17.2. Trust

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Bevor Effie den Speiseraum verlassen hatte, hatte sie Haymitch ein einziges Mal darum gebeten, sich für den heutigen Abend herauszuputzen. „Du repräsentierst nicht nur dich selbst, sondern deinen gesamten Distrikt und die Tribute", hatte sie zu ihm gesagt, bevor sie ihm den Rücken zugekehrt hatte. Sie hoffte inständig, dass er sich ihre Worte zu Herzen nahm. Haymitch Abernathy war unberechenbar.

Die junge Eskorte verbrachte den gesamten Mittag zurückgezogen in ihrem Zimmer, um sich auf die Interviews vorzubereiten. Bevor sie auch nur eines der ausgelegten Kleider anfasste, ging sie ihren Zeitplan noch drei Mal durch und prüfte die letzten Lücken und Engpässe, die sich möglicherweise im Laufe des Abends entwickeln würden.

Dann erst widmete sie sich ihrem Outfit. Effie starrte auf die drei Kleider hinab, die sie vor dem Frühstück auf ihr Bett gelegt hatte. In einer frustrierten Geste biss sie ihre Kiefer aufeinander. Sie wusste bereits ganz genau, wie sie heute aussehen wollte. Das Bild hatte sich letzte Nacht in ihren Kopf geschlichen und auf ihre Netzhaut gebrannt. Es war ein dummes Bild und ein kindischer Gedanke. Nichtsdestotrotz ließ er sie nicht los. Also machte sie sich an die Arbeit, um ihre überkoffeinierten Hände zu beschäftigen.

Die Stunden vergingen viel zu schnell und Effie war so darin vertieft, jeden Zentimeter ihres Körpers in ein Kunstwerk zu verwandeln, dass die Zeit wie in Trance an ihr vorbeigezogen war. Haymitch wartete bereits im Wohnzimmer auf sie. An seinen Anblick im Anzug würde sie sich wohl niemals gewöhnen.

Haymitch sah aus wie von einem anderen Stern. Als käme er direkt aus einer der wohlhabenden Familien im Stadtzentrum des Kapitols. Der maßgeschneiderte, schwarze Anzug saß wie angegossen. Effie wusste, dass er es hasste. Dafür musste sie ihm nicht einmal ins Gesicht schauen. Diesen Anzug zu tragen war genau das, was er nicht wollte. Sie seufzte in sich hinein. Seine gewaschenen Haare waren gekämmt und mit Gel nach hinten gestylt. Er musste sie geschnitten haben, denn die Strähnen reichten ihm kaum noch über die Ohren. Sein kurzer Bart war verschwunden und gab den Blick auf eine glatte Kieferpartie frei. Er sah aus, wie ein Mann aus dem Bilderbuch.

Dann drehte er sich um und seine bisher sanften Gesichtszüge erstarrten. Seine funkelnden grauen Augen trafen sie mit einer solchen Intensität, dass Effie für einen Moment die Luft stockte. Haymitch sagte nichts. Einige Sekunden lang, die ihr wie eine Ewigkeit erschienen, starrte er sie nur an.

Als er nicht aus seiner Reglosigkeit zu erwachen schien, ergriff sie schließlich das Wort. „Alles in Ordnung?" Ihre Stimme war dünn wie ein Seidenfaden und so leise, dass Haymitch sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen.

Effie fürchtete, dass ihm ihre Aufmachung nicht gefallen würde. Dabei hatte er sie dazu inspiriert, das bodenlange, pinke Kleid aus endlosen Schichten Tüll anzuziehen. Es fiel locker und doch elegant um ihren Körper und bewegte sich mit jedem Schritt, den sie tat. Sie machte sich selbst etwas vor. Als wenn Haymitch sie jemals dazu inspirieren könnte, ein bestimmtes Kleid anzuziehen. Es war nur eine Ausrede ihres Verstandes, der sich vor seiner Reaktion fürchtete.

Sie hatte ihr Make-Up schlicht gehalten. Ein dezenter Lidschatten, Rouge und ein matter Lippenstift – alle im selben rosa-roten Ton, der ihrem Kleid entsprach. Doch was Haymitch ins Auge gefallen sein musste war ihr Haar, ihr echtes Haar. In leichten, blonden Wellen fiel es ihr über den Rücken. Effie trug keine Perücke, die etwas hätte verstecken können. Ein kleiner Blumenkranz aus Kirschblüten zierte ihren Vorderkopf.

Zwar waren Perücken dieses Jahr wieder im Trend, aber vereinzelt wurde auch Echthaar noch getragen. Sie war sich bewusst, dass ihre Mutter den Kopf über ihre Wahl an Accessoires schütteln würde, aber das war ihr egal. Solange die breite Masse ihr Outfit für gut befand, war alles in bester Ordnung.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt