7. Mistrust

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Mistrust

Als das Kapitol schließlich in seiner vollsten Pracht vor ihnen auftauchte, sprang sogar Ramon in Überraschung auf. Riesige Wolkenkratzer, dessen Fenster sich in der Morgensonne spiegelten, leuchteten an der Skyline. Eine funkelnde Stadt, die sich zwischen den Gebirgsmassen erhob, wie ein Diamant, der von Steinen umgeben war. Als der Zug im Bahnhof einfuhr, standen Elowen und Roman an den breiten Fenstern und starrten nach draußen auf eine jubelnde Menge voll bunt gekleideter Leute. Als Ramon die feiernden Leute sah, drehte er sich schnurstracks um und setzte sich angewidert auf einen der Sessel. Elowen blieb zwar stehen, doch man konnte ihr das Unbehagen im Gesicht ablesen. Zu Recht.

„Daran werdet ihr euch von nun an gewöhnen müssen", sagte Haymitch und beobachtete geistesabwesend seinen Whiskey, ohne die Welt draußen auch nur eines Blickes zu würdigen. Er fühlte sich bereits etwas benebelt und doch war es noch nicht genug, um vergessen zu können. „Ihr seid Tiere, die zur Schlachtbank geführt werden und sie warten nur darauf, euch bluten zu sehen." Es lag nichts als Abscheu in seiner Stimme. Er hasste das Kapitol. Er hasste es, dass sie ihn jedes Jahr aufs Neue hier einfuhren, nur um ihn daran zu erinnern, dass er ihnen nie entkommen würde. Er war nicht mehr als eine weitere Marionette in ihren Spielen. Vielleicht hasste er sich dafür sogar noch mehr als er sie hasste. Weil er nicht den Mumm besaß, mehr zu tun als nach ihrer Pfeife zu tanzen, obwohl er doch ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte. Vielleicht.

Elowen hatte dem Fenster den Rücken zugekehrt und starrte ihn durch den Wagen hindurch an. Ihre Augen funkelten vor Angst.

„Haymitch", zischte Effie, die in diesem Augenblick durch die Tür hereinkam. „Sag so etwas nicht. So wirst du nur jeden Sponsoren vertreiben."

Sie sah nicht gut aus. Ihre Augen wirkten müde und Haymitch war sich sicher, dass sie unter den Schichten von Make-Up dunkle Ringe hatte. Effie war viel stärker geschminkt als gestern noch, wahrscheinlich weil sie nun zurück im Kapitol war. Ihr Gesicht und die Perücke sahen schon lächerlich genug aus, aber ihr pinkes Kleid war so überzogen von Rüschen, dass er nicht anders konnte, als bei ihrem Anblick in Gelächter auszubrechen.

Effies Blick sagte ihm, dass sie keine Ahnung hatte, weshalb er lachte. Gestresst hob sie eine Augenbraue hoch und er zuckte die Schultern. „Du siehst schrecklich aus."

Sie reagierte auf seine Worte wie auf einen Schlag ins Gesicht. Instinktiv reckte sie den Rücken gerade und presste die Lippen aufeinander. Hier schien ihr wohl niemand zu sagen, dass sie schrecklich aussah. Natürlich nicht, schließlich würde es jeder Etikette widersprechen, die die Kapitoler sich in all ihrer unbeschwerten Freizeit selbst auferlegt hatten. Wenn man sonst keine Probleme hatte, musste man sich eben welche ausdenken. Und obwohl Haymitchs Kommentar ihr herzlich egal sein sollte – schließlich war er ein Distriktler und ein Niemand ohne Ahnung von irgendetwas – schien er Effie dennoch zu verletzen.

„Du bist dir aber bewusst, dass du nicht jeden Gedanken in deinem Kopf laut aussprechen musst, oder Haymitch?", schoss Effie defensiv zurück und drehte ihm den Rücken zu, während sie an ihm vorbei zu den Tributen schritt. „Selbst deine minderjährigen Tribute sind dazu in der Lage."

Haymitch, dem ihr entglittener Ton – fern jeder Kapitolfreundlichkeit – nicht entgangen war, hatte ihren Blick trotzdem für den Hauch einer Sekunde gesehen, bevor sie ihre emotionslose und verschlossene Maske aufgesetzt hatte. Er wunderte sich, wie sie innerhalb von Momenten ihren gesamten Gesichtsausdruck ändern konnte. Dabei hatte er selbst mit den Jahren gelernt, seine Gefühle unter Kontrolle und von der Außenwelt abgeschottet zu halten. Seine Gefühle hatten ihm bisher immer nur Ärger bereitet, deshalb hielt er es für sinnvoll, wenn man ihm nicht direkt alles aus dem Gesicht ablesen konnte. Doch welchen Grund hatte sie dafür? Verglichen mit ihm lebte sie förmlich auf dem Regenbogen, während ihn der donnernde Regen in die Knie zwang.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt