30. Contrasts Collide

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Contrasts Collide

„Steh auf", befahl Effie mit kalter, mechanischer Stimme und drückte ihre Nägel tiefer in sein Hemd. Haymitch starrte auf sich herab und stellte verblüfft fest, dass er kein Jackett trug. Er hatte keine Ahnung, wo und wann er es ausgezogen hatte.

„Aufstehen is zu solchen Tageszeiten ... schwieriger als es aussieht", lallte Haymitch und zog sie beinahe mit auf den Boden, als er wieder auf die Beine kam. Aus dem Augenwinkel warf er Chaff einen vielsagenden Blick zu, der die Szenerie unzufrieden beobachtete.

„Es wäre leichter, wenn du dich nicht die ganze Nacht vollgesoffen hättest wie ein Alkoholiker", zischte Effie.

Chaff neben ihm schnaubte, als hätte Effie etwas Offensichtliches verpasst. „Er ist'n Alkoholiker, falls du's bisher noch nicht kapiert hast."

Effies Aufmerksamkeit glitt von Haymitch zu Chaff und sie verzog die Brauen. „Er müsste keiner sein, wenn du ihn nicht die ganze Zeit zu diesem Blödsinn anstiften würdest. Glas um Glas hast du ihm in die Hand gedrückt. Machst du das immer so, damit du nicht allein trinken musst?"

Haymitch musste seinen Freund nicht anschauen, um zu wissen, dass er sich anspannte. Chaff erlaubte sich gerne Späßchen mit Kapitolern. Er hasste Kapitoler. Aber er hasste es noch mehr, wenn sie Widerworte gaben. Eigentlich hätte Haymitch klar sein müssen, dass – falls es zu einer Konfrontation zwischen Effie und Chaff kam – sie zu stolz sein würde, um die Klappe zu halten.

„Große Töne von ner Göre, die wahrscheinlich noch weniger Grips im Hirn hat als ... unsere liebe Margarita drüben auf den Treppen!" Chaff verschränkte die Arme vor der Brust und machte taumelnd einen Schritt auf Effie zu. Er hatte die Kontrolle über seine Sinne zu sehr verloren, sodass er die Silben nicht richtig betonte. Die Abneigung war dennoch unüberhörbar. „Mit dieser ekelhaften Doppelmoral kannste dich direkt zurück zu deinem widerwärtigen ... Spielmacher scheren. Als wärt ihr nicht schuld, dass wir ... sind, was wir sind."

Für einen langen Moment war Effie sprachlos. Abgesehen von Haymitch sprach niemand so mit ihr und selbst er hielt sich in der Öffentlichkeit zurück. Sie hatten das Glück, dass die Leute um sie herum zu alkoholisiert waren, um irgendetwas mitzukriegen. Etwas in dem Ausdruck auf Effies Gesicht veränderte sich, aber Haymitch war zu sehr darauf konzentriert, auf den Beinen zu bleiben, um es zu identifizieren. Ihre Augen schweiften zurück zu ihm, als würde sie ihn mustern und er fragte sich, ob sie auf eine Antwort von ihm wartete. Wollte sie, dass er sie verteidigte? Das würde er nicht. Haymitch hatte ihr dieselbe Anschuldigung in einer ihrer Diskussionen schon mal in ähnlichem Wortlaut an den Kopf geworfen.

„Keine Worte?", provozierte Chaff und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem zufriedenen, gehässigen Lächeln; die Drogen verliehen ihm einen kalkulierenden, berechenbaren Schliff. Haymitch fragte sich, woher sein Freund die Energie nahm, sich gerade überhaupt mit jemandem zu streiten. „Wundert mich nicht. Für gewöhnlich gehen eure Schuldgefühle ja nur so weit, wie ... sie euch'n Vorteil bringen. Und sich als Sklaventreiber schuldig seinen Sklaven gegenüber zu fühlen, wär wahrscheinlich etwaaas kontraproduktiv."

„Hast du mich gerade eine Sklaventreiberin genannt?" Effie schien die Fassung zu verlieren und ihre Etikette gleich dazu. „Wie kannst du dir ein Urteil über mich erlauben, wenn du mich gar nicht kennst?"

„Ihr Kapitoler seid aaalle gleich", lachte Chaff und wiederholte exakt die Worte, die Haymitch sich zu Beginn die ganze Zeit versucht hatte, einzubläuen. Haymitchs Augen trafen Effies und er wusste, dass ihr gerade derselbe Gedanke kam. Für den Bruchteil einer Sekunde huschte Schmerz über ihre Züge. Dann verschloss sie ihr Gesicht vor ihnen und starrte zu Chaff herüber, als würde ihr Blick allein ihn umbringen.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt