14. Blinding Twilight

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Blinding Twilight

Haymitch kam gerade von der Bar im Wohnzimmer, mehrere Flaschen feinsten Alkohol in seinen Händen. Es war später Nachmittag und er wollte sich für die wenigen Stunden bis zum Abendessen zurückziehen. Er bog um die Ecke des Flures zu seinem Raum, als sich seine Nackenhaare plötzlich aufstellten. Er sah und hörte nichts, aber seine Sinne waren seit seiner Rückkehr aus der Arena geschärft. Ein ungutes Bauchgefühl machte sich in dem jungen Sieger breit und er spürte, wie sich ein fremder Blick in seinen Rücken bohrte.

In dem Augenblick, in dem er Effie am Ende des Flures stehen sah, dort wo er noch vor wenigen Sekunden entlanggegangen war, begann er jedoch an der Schärfe seiner Sinne zu zweifeln. Er hätte sie schon viel früher bemerken müssen. Effie trug ein kurzes blaues Kleid mit cremeweißen Rüschen um ihre Hüfte, die wie ein Gürtel aussahen. Die silberne Perücke auf ihrem Kopf blendete ihn und verschluckte die Farbe ihrer Augen.

Effie schwieg und allein das war Anzeichen genug, dass etwas nicht in Ordnung war. Ihre schwarzen Lackstiefel schienen am Boden festzukleben. Innerhalb einer Sekunde musterte Haymitch sie von oben bis unten und hob dann fragend eine Augenbraue. Die Stimmung kippte in dem Moment, in dem er ihr direkt in die Augen schaute. Ihre Augen waren kalt wie Eis und die Mischung aus Wut und Enttäuschung, die sich in ihnen spiegelte, ließen ihn unwillkürlich einen Schritt zurückmachen. Dabei war es eigentlich vollkommen lächerlich. Sie war einen Kopf kleiner als er und er war ein Sieger.

Effie löste sich aus ihrer Starre und pirschte blitzschnell auf ihn zu. „Wie kannst du es wagen", rief sie ihm entgegen und machte sich keine Mühe, leise zu sein. Ihre Stimme zitterte vor Aufregung. Sie blieb einen Schritt vor ihm stehen und riss ihr Kinn nach oben, um ihm direkt in die Augen zu schauen.

„Was ist denn los, Süße?" Haymitch starrte sie an und fragte sich, ob er etwas verpasst hatte. Sie war den ganzen Tag nicht da gewesen und die Handtasche in ihrer rechten Hand sagte ihm, dass sie vermutlich gerade erst zurückgekommen war.

„Hör auf mit diesem Theater, Haymitch", zischte sie nun und zeigte ihm die Zähne. „Du weißt genau, worum es geht. Du weißt nicht, wie unfassbar enttäuscht ich von dir bin. Deine Trinkangelegenheiten gehen mich nur teilweise etwas an, aber zusammen mit Elowen zu trinken ... Das hätte ich selbst dir nicht zugetraut!"

Haymitch weitete seine Augen und langsam bildete sich ein Szenario in seinem Kopf. Sie hatte Elowen wohl nach ihrer Rückkehr einen Besuch abgestattet und diese dann in ihrem betrunkenen Zustand vorgefunden. Was in Panems Namen hatte das Mädchen Effie erzählt? Haymitch fühlte sich plötzlich an die unzähligen Streitereien mit Petunia zurückerinnert. In einer beschwichtigenden Geste hob er seine Hände, nur um sich einen dunklen Blick von Effie einzufangen, als sie sah, was er da in den Händen hielt. Er seufzte. „Hör zu, ich weiß nicht, was dir Elowen erzählt hat, aber–"

„Sie hat mir gar nichts erzählt", fiel Effie ihm dazwischen. Ihre unverhohlene Wut, durch die sie selbst ihre geliebten Manieren vergaß, ließ ihn aufschauen. „Sie hat ja kaum ein Wort herausbekommen. Aber es war nicht schwer, sich die Geschichte zusammenzureimen. Viele Möglichkeiten bleiben ja nicht übrig."

Für eine Sekunde starrte Haymitch sie einfach nur an. Ihre Worte fühlten sich an wie ein dumpfer Schlag in den Magen, dabei hätte er es besser wissen müssen. Dieser Frau auch nur einen Funken des Vertrauens entgegenzubringen, war ein fataler Fehler gewesen. Er suchte Effies Augen und wollte wissen, ob sie ihre Aussage tatsächlich ernst gemeint hatte. Die Härte in ihrem Blick sprach eine klare Sprache. Im selben Moment ärgerte er sich darüber, dass es ihn wirklich interessierte, für welche Art von Mensch Effie ihn hielt. Sie war das Kapitol. Die Verwirrung, die er nicht verhindern konnte, verwandelte sich Zorn.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt