23.1. Why Did You Keep Me Close?

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Why Did You Keep Me Close?

Der nächste Morgen war viel zu schnell angebrochen. Haymitch saß im Wohnzimmer des Penthouses und starrte hinaus zum Fenster. Zu der Stadt, die sich heute wieder mit Freude einer immerwährenden Tradition beugen würde, die dutzende Leben zerstört und noch mehr Leben gefordert hatte. Er wusste, dass ihm die Dinge heute schwerer fallen würden als an anderen Tagen. Während die Menschen um ihn herum feiern und jubeln würden, würde er weiter in dem Loch versinken, das ihn schon seit Jahren mehr und mehr in die Tiefe zog. Weiter und weiter, bis es irgendwann kein Zurück mehr gab.

Die Kinder waren bereits früh am Morgen von ihren Vorbereitungsteams abgeholt und zu dem geheimen Ort geflogen worden, an dem die Arena sich befand. Es war immer noch früh. Die Sonne hatte den Zenit noch nicht erreicht und doch saß Haymitch fertig angezogen auf dem Sofa, bereit um den Tag hinter sich zu bringen. Er wartete auf Effie, die genau wie er erwartet hatte, eine Ewigkeit benötigte, um sich herzurichten. Zum Frühstück war er nicht erschienen. An Tagen wie diesen brauchte er kein Essen im Magen. Dieser war ihm auch so bereits schwer genug.

Nachdem Effie sein Zimmer gestern mitten in der Nacht verlassen hatte, hatte Haymitch noch lange wachgelegen und über ihre Worte nachgedacht. Hier ist es so leicht, zu vergessen, was real und surreal ist. Sie wusste mehr, als sie sich anmerken ließ. Sie wusste, wie man im Kapitol überlebte, auch wenn es ihr vielleicht gar nicht aktiv klar war.

Wir wurden erzogen, sie zu unterstützen. Es war nicht die Antwort, die der junge Sieger sich gewünscht hatte und doch hatte sie nicht nach jemandem geklungen, die ohne Zweifel hinter den Spielen stand. Entgegen seiner Behauptung war sie alles, aber nicht dumm; auch nicht grausam, weil sie die Spiele schaute. Sie versuchte nur, zu überleben, auch wenn es ihr nicht so bewusst war wie ihm.

Viele Menschen vergessen gerne. Was ist die Alternative, Haymitch? Es gab keine, das wusste er besser als jeder andere. Für eine Person wie Effie gab es erst recht keine. Sie war fragil, zerbrechlich und verwundbar. Entweder man unterstützte das Regime, oder man gab sein Leben. Haymitch wusste, dass Effie das Kapitol liebte. Er wusste, dass es einen Punkt in ihrem Leben gegeben hatte, zu dem sie die Spiele geschaut und sich nicht für die zerstörten Leben geschert hatte. Doch das Schlimmste war, dass er es ihr nicht einmal übelnehmen konnte.

„Was hat sie nur mit dir gemacht?", murmelte er leise vor sich hin und senkte den Blick auf seine polierten, schwarzen Lackschuhe. Der totenstille Raum gewährte ihm keine Antwort.

Nach dem gestrigen Tag, der sich irgendwie nicht ganz real angefühlt hatte, befand Haymitch sich nun wieder in der grausigen Realität, die ihren Strick mit jedem Tag enger um seine Kehle schnürte. Es würde der Tag kommen, an dem er den Druck, den diese Welt auf ihn ausübte, nicht mehr aushalten würde. Tief unten wusste er, dass es irgendwann, früher oder später, passieren würde. Niemand konnte das, was er jedes Jahr aufs Neue durchlebte, für immer auf seinen Schultern tragen. Die Sieger der anderen Distrikte hatten einfach nur Glück, dass sie mehr waren. Mehr Schultern, auf denen sie das Leid verteilen konnten. Sie konnten sich abwechseln. In 12 war das keine Option. Haymitch war allein. Er würde immer allein sein.

Das entfernte Klackern von Schuhen riss Haymitch aus seinen Gedanken und er erhob sich automatisch aus dem Sessel. Als Petunia noch Eskorte gewesen war, hatte er nie auf sie gewartet, um gemeinsam zur Sponsorenlounge zu fahren. Wenn er es denn überhaupt in Erwägung gezogen hatte, dort aufzukreuzen. Er hatte diesen Ort seit Jahren nicht mehr von innen gesehen und seine Begeisterung, dorthin zurückzukehren, hielt sich anschaulich in Grenzen.

Effie betrat den Raum wie ein Sturm. Jede ihrer Bewegungen war eine Mischung aus Eleganz und Hektik, wie nur sie es meistern konnte. Haymitch brauchte seine Augen nur kurz über ihr Gesicht huschen zu lassen, um zu wissen, dass sie ihr Verstand ihren Körper irgendwo auf dem Weg hierher abgehängt hatte. Wahrscheinlich waren ihre Gedanken bereits bei den Sponsoren, die es heute zu überzeugen galt.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt