9. Draw The Line

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Draw the Line

„Du solltest mich nicht so sehen." Effies Stimme drang leise an sein Ohr und Haymitch hob den Kopf.

Sie sah zerbrechlich aus ohne die Maske auf ihrem Gesicht, die ihre Emotionen zurückhielt. Der größte Teil des Make-Ups war verschwunden und Haymitch versuchte vergeblich, ihr nicht in die Augen zu schauen. Diese strahlenden blauen Augen mit dem Potenzial, sich in ihnen zu verlieren, wenn das hier eine andere Welt wäre. In einer Welt ohne Hungerspiele. Doch sie war Kapitol und sie war der Feind.

Effies Augen glänzten vor Angst und im matten Licht sah sie unheimlich verwundbar aus. Haymitch wusste nicht, wie er sie sich ohne Make-Up vorgestellt hatte. Aber nun, da sie vor ihm stand, konnte er nicht verstehen, wieso sie das Zeug überhaupt auf ihr Gesicht machte. „Ich verstehe dein Problem nicht", gab er zurück, stand auf und machte einige Schritte von ihr weg zum Badezimmer. Das Handtuch, mit dem er ihr eben noch übers Gesicht gefahren war, fühlte sich nass und schwer in seinen Händen an. „Du siehst ohne das ganze Zeug viel besser aus."

Effie schluckte und hob mit zusammengepressten Lippen den Kopf. „Du hast keine Ahnung. Du bist nur nichts anderes gewöhnt als die kahlen Gesichter der Frauen in deinem Distrikt."

„Ach und du findest das etwa schön?" Haymitch warf ihr einen ungläubigen Blick zu, dabei wusste er doch, was das Kapitol mit ihrem Kopf gemacht hatte. Gehirnwäsche. „Ihr lauft rum wie Clowns und wollt immer noch mehr haben." Darauf antwortete Effie nicht mehr. Sie starrte auf ihre Hände herunter, die sie in ihrem Schoß gefaltet hatte. Sie zitterten leicht.

Er beobachtete sie durch den Spiegel ihres Tisches und seufzte. „Wir müssen uns um Ramon kümmern", sagte er schließlich nach einer Weile des Schweigens. „Es war sicherlich nicht das letzte Mal, dass er sowas versucht."

Effie nickte, ohne ihn anzuschauen. Ihre Augen waren auf den Teppich gerichtet und sie schien mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. „Nur wie? Ramon ist ein Tribut und man kann ihn nicht einfach in seinem Zimmer einsperren."

Haymitch verzog die Augen bei ihren Worten. Tat das Kapitol nicht genau das? Die Leute, die gegen den Strom liefen, einfach wegsperren. Er betrachtete sie genauer. Das übliche Strahlen in ihrem Blick war verschwunden. Die Frau vor ihm schien kaum etwas mit der lebensfrohen, quirligen Effie Trinket gemein zu haben. Auf eine eigenartige Art faszinierte es ihn, diese andere Seite von ihr zu sehen. Gleichzeitig musste er den Kopf über seine Gedanken schütteln. Effie kam aus dem Kapitol, daran konnte auch ihr blankes Gesicht nichts ändern.

„Ich werde mit den Friedenswächtern reden", sagte sie dann, ihre Stimme klang nun fester. Sie schien eine Entscheidung getroffen zu haben. Beinahe vorsichtig stand sie vom Bett auf, auf dem sie bis eben gesessen hatte und machte einen Schritt auf ihn zu. „Morgen früh werde ich den Sicherheitsdienst informieren. Noch vor dem Frühstück."

Haymitch nickte und starrte auf das Handtuch in seinen Händen, während er nachdachte. Seine Kehle war trocken. Zu trocken. Der Alkoholrausch von der Eröffnungsfeier war viel zu schnell vergangen. Sein Körper dürstete nach einem Drink. Und nach all dem, was heute passiert war, würde es ihm nicht sonderlich schwerfallen, diesem Wunsch nachzukommen. „Ich denke, dir bleibt da nichts anderes übrig. Schließ aber lieber die Tür heute Nacht ab. Wer weiß auf welche Ideen der Junge noch kommen könnte."

Effies Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln, während sie ihn zur Tür begleitete. „Mach dir keine Sorgen, alles wird gut."

Haymitch konnte die Alarmglocken in seinem Kopf förmlich läuten hören. Demonstrativ zuckte er mit den Schultern und trat hinaus in den Flur. „Bilde dir ja nichts ein, Süße", bemerkte er so kalt wie möglich. „Ich habe nur keine Lust, allein für die beiden verantwortlich zu sein, falls er dich doch noch umbringt."

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt