Haymitchs Kopf pochte. Etwas in seinen Ohren dröhnte. Chaff lachte sein schallendes Lachen und legte dem jungen Sieger in einer brüderlichen Geste den Arm um die Schultern. Für einen Moment hatte er beinahe vergessen, dass sie auf dem Weg in die Sponsorenlounge waren. Der Alkohol machte es so leicht, zu vergessen. Chaff hatte darauf beharrt und eine nervige Stimme in seinem Kopf hatte ihn daran erinnert, dass er Verpflichtungen hatte.
„Mach dir mal keinen Kopf um Trinket, Kumpel", bemerkte Chaff amüsiert, als er den Blick auf Haymitchs Gesicht sah. „Sie ist nicht deine Mutter. Du kannst tun und lassen was du willst."
Haymitch wusste, dass Chaff recht hatte. Es änderte nichts daran, dass er sich ein klein wenig schuldig fühlte. Vielleicht hätte er ihr sagen sollen, dass er den Morgen lieber auf Chaffs Etage verbringen wollte. Der Traditionen willen. Das Bedürfnis nach gutem Alkohol hatte sicherlich auch eine Rolle gespielt. So liefen die Spiele üblicherweise für ihn ab: Er wartete, bis seine Tribute in den ersten Minuten der Spiele am Füllhorn starben, um sich danach für Tage die Birne wegzusaufen. Wer brach schon gerne mit Traditionen?
„Ich mache mir keinen Kopf", murmelte Haymitch und schubste Chaff von sich. Dann schnappte er sich das Whiskeyglas aus der Hand seines Freundes und grinste zufrieden. „Außerdem breche ich gerne Regeln."
Chaff lachte und stiehl dem nächstbesten Avox mehr als nur ein Glas mit Alkohol, während sie auf den Eingang der Sponsorenlounge zumarschierten. Der Avox warf ihm einen gereizten Blick zu und wirbelte auf dem Absatz herum. Wahrscheinlich hatte jemand den Alkohol bei ihm bestellt und nun musste er zurück, um die Gläser zu ersetzen, die Chaff gestohlen hatte.
Die Menschen in der Lounge feierten, als wäre die Mittagsstunde nicht eben erst vergangen. Falls sie das überhaupt schon war, Haymitch war sich nicht sicher. Die Laune war ausgezeichnet. Alkohol floss in Strömen, Musik dröhnte durch die Lautsprecher, Gelächter kam aus den Mündern der Leute. Vom Alkoholpegel schienen Haymitch und Chaff perfekt ins Raster zu passen ... vom Rest weniger gut.
Haymitch betrat die Lounge und Chaff stolperte ihm hinterher. Er nahm einen Schluck vom Whiskey und schaute sich um. Schaute nach ihr. Es gab keinen Grund, es sich nicht direkt einzugestehen. Zu viele bunte Menschen, als dass er Effie hätte ausmachen können. Inmitten all der seltsam gekleideten Vögel, ohne zu wissen was sie trug, wäre es ohnehin schwierig geworden, sie zu finden. Der Alkohol brannte in Haymitchs Hals und ließ ihn vorwärtsgehen. Er drehte den Kopf, um Chaff anzuschauen, der an ihm vorbeimarschiert war. Dabei fanden seine Augen sie.
Effie war selbst gerade dabei, den Kopf zu drehen, sodass sie seinen Blick nicht auffing und Haymitch fragte sich, ob sie seinen Eintritt bemerkt hatte. Er hoffte, dass dem nicht so war. Sie sah gelangweilt aus, während sie inmitten weiterer Betreuerinnen stand, die einen Sponsoren umringten. Er hatte nicht viele Gelegenheiten sie so aus der Ferne zu beobachten, da sie die meiste Zeit Seite an Seite waren. Es war seltsam, sie inmitten ihrer Leute zu sehen. Es bereitete ihm ein unangenehmes Gefühl, er konnte nicht einmal sagen weshalb. Vielleicht lag es an dem überzogenen Outfit, das im Vergleich zu denen der vergangenen Tage so gar nicht zu Effie zu passen schien.
Sie trug ein bodenlanges schwarzes Kleid, welches in einer kurzen Schleppe endete. Auf der linken Seite ihrer Hüfte besaß es einen offenen Schnitt und gab den Blick auf ihr Bein frei. So weit so gut. Von den Schultern abwärts bis hin zu den Ärmeln war der Stoff mit neongelbem Tüll bestickt, der von ihrem Körper abstand als hätte ihr jemand einen elektrischen Schlag verpasst. Effie sah aus wie die anderen verrückten Vögel um sie herum. Die passende gelbe Perücke auf ihrem Kopf und das grelle Makeup unterstrichen Haymitchs Gedanken nur. So stellte er sich Snows Marionetten vor.
Haymitch folgte Chaff, der auf den separaten Bereich für die Mentoren zusteuerte und die Leute, die ihm im Weg waren, dabei unhöflich zur Seite stieß. Er ließ etwas Abstand zu seinem Freund, um den empörten Blicken zu entkommen, die Chaff erntete. Anders als er war Haymitch noch auf die Sympathie dieser Menschen angewiesen. Er hob sein Glas grüßend in Mags Richtung, die Chaff und ihn mit finsterer Miene musterte und ließ sich vor die alte Siegerin in einen breiten Sessel fallen. Chaff nickte ihr zu und tat es ihm nach.
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An Era Awakens (Hayffie)
Fanfiction„Augen auf, Kopf hoch und lächeln. Lass sie niemals die Zerstörung sehen." Vierzehn Jahre nach seinem Sieg ist Haymitch zu einem jungen Alkoholiker verfallen. Die 64. Hungerspiele stehen an und Distrikt 12 bekommt ganz überraschend eine neue Betreue...