60 - sirius black

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06. Juni 1994

Am Montagnachmittag in der letzten Stunde hatten wir unsere letzte Prüfung von diesem Schuljahr in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Verteidigung gegen die dunklen Künste war eines meiner Lieblingsfächer, weswegen mir die Prüfung nicht wirklich schwer fiel. Nachdem alle die Prüfung abgegeben haben und das Schulzimmer verliessen, ging ich nach vorne zu Professor Lupin, da mir seit einigen Wochen einige Fragen im Zusammenhang mit Sirius Black im Kopf herumschwirrten und ich hatte das Gefühl, Lupin könne mir dabei weiterhelfen. «Professor?» fragte ich vorsichtig, da er vertieft auf ein Blatt Pergament starrte. Er hob seinen Blick und lächelte. «Faye, setz dich doch», sagte er und deutete auf einen Stuhl gegenüber von ihm. Ich liess mich seiner Anweisung nach darauf nieder. «Was liegt dir auf dem Herzen?» fragte er, da er gleich merkte, dass mich etwas beschäftigte. Sein Blick richtete er wieder auf das Pergament vor ihm, doch seine Aufmerksamkeit lag bei mir. Ich lächelte verlegen und räusperte mich. Eigentlich wollte ich ihn schon einige Male seit der Begegnung mit Sirius Black darauf ansprechen, doch irgendwie fand ich nie den richtigen Moment. Ich wusste nicht, ob er das jetzt war, aber bald waren Ferien und ich musste es einfach einmal ansprechen. «Kannten sie Sirius Black Professor?» fragte ich schlussendlich direkt, ohne abzuschweifen. Erstaunt hob er seinen Blick. Sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er mit dieser Frage nicht gerechnet hat.

Dann seufzte er. "Ja, sogar sehr gut." Ich schaute ihn auffordernd an, mehr zu erzählen. "Wir waren beste Freunde. Er, James Potter, Peter Pettigrew und ich. Waren unzertrennlich, haben ziemlich jede freie Minute in Hogwarts zusammen verbracht und Unsinn angestellt. Bis-..." Sein lächeln schwand. "Was hat er gemacht? Sirius Black meine ich. Wieso ist er so gefährlich?" Er schaute mich nachdenklich an, sagte aber nichts. «Ich hab ihn gesehen.» Lupins Augen weiteten sich. «Er hat mit mir gesprochen. Dachte ich wäre sie. Meine Mutter. Und auch wenn er wirklich ziemlich furchteinflössend aussah, kann ich mir nicht vorstellen, dass er mir hätte etwas antun wollen.» Lupin holte Luft, wollte etwas sagen, schloss seinen Mund aber kurz darauf wieder. Ich konnte ihm ansehen, wie er versuchte Puzzleteile zusammenzufügen. Puzzleteile eines Puzzles, das ihn vermutlich schon seit Jahren beschäftigte. «Bis heute dachte ich, Sirius Black sei schuld an Lilys und James Tod. Bis heute dachte ich, er hat sie verraten. Seine engsten Freunde.» Er blickte erneut auf das Pergament vor sich und runzelte nachdenklich die Stirn. «Er war es nicht...» sagte er dann mehr zu sich selbst als zu mir. Dann stand er auf und legte das Pergament auf den Pult. «Ich werde dir später alles erklären.» Mit diesen Worten drehte er sich, verliess das Klassenzimmer und liess mich alleine zurück. Irritiert starrte ich ihm nach. Dann ging ich um den Tisch herum und nahm das Pergament in die Hand, auf welches Lupin die ganze Zeit so fixiert war. Nachdem ich es kurz studiert hatte, erkannte ich, dass es sich um eine Karte handelte, die den Grundriss des Schlosses darstellte. Nach genauerem Betrachten bemerkte ich darauf kleine beschriftete Punkte, die sich bewegten. Ich stutzte. Das waren Menschen. Die Karte zeigt alle Personen an, die sich auf dem Schulgelände und im Schloss befinden. Dann blieb mein Blick an Sirius Blacks Namen hängen. Er befand sich in der heulenden Hütte mit Harry, Hermine, Ron und Peter Pettigrew.

Ich nahm die Karte in meine Hand. Mit der anderen griff ich nach meiner Tasche. Vertieft in das Pergament schritt ich schnellen Schrittes aus dem Schulzimmer, um Professor Lupin nachzulaufen, der ebenfalls auf dem Weg zur heulenden Hütte war. Doch als ich in den Flur abbog, stiess ich gegen jemanden. «Was ist das?» erklang die monotone Stimme meines Vaters ermahnend über mir. Ich blickte perplex zu ihm hoch, als er mir die Karte aus der Hand nahm und sie belustigt studierte. Eine Antwort war überflüssig. «Was hattest du damit vor?» Ich öffnete den Mund, doch bevor ich etwas erwidern konnte, schüttelte er ungläubig den Kopf. «Diese Karte hat nichts in deinen Händen zu suchen.» Hilflos starrte ich ihn an. Komm schon Faye, sag etwas schlaues. Ich musste mich unwissend stellen, ihn glauben lassen, dass ich keine Ahnung habe, was es mit dieser Karte auf sich hat. «Lupin hat sie verloren. Ich wollte sie ihm nur zurückbringen, doch er war nicht da», log ich. Er faltete die Karte wieder zusammen und ich blickte hoffnungsvoll darauf. «Das ist Lupins Karte», wiederholte ich, als er sie gerade einstecken wollte. Er zog seine Augenbraue hoch und drückte sie mir anschliessend widerwillig in die Hände. « Leg sie deinem Professor wieder auf den Pult und geh anschliessend zurück in deinen Gemeinschaftsraum.» Dann drehte er sich um und lief mit wehendem Umhang davon. Doch ich wäre nicht Faye Evans, wenn ich die Karte wirklich zurücklegen würde und gehorchend zum Gemeinschaftsraum gehen würde. Ich steuerte Lupins Zimmer an, doch statt die Karte auf den Lehrerpult zu legen, packte ich sie in meine Tasche und bewegte mich anschliessend schnellen Schrittes zum Schlossausgang. Doch ehe ich das Schloss verlassen konnte, versperrte mir Percy Weasley den Weg. «Percy?» sagte ich ausser Atem und überspielt, so dass man vermutlich von zehn Kilometer Entfernung merkte, dass ich etwas Unerlaubtes vor hatte. «Snape hat mir aufgetragen, dich in den Gemeinschaftsraum zu begleiten.» Ich stöhnte. War ja klar, dass Snape mich nicht einfach ohne Aufsicht zurücklassen würde. Genervt verdrehte ich die Augen und lief von alleine in die Richtung, von der ich eben kam, hoch zum Gryffindorturm. Gefolgt von Percy Weasley, der sicherstellen wollte, dass ich auch das mache, worum Snape ihn gebeten hat. In der Hoffnung einige Hauspunkte zu ergattern oder wohl eher keine zu verlieren.

Vor der Treppe zu den Mädchenschlafsälen blieb ich stehen und drehte mich um. «Willst du mich etwa auch noch in mein Zimmer begleiten? Ich nehme an, ich muss dir nicht erklären was passiert, wenn du diese Treppen betrittst», stachelte ich ihn genervt an. Ohne etwas zu sagen, drehte er sich um, setzt sich auf ein Sofa vor dem Kamin und nahm ein Buch in die Hand. Percy war der einzige Weasley, der nicht wirklich in das Charakterbild der Familie passte. Konnte er nicht einmal etwas machen, das nicht Regelkonform war? Einmal etwas, das gegen die Vorschriften eines Lehrers geht? Genervt stapfte ich die Treppen hoch zu unserem Zimmer und liess mich nachdenklich auf das Bett fallen. June war nicht da. Ich holte die Karte heraus und studierte sie nachdenklich. Ich hatte keine Chance an Percy vorbei aus dem Gemeinschaftsraum zu schleichen. Das einzige, was mir übrig blieb, war abwarten.

Irgendwann sah ich, wie Percy sich vom Sofa wegbewegte und die Jungenschlafsäle ansteuerte. Also schlüpfte ich in meine Schuhe, zog einen Pullover über und nahm die Karte in die Hand. Snape, Lupin, Black und die anderen vier waren so wie es aussah immer noch in der heulenden Hütte.

Ich verliess vorsichtig das Schloss. Als ich das nächste Mal auf die Karte blickte, befanden sich alle Punkte, die eben noch in der heulenden Hütte waren, wieder in der Nähe der peitschenden Weide. Alle bis auf Snape, der immer noch in der Hütte zu sein schien. Ich ging auf sie zu, als ich feststellte, dass mein Vater wirklich nicht bei ihnen war. "Was ist hier los", fragte ich Harry und Hermine, die mit erschrockenen Gesichtern an mir vorbei schauten. Dann drehte ich meinen Kopf ebenfalls um. Ich sah Professor Lupin, der sich qualvoll krümmte. Sirius Black, der auf ihn einredete und ihn stütze und daneben ein weiterer Mann, der hämisch grinste. Peter Pettigrew. "Nein!" schrie Hermine, als er Lupins Zauberstab schnappte und ihn auf Ron richtete, der daraufhin zu Boden sank. Ehe Harry ihn entwaffnen konnte, verwandelte er sich in eine hässlich Ratte und floh. Mein Blick richtete sich wieder auf Lupin, der jetzt eine wolfsähnlichen Gestalt annahm. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. "Was zum-" gab ich leise von mir. Lupin schleuderte Sirius Black mit einem Schwung von sich weg und kam dann bedrohlich auf uns zu. In diesem Moment trat mein Vater unter der peitschenden Weide hervor und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor uns. Lupin wich zurück, als Sirius ihn in Hundegestalt von hinten angriff und ihn von uns weg lockte. Erst als sich die beiden etwas von uns entfernt haben nahm Snape seine Arme wieder runter und drehte sich mit funkelnden Augen zu uns um. "Was habt ihr euch dabei gedacht?" Sein enttäuschter Blick blieb an meinem hängen und ich schaute weg.

Als von der Ferne ein jämmerliches Hundegeheul erklang, wich Harry Snape aus und rannte gefolgt von Hermine an ihm vorbei in Richtung Seeufer. Ich wollte ihnen ebenfalls nachrennen, doch mein Vater packte mich am Arm und hielt mich zurück. "Ich dachte das Thema hätten wir besprochen", sagte er vorwurfsvoll. "Wir können sie nicht einfach alleine lassen", zischte ich und schaute ihn mit funkelnden Augen an. Ich löste mich von seinem Griff. "Er ist mein Bruder", fügte ich besorgt hinzu. Sein Blick verdüsterte sich. "Dann sag deinem Bruder einmal, er solle sich von solchen Angelegenheiten fern halten." Ich schnaubte.

"Bist du verletzt", fragte er daraufhin in einem etwas sanfteren Ton. Ich schüttelte den Kopf. Er blickte zu Ron, der langsam wieder zu sich kam. "Geh mit Weasley zurück zum Schloss und bring ihn in den Krankenflügel." Ich schaute ihn verzweifelt an. "Aber-" wollte ich widersprechen, doch er schnitt mir das Wort ab. "Nein. Kein Aber. Ich werde mich um die anderen kümmern. Es ist nicht nötig, noch jemanden in Gefahr zu bringen." Ich seufzte. Nickte dann aber und bückte mich zu Ron hinunter. Hob meinen Blick aber nochmals hoch zu meinem Vater. "Ich glaube nicht, dass er schuldig ist. Sirius Black. Ich glaube nicht, dass er sie verraten hat." Er schaute mich einen Moment nachdenklich an, sagte jedoch nichts mehr, drehte sich um und ging mit wehendem Umhang in die Richtung, in die die anderen vorhin gerannt sind.

Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt