur aus Höflichkeit um mich sorgte. Wenn wir miteinander redeten, war sie nicht so streng, wie sonst immer im Unterricht. Sie war gefühlsvoll und sorgend. Ich glaube sie mochte meine Mutter. Jedes Mal, wenn wir über sie sprachen hatte sie einen stolzen Gesichtsausdruck. Sie sagte mir wirklich oft, wie sehr ich meiner Mutter ähnlich war, was auch mich ziemlich stolz machte. Ich war Professor McGonagall sehr dankbar für diese Gespräche. Ich hatte das Gefühl, meine Mutter ein bisschen kennenzulernen, obwohl sie nicht mehr hier war. McGonagall verstand, was für einen Verlust ich erlitten habe, denn sie kannte meine Mutter und hatte sie damals ebenfalls verloren. Sie wusste, was für ein guter Mensch sie war und sie zeigte es mir.

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Als wir am Bahnhof Kingscross ankamen und ich Anne sah, fiel ich gleich in ihre Arme. Es tat so gut, sie endlich wieder zu sehen, nach all dem was passiert ist. Ich wusste, dass Anne in diesem Moment ahnte, dass irgendetwas nicht stimmte, aber vorerst erwiderte sie meine Umarmung und erst nach einigen Minuten fragte sie: "Was ist los mein Engel?" Eine Träne kullerte über meine Wange. "Lily Evans." Als Anne diesen Namen hörte zuckte sie zusammen und wurde bleich. "Du weisst es?" fragte sie besorgt. "Dass sie meine Mum ist?" Meine Stimme wurde zerbrechlich und ich nickte lediglich als Antwort. "Sie ist tot nicht wahr?" Ich nickte erneut. "Woher-", doch meine Stimme zerbrach. Ich sah, wie nun auch Anne eine Träne aus den Augen rollte. "Ich habe es geahnt. Ich kannte Lily. Besser als viele andere. Sie hätte ihr Kind niemals alleine gelassen. Sie wäre zurückgekommen, wenn die Gefahr vorbei gewesen wäre. Doch das ist sie nicht. Ich wusste, dass irgendetwas passiert sein musste." Ich sagte nichts, schaute nur bedrückt drein. Anschliessend nahm mich Anne an der Hand. "Komm. Wir sollten gehen. Hier ist nicht der richtige Ort, um über das zu sprechen. Und ausserdem warten zu Hause alle sehnlich auf dich. Ich nickte und wir verliessen den Bahnhof.

Auf der Heimreise sprachen wir nicht. In der U-Bahn legte ich meinen Kopf auf Annes Schoss und sie strich mir gefühlsvoll durchs Haar. Genau das, was ich brauchte. Als wir im Heim ankamen, versuchte ich mir so gut wie nichts anmerken zu lassen, was mir erstaunlicherweise nicht so schwer fiel, wie erwartet, da ich mich riesig darüber freute, alle nach so langer Zeit wieder zu sehen. Am Abend sassen Anne und ich zusammen und redeten stundenlang und haben uns ausgeheult. Ich berichtete ihr, was alles in den letzten Wochen passiert war und sie erzählte mir von meiner Mutter und was sie gemeinsam alles erlebt haben. Nach diesem Gespräch fühlte mich wie ein anderer Mensch. Ich hatte wieder viel mehr Energie und Lebensfreude erhalten. Anne wusste genau, wie sie mich aufbauen konnte.

Und ohne zu wissen, wo die Zeit geblieben ist, sass ich bereits wieder mit June und Elle im Hogwarts Express, der uns zurück in die Schule fuhr.


Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt