3. Stuck In Reverse

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Stuck in Reverse

Die Abschiedsszenen waren nicht dramatischer als in einem durchschnittlichen Jahr. Das Mädchen hatte nur noch ihre Mutter übrig. Umringt von drei jüngeren Geschwistern, hatte sie sie schluchzend, aber ohne ein Wort zu verlieren, in die Arme geschlossen. Der Junge hingegen hatte noch Vater und Mutter, jedoch keine weiteren Geschwister. Den Vater kannte Haymitch sogar, er war ein bekannter Schmied im Distrikt. Irgendetwas am Gesicht seiner Mutter kam ihm auch bekannt vor, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, was es war. Oder wann. Er bemerkte nicht den wütenden Blick, den sie ihm zuwarf.

Effie Trinket war damit beschäftigt, sich mit Petunia um den weiteren Zeitplan zu kümmern. Sobald sie erst einmal alle im Zug sein würden, konnte man sowieso nichts mehr ändern, aber vorher musste alles ganz schnell gehen. Zumindest war es das, was sie Haymitch in strengem Ton klargemacht hatte, bevor sie sich wieder Petunia angeschlossen hatte. Dabei war er immer der Erste im Zug. Er machte sich nicht die Mühe, Gepäck mitzunehmen – das Kapitol sorgte schon für einen vollen Kleiderschrank. Abgesehen davon gab es nichts in 12, wofür sich ein verspätetes Einsteigen gelohnt hätte.

Also setzte Haymitch sich, ohne auf die Kapitolerinnen oder Tribute zu warten, schnurstracks ins Auto, um zum Zug zu fahren. Das Einzige, was ihn kümmerte war sein Alkohol und den gab es an Bord reichlich. Der einzige Pluspunkt des Kapitols. Da es jedoch nur ein Auto gab, blieb dem Fahrer keine andere Wahl, als auf den Rest zu warten.

Und so musste Haymitch sich, als sie irgendwann endlich am Zug angekommen waren, an zwei zum Kotzen irritierenden Kapitolern und zwei unbehaglich vortrottenden Kindern vorbeidrängeln, um in die altbekannte Kühle des Abteils zu verschwinden. Einfacher gesagt als getan. Während Trinket und der Drache das Blitzlichtgewitter in vollen Zügen genossen und sich lächelnd in alle Richtungen umdrehten, juckte es in Haymitchs Fingern schon – so wenig konnte er es erwarten, dieses Jahr hinter sich zu bringen. Bisher hatte er die beiden Tribute bisher so weit es ging ignoriert, was seinem Standardprozedere entsprach und sich in den kommenden Wochen auch nicht ändern würde.

Nun wollte er kurzen Prozess mit den Reportern machen. Als ihn eine buntgekleidete Frau nach seiner Meinung über seine neue Betreuerin fragte und wie er denn ihre zukünftigen Chancen einschätzte, sagte er einfach nur: „Es kann nur bergauf gehen."

Petunia warf ihm einen giftigen Blick zu, bevor sie sich wieder den Kameras zuwandte. Nicht, dass Haymitch irgendeine Sympathie für Effie übrighatte, aber jeder Mensch in diesem Land war wohl besser für den Job als Betreuer geeignet. Mit Ausnahme vielleicht von dem Kopf der Schlange, Snow, selbst.

Irgendwie orientierte sich der Rest der Gruppe an Haymitchs Tempo, sodass, nachdem er in den Zug gestiegen war, die anderen wenige Sekunden später folgten. Von Effie erntete er einen anerkennenden Blick, den er erst zu deuten verstand, sobald ihre Augen daraufhin auf das Klemmbrett in ihrer Hand und den Zeitplan fielen, der darauf abgebildet war.

Haymitch verzog die Lippen in Ablehnung. Jedoch blieb ihm keine Gelegenheit, einen abfälligen Kommentar zu bringen, da sich die Türen des Abteils in diesem Augenblick hinter ihnen schlossen. Effie atmete erleichtert auf, was ihr sofort einen tadelnden Blick von Petunia einfing. Er musste sich seine Schadenfreude verkneifen.

Unter ihnen setzte sich der Zug sanft in Bewegung und Haymitch sah dies als sein Zeichen, um zu verschwinden. Ohne einer seiner Kapitolkolleginnen einen letzten Blick zu würdigen, überließ er ihnen die beiden Tribute und machte sich sofort auf den Weg zur Bar.

Auf ein neues Jahr dieses Albtraums.

oOo

Etwas von Haymitchs wortlosem Verschwinden aus der Bahn geworfen, drehte Effie sich zu Elowen und Ramon. Als sie sich jedoch an ihren nächsten Tagesordnungspunkt erinnerte, zogen sich ihre Mundwinkel wie von selbst nach oben. „Kommt, ich zeige euch eure Zimmer."

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt