37. Gold

144 4 17
                                    

Gold

Es war die zweite Nacht, die Haymitch in Effies Bett verbrachte. Erst die zweite Nacht und trotzdem schien es so, als hätte sie sich bereits an seine Präsenz neben ihr gewöhnt. Im Halbschlaf streckte sie die Hände nach ihm aus, als müsste sie sichergehen, dass sie wirklich nicht allein war. Für ihn war es das genaue Gegenteil. Hier zu liegen und darauf zu warten, dass die Sonne hinter den glitzernden Dächern aufging, fühlte sich fremd und falsch an. Und dennoch genoss es ein Teil von ihm.

Es war ein einfaches Arrangement. Ein neues Arrangement. Eine Erweiterung von ihrer ursprünglichen Abmachung, wobei der Sex wahrscheinlich noch zur Ersten zählte. Es war nicht bei dem einen Mal geblieben. Auch ohne Alkohol wirkte es auf Haymitch so, als würde Effie so all ihren aufgestauten Emotionen am besten Luft machen können. Er hatte noch nie jemand so stürmisches und leidenschaftliches erlebt. Sie war das genaue Gegenteil von ihm. Vielleicht war es auch einfach das, was ihn an der ganzen Sache reizte: Seine eigene Welt zu vergessen.

Haymitch wollte behaupten, dass der Sex der beste Teil des Arrangements war. Das wäre die leichteste Antwort gewesen. Aber er konnte nicht leugnen, dass es etwas Friedliches, Idyllisches hatte, neben Effie im Bett zu liegen, ihrem ebenmäßigen Atem zu lauschen, ihre stetige Körperwärme zu spüren, während draußen in der Stadt die Nacht langsam vom Tag abgelöst wurde. Da war so eine Ruhe, die ihn in diesen frühen Stunden umgab. Eine Ruhe in seiner Brust, die ihn entspannte. So anders als das Chaos, welches er für Gewöhnlich verspürte. Es war der Hauptgrund gewesen, weshalb er am Ende des nächsten Tages wieder geblieben war, nachdem sie darum gebeten hatte.

Mittlerweile war es der achte Tag der Hungerspiele. Ramons Tod lag bereits mehr als vierundzwanzig Stunden zurück. Ein ganzer Tag in der Sponsorenlounge, an dem Effie und Haymitch hatten so tun müssen, als würde ihnen der Tod ihres männlichen Tributs nicht nahegehen. An dem sie die teilweise amüsierten Beileidsbekundungen über sich hatten ergehen lassen müssen, ohne den Mund zu öffnen, ohne ein unhöfliches Wort über ihre Zungen kommen zu lassen. Um den Schein zu wahren. Um kein böses Blut zu schöpfen. Denn da war noch ein Mädchen im Rennen. Da war noch Eustace, für die sie alles geben mussten. Also hatten sie das Spiel mitgespielt, so wie es von ihnen erwartet worden war.

Auch wenn all die Schmeichlerei natürlich nichts gebracht hatte. Nach Ramons Tod waren von den Top Zehn nur noch neun übriggeblieben. Die meisten Sponsoren hatten sich bereits festgelegt und die, die es noch nicht getan hatten, hatten kein Interesse an Eustace. Die kleine Eustace, die so lange überlebt und sogar einen Jungen getötet hatte. Die nur weiter Beeren und Nüsse sammelte und ihre meiste Zeit auf Bäumen verbrachte. Ihr ging es besser als einigen anderen Tributen in der Arena.

Tag Sieben der Hungerspiele war wahrlich nicht erwähnenswert. In der Arena hatte das weibliche Tribut aus Distrikt 3 dran glauben müssen, nachdem sie dem Jungen aus 7 beim Sammeln über den Weg gelaufen war. Ihr Distriktpartner, mit dem sie eine Allianz gehalten hatte, war zu weit weg gewesen, um ihr zu helfen und hatte im Anbetracht der ungewissen Gefahr die Hände in die Beine genommen. Das Tribut aus 7 hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, die Fährte aufzunehmen, weil er es allein auf den Rucksack mit getrocknetem Fleisch des Mädchens abgesehen hatte. Hungerspiele.

Wenn man darüber nachdachte, dass die Kapitoler nur nach dem brutalsten Tod dürsteten, hätte man dem ganzen Spektakel doch einen anderen Namen geben sollen. Haymitch hielt Killerspiele für einiges passender.

Aber auch außerhalb der Arena war nicht viel geschehen. Im Fernsehen waren die Interviews der noch lebenden Tribute ausgestrahlt worden. Eustace' Mutter hatte keinen besonders freundlichen Eindruck gemacht, auch wenn sie einige Sätze mit dem Reporter gewechselt hatte. Mehr als Haymitch von Distrikt 12 erwartet hatte, auch wenn im Interview mehr als deutlich geworden war, dass sie nicht an das Überleben ihrer Tochter glaubte und auf einen gnadenvollen Tod hoffte. Ein Fakt, der Effie nicht gerade dabei geholfen hatte, ihre betrübte Laune zu heben. Oder Eustace glaubhaft an Sponsoren zu verkaufen. Heute mussten sie mehr erreichen. Mit jedem toten Tribut würde es schwieriger werden, Eustace zu unterstützen.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt