11.1. Uncontrolled

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Uncontrolled

„Haymitch!" Der laute Ruf ließ Haymitch aus seinem unruhigen Schlaf erwachen. Sein Überlebensinstinkt, den er mit aus der Arena genommen hatte, trug dazu bei, dass er bereits von jedem kleinsten Geräusch geweckt wurde.

Haymitchs Körper zuckte in sich zusammen, er riss die Augen auf und den Bruchteil einer Sekunde später sprang er auf, sein Messer in der rechten Hand. Er musste sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen, um zu erkennen, dass er sich in seinem Zimmer des Trainingscenters befand. Keine Gefahr also. Zumindest keine akute.

Verwirrt schaute er sich um, fragend was ihn geweckt hatte. Ein weiterer Ruf von der Tür, gefolgt von Klopfen, löste seine Frage. Er seufzte in sich hinein. Diese Frau würde ihn noch wahnsinnig machen. Seine grauen Augen wanderten zum Wecker auf dem Nachttisch, den er eigentlich nie eines Blickes würdigte. Es war früher Morgen, sie wollte ihn höchstwahrscheinlich zum Frühstück rufen. Als würde es irgendeinen Unterschied machen, ob er dabeisaß oder nicht.

Langsam trottete Haymitch auf die Tür zu. Seine Hand lag auf der Türklinke, er seufzte erneut und öffnete die Tür dann in einer blitzschnellen Bewegung, um Effie so gut es geht zu erschrecken. Er musste einen Schritt zurückmachen, als die junge Frau, die gerade erneut hatte klopfen wollen, beinahe gegen ihn stürzte.

„Guten Morgen. Du hättest auch ruhig etwas sagen können", bemerkte sie spitz und beäugte ihn von Kopf bis Fuß. „Du bist ja noch gar nicht angezogen." Effie war bereits zurecht gemacht, von oben bis unten eingelullt in ein buntes Kostüm, so wie es das Kapitol von ihr erwartete. Haymitch musste schmunzeln.

„Was ist denn so lustig?", fragte sie und ihre glasklaren Augen fixierten ihn ruhelos. Für einen Moment erwiderte Haymitch ihren Blick und fragte sich, ob ihre Augen tatsächlich von solch einem Blau waren, oder ob es sich dabei in Wahrheit nur um Kontaktlinsen handelte.

Haymitch konnte ihr ansehen, dass sein Verhalten sie nervös machte. Er hatte noch keinen Ton gesprochen – so einen ungehobelten Umgang war sie als arrogantes Kapitolmädchen sicher nicht gewöhnt. Offensichtlich verunsichert machte Effie einen Schritt zurück und brach den Blickkontakt mit ihm ab. Ihre Wangen färbten sich rot und sein Grinsen weitete sich selbstgefällig.

„Du hast mich aufgeweckt", bemerkte er so mürrisch wie möglich und starrte sie weiterhin mit einem bemüht grantigen Gesichtsausdruck an.

„Ich bitte um Verzeihung", begann Effie mit leiserer Stimme als zuvor und hob wieder den Kopf. Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln und kippte den Kopf zur Seite. „Ich wollte nur dafür sorgen, dass wir alle zusammen frühstücken. Ich halte es für überaus wichtig für die Tribute, von Anfang an in einer angenehmen Atmosphäre vorbereitet zu werden."

Haymitch seufzte. „Alles in Ordnung, Süße. Ich erlaube mir doch nur einen Spaß mit dir. Ist mir doch egal, warum du mich geweckt hast, das wollte ich doch alles gar nicht wissen", grummelte Haymitch und schaute das erste Mal an sich selbst herunter. Er trug eine graue Jogginghose sowie ein weißes loses Shirt, wohl kaum ihrem Standard angemessen. Haymitch fragte sich, ob sie überhaupt wusste, was eine Jogginghose war.

„Ich würde es schätzen, wenn es dir nicht egal wäre", sagte Effie und zuckte die Schultern – wohl kaum eine ladyhafte Geste. „Wir frühstücken um neun, also sei bitte pünktlich." Sie wollte sich gerade zum Gehen wenden, als Haymitch nach ihrem Arm griff. Etwas erstaunt drehte sie sich wieder zu ihm um und starrte auf seine Hand, die ihren Unterarm mühelos umschloss. Etwas in ihren Augen sagte ihm, dass die Menschen im Kapitol selten solchen Körperkontakt zuließen.

„Du scheinst da einiges misszuverstehen", versuchte er Effie zu erklären und ließ sie los. „Ich bin nicht der glänzende Mentor, den du dir gerne wünschst. Das habe ich dir schon in Zwölf versucht zu erklären. Solche Dinge wie Sponsoren gewinnen oder die Tribute coachen, sowas mache ich nicht." Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Türrahmen. Haymitch wartete auf ihre Reaktion, die sicherlich nicht gut ausfallen würde. Ihr schön erträumtes Kartenhaus war kurz davor, in sich zusammenzufallen.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt