15.1. Drunken Semaphore

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Drunken Semaphore

Effie zog sich auf ihr Zimmer zurück und legte sich in ihrem Kleid und der Perücke auf dem Kopf auf ihr Bett. Die Sonne schien durch das Fenster und blendete sie. Sie kniff die Augen zusammen und dachte über Haymitchs Worte nach. Ein Teil von ihr fragte sich, worauf sie sich bloß eingelassen hatte, als sie sich für eine Karriere in den Hungerspielen entschieden hatte. Sie fragte sich, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war. Bei dem Gedanken, dass sie all das hier von nun an jedes Jahr mitmachen musste, pochte ihr Herz in ihrer Brust.

Den Gedanken aufzugeben, schob sie von sich fort, es kam nicht in Frage. Sie würde ihre Familie in ein schlechtes Licht rücken. Ihre Mutter war erleichtert gewesen, als Effie sich nach dem Architekturstudium doch dazu entschlossen hatte, einen Weg zu gehen, der einer Dame gerecht wurde. Als Eskorte eines Distrikts zählte man zu den begehrtesten Frauen in der Publicity. Ganz Panem kannte ihre Gesichter und man wurde zu einer Reihe von exklusiven Events eingeladen, die den meisten Kapitolern vorenthalten blieben. Die Chancen einen wohlhabenden Sponsor oder sogar einen Spielemacher zu heiraten waren sehr hoch.

Effie dachte zurück an die Ernte. In dem Augenblick in dem sie Elowens Namen aufgerufen hatte und das Mädchen vorgetreten war, hatte sie Enttäuschung verspürt. Sie hatte ihre eigenen Chancen des Rampenlichts schwinden sehen, als sie in das liebliche Gesicht des zwölfjährigen Kindes geschaut hatte. Schon damals hatte ihr Instinkt Elowen nur minimale Chancen zugeschrieben.

War sie tatsächlich geblendet von der Aura, die das Mädchen umgab? Hatte sie sich in einen Bann ziehen lassen, der ihr einen realistischen Blick auf die Dinge nahm? Sie wollte sich nicht eingestehen, dass Haymitch tatsächlich recht haben könnte. Dieses Bündnis mit Distrikt 1 musste einen Vorteil mit sich bringen, Effie konnte nichts anderes glauben. Sie wollte nicht. Elowen war zwar klein, aber dafür flink und unscheinbar. Wenn sie nur das Füllhorn überlebte, würde sie sich vor den anderen Tributen verstecken können.

Effie seufzte und ließ die Beine über die Bettkante baumeln. Ihre Augen hefteten sich an die Decke und sie raste durch ihre eigenen Gedanken, im Versuch einen realistischen Plan aufzustellen. Sie ging alle möglichen Alternativen durch, durchdachte alles dreifach. Es war ein einziges Dilemma und ließ Effies Herz vor Anstrengung schneller schlagen. Haymitch hatte recht. Wenn Elowen sich den Karrieretributen wirklich anschließen sollte, dann wusste sie nicht wie das Mädchen sich zum Ende hin aus der Affäre ziehen konnte, ohne von einem der anderen getötet zu werden. Im Vergleich zu den anderen Tributen war Elowen wie ein kleiner zarter Vogel. Die Tribute aus 1, 2 und 4 würden keine Gnade zeigen. Effie konnte sich an keine Spiele erinnern, wo ein Bündnis mit den Karrieros gut für den Außenseiter ausgegangen war.

oOo

Auch am darauffolgenden Tag bekam Effie Haymitch kaum zu Gesicht. Er hatte sich in seinem Zimmer zurückgezogen und wollte nicht gestört werden. Nicht einmal zum Essen kam er raus. Sie konnte nicht sagen, was mit ihm los war und ob er sich wegen ihrem Streit so kindisch verhielt oder ob er einfach die Geduld mit ihnen allen verloren hatte. Natürlich wusste sie nicht, dass es genau das war, was er in all den Jahren zuvor auch getan hatte. Sie wusste nicht, dass das Mentorendasein für ihn nichts anderes bedeutete, als sich von dem Geschehen fernzuhalten und gelegentlich Chaff Gesellschaft an der Bar zu leisten.

Die weitere Trainingsphase der Tribute verlief unauffällig. Elowen lernte aus ihren Fehlern und ließ das Trinken sein. Allerdings verbrachte sie weiterhin ihre Zeit mit dem Jungen aus Distrikt 1. Zum Abendessen erzählte sie Effie kurz von ihrem Tag und was beim Training geschehen war. Sie erwähnte Magnus jedes Mal in einem beinahe schwärmenden Ton, was Effie zunehmend Sorge bereitete. Doch Haymitch war nicht da, um die Rolle des Mentors zu übernehmen. Er war nicht da, um ihr seine Meinung darüber zu sagen und Effie war zu sehr hin und her gerissen von ihrer eigenen Meinung, sodass sie letztlich schwieg. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, die mögliche Chance auf Sponsoren einfach platzen zu lassen. Sie konnte nicht diejenige sein, die Elowens letzten Draht zur Hoffnung zerschnitt. Sie wollte an die Chance glauben. Sie wollte an ein gutes Ende glauben. Und so ließ Effie den Dingen ihren Lauf.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt