Flirts and Interviews
„Du bleibst genau hier stehen", befahl Effie Haymitch über ihre Schulter hinweg, während sie Elowen und Ramon zum Bühnenaufgang geleitete. Haymitch verdrehte sorglos die Augen und salutierte ihr dann in einer verhöhnenden Geste. Die schwarze Seide seines maßgeschneiderten Anzugs reflektierte unter der grellen Glühbirne.
Der Aufgang, ein schmaler langer Flur aus kohleschwarzen Wänden, war überfüllt von Tributen. Sie alle trugen schillernde Outfits, wahrscheinlich mehr wert, als ihre Familien jemals besitzen würden. Effie freute sich für sie und die Ehre, die sie innehatten, diese Momente eines großzügigen Lebensstils zu genießen. Einige der Kinder, aber vor allem die Mädchen der wohlhabenderen Distrikte, schienen darin aufzublühen: Ihre weiten Augen glänzten lebenslustig und ihre drahtigen Körper brachten die Kleider mit ihrem glamourösen Make-Up und den außergewöhnlichen Frisuren zum Strahlen. Die Unmengen an Gold, Silber und Diamanten konnten einen in den Bann ziehen, wenn man denn bereit war, den Preis dafür zu zahlen. Alles im Kapitol hatte seinen Preis. Allerdings war der, den Effie zahlen musste, viel geringer als der, den dreiundzwanzig der Kinder zahlen mussten, die gerade vor ihr standen.
Effie drehte sich zu ihren eigenen Tributen um. Die beiden hatten sich bereits zu den anderen gesellt, die alle in einer langen Reihe hintereinanderstanden. Manche von ihnen stritten sich in einem nervösen, aufgelösten Ton darum, wer nun wo stehen musste. Effies Kinder standen etwas abseits. Das war eines der wenigen Privilegien, aus Distrikt 12 zu stammen. Man gehörte nicht zu der Mitte, die weder Karrieredistrikt noch Außenseiter war. Distrikt 12 mochte zwar ein Außenseiter sein, aber die Letzten behielt man immer irgendwie im Gedächtnis.
Elowens Kleid funkelte im schwachen Licht des Foyers, das nicht weit in den Flur des Bühnenaufgangs hineinfiel. Dieser Teil des Backstagebereichs erinnerte Effie an ihre Zeit im Schultheater, wo sie vor ihren Szenen oft die verbleibenden Minuten in einem solchen Gang verbracht und sich die Zeilen ihres Textes in den Kopf gehämmert hatte. Die Hände des Mädchens waren zu Fäusten geballt und kleine Schweißtropfen bildeten sich auf ihrer Stirn.
„Denkt an meine Worte, ihr beiden", erinnerte Effie sie und warf ihnen einen letzten, eindringlichen Blick zu. Ihre Augen wanderten über ihre Konkurrenz. Einige andere Betreuerinnen standen ebenfalls neben ihren Tributen und gaben ihnen einen letzten Ratschlag. „Wenn das Kapitol euch bisher noch nicht auf dem Schirm hatte, dann ist jetzt euer Moment, dies zu ändern."
Für mehr blieb keine Zeit. Laute Musik ertönte, das Intro der Show begann und dann schallte Caesars Stimme durch die Lautsprecher. Er war in Feierlaune und brauchte nur Sekunden, um das Publikum auf die nächsten zwei Stunden einzustimmen. Seine Laune war in all den Jahren immer schon ansteckend gewesen.
„Ich wünsche euch ganz viel Glück!" Die goldene Cashmere, die mit selbstbewussten Schritten die Bühne erklomm, war das Letzte was Effie sah, bevor sie sich umdrehte und ihren Weg zurück zu Haymitch bahnte.
Wieder im Hauptbereich der Backstage-Area, brauchte Effie einen Moment, um ihren Mentor wiederzufinden. Der Bereich hatte sich nun etwas geleert. Viele Teams hatten sich vor die Bildschirme begeben, wenn sie Plätze im Publikum besaßen, dann nahmen sie diese nun langsam ein. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Cashmere die Bühne betreten und die Interviews offiziell beginnen würden.
Haymitch war natürlich nicht dort stehen geblieben, wo Effie es ihm befohlen hatte. Er war zu einer kleinen Gruppe von Siegern abgewandert, die am Rande der Bildschirmreihe in ein freundliches, lockeres Gespräch vertieft war. Chaff hatte sich zu ihm gesellt und neben ihm stand eine winzige, knochige Frau, die Effie zwar bekannt vorkam, der sie aber in der Sekunde keinen Namen zuordnen konnte. Haymitch wirkte in der Präsenz der beiden so ungezwungen, wie sie ihn nur selten erlebte.
DU LIEST GERADE
An Era Awakens (Hayffie)
Fanfiction„Augen auf, Kopf hoch und lächeln. Lass sie niemals die Zerstörung sehen." Vierzehn Jahre nach seinem Sieg ist Haymitch zu einem jungen Alkoholiker verfallen. Die 64. Hungerspiele stehen an und Distrikt 12 bekommt ganz überraschend eine neue Betreue...