Save Your Tears
Dunkelheit. So weit das Auge reichte. Bis auf die Insekten in der Ferne, die sich zu seinem stetigen Summen aufgebaut hatten, sobald die Sonne untergegangen war, war der Dschungel um Eustace still wie die Sommernächte in Distrikt 12. Wäre da nicht die erdrückende Hitze hätte sie einfach die Augen schließen und sich von hier fortwünschen können. Doch dieser niederschmetternde Luftdruck, der ihre Haut warm und schwitzig und ihren Körper schwer und müde machte, war eine stetige Erinnerung daran, dass sie fernab von zuhause war.
Die letzten Strahlen der Sonne waren schon seit einer Weile hinter dem Horizont verschwunden. Die Zusammenfassung der heute gestorbenen Tribute – nur das Mädchen aus 6 – war Minuten zuvor am Himmel erschienen. Zwischen den dichten Baumkronen hatte Eustace ihr Gesicht kaum erkannt, nur die Nummer ihres Distrikts ausgemacht.
Es war Zeit. Seit sie diesen Baum gefunden hatte, hatte sie ihn nicht oft verlassen. Zweimal am Tag: Morgens und Abends in der sicheren Finsternis der Nacht. Eustace hatte lang genug in die Stille gelauscht, um sicherzugehen, dass niemand in der Nähe war, um ihren Weg zu kreuzen. Also schwang sie langsam ihre Beine zur Seite, bis sie seitwärts auf dem dicken Ast saß, auf dem sie sich eingerichtet hatte. Tropfen der Feuchtigkeit liefen ihr den Nacken herunter als sie den Rucksack auf den Rücken zog. Dann streckte sie ihre Arme aus und ließ sich in die Luft fallen. Ihre zitternden Beine am rauen Stamm waren ihre einzige Sicherheit vor dem Sturz in fünf Meter Tiefe.
Minuten später, nachdem sie sich bei jeder Bewegung vergewissert hatte, nicht zu laut zu sein, hatte sie den Boden endlich erreicht. Nun erlaubte Eustace es sich, sich etwas schneller fortzubewegen. Nach den Kreaturen, die ihr hier unten begegnet waren, wollte sie so wenig Zeit wie möglich verschwenden.
Der Mond war groß und rund. Schon seit Beginn der Spiele. Das einzige Anzeichen, dass er nicht echt war. Eustace war froh darum. Ohne ihn wäre sie praktisch blind. Er spendete genug Licht, um die Pflanzen um sie herum auszumachen, deren Farbpaillette nicht über Schwarz- und Grautöne hinaus ging.
Als sie ihre Wasserquelle erreichte – ein feuchtes Becken fast vollständig von Flora bedeckt – ging Eustace vorsichtig in die Hocke. Sie zog die Metallflasche aus ihrem Rucksack und tauchte sie ins Wasser. Kaum mehr als eine Sekunde und die Flasche war gefüllt. Das Metall quietschte, als sie den Deckel aufschraubte. Sie wollte sich gerade wieder erheben, wollte gerade den Rückweg antreten, als die Insekten um sie herum aus dem Takt gerieten. Das gleichbleibende Summen zerrupfte sich, verstummte teils und Eustace hielt in ihrer Bewegung inne. Mit Elan drehte sie sich einmal um die eigene Achse und blickte suchend durch den dunklen Dschungel. Nichts.
Schließlich hörte sie das Trampeln, welches laut und platschend über den feuchten Erdboden hallte. Aus der entgegengesetzten Richtung ihres Baumes. Eustace zögerte nicht und setzte sich schleichend in Bewegung. Gebückt durch das Unterholz. Die Schritte kamen zügig näher und so wusste sie, dass die Person in Eile war, vermutlich auf der Flucht. Denn sonst würden sich sicher nur die Karrieros so eine Laustärke erlauben. Wenn überhaupt.
Eustace schlich sich immer noch vorwärts, kam jedoch bei der Geschwindigkeit nicht wirklich vom Fleck. Und um zu ihrem Baum gelangen zu können, würde sie die Büsche verlassen müssen. Das Trampeln war so nah, dass Eustace den Atem des Tributs hören konnte. Rasselnd und nach Luft schnappend, als würde er bereits seit einer Ewigkeit davonlaufen. Als würde er schon viel zu lange versuchen, zu entkommen.
Ein tiefes, dröhnendes Knacken fuhr durch den Wald. Einen Moment später krächzten Vögel wie wild, Flügel schlugen panisch durch die Nacht und der Boden erbebte, als einer der Bäume mit einem berstenden Klatschen in den Matsch kippte.
Zwei Dinge geschahen gleichzeitig. Eustace zuckte vor dem umkippenden Baum zurück, der wie ein Schatten über ihr aufragte und machte einen Satz nach hinten. Und nur wenige Meter entfernt von ihr geriet ein Junge in ihr Sichtfeld. Er kam schlitternd in einiger Entfernung vor ihr zum Stehen als der Baum ihm seinen Weg versperrte.
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An Era Awakens (Hayffie)
Fanfiction„Augen auf, Kopf hoch und lächeln. Lass sie niemals die Zerstörung sehen." Vierzehn Jahre nach seinem Sieg ist Haymitch zu einem jungen Alkoholiker verfallen. Die 64. Hungerspiele stehen an und Distrikt 12 bekommt ganz überraschend eine neue Betreue...