25. A Prince, His Princess and the Witch

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A Prince, His Princess and the Witch

Haymitch verfolgte den Verlauf der Spiele für den Rest der Nacht. Nach dem Gemetzel am Füllhorn würden die Spielemacher das Ruder erst frühstens morgen wieder in die Hand nehmen, das war ihm bewusst, jedoch würde er bis zum Morgengrauen sowieso kein Auge zubekommen. Die meisten der noch lebenden Tribute hatten sich zum Schlafen in ein Versteck zurückgezogen. Nur vereinzelte Gestalten streiften noch umher und diese schienen nicht wirklich zu wissen, was sie mit ihrer Lage anfangen sollten.

Beide Tribute aus 12 hatten das Füllhorn überlebt. Haymitch konnte nicht sagen, ob er froh oder gar erleichtert oder sogar resigniert darüber sein sollte. Er wusste, dass keines der Kinder das Zeug zum Sieger hatte. Weshalb sollte er sich nun also unnötige Hoffnungen machen, die zum Ende hin sowieso zerstört werden würden? Er war nicht wie Effie, die trotz der schlechten Chancen mit jedem Funken ihres Körpers daran glaubte. Er war sich ohnehin sicher, dass sie nächstes Jahr mit weniger Enthusiasmus an die Sache herangehen würde. Das erste Jahr brach jeden, seins genauso wie ihres.

Irgendwann, im Osten brach die Sonne bereits hinter den ersten Berggipfeln hindurch, fielen ihm schließlich die Augen zu. Der Schlaf brachte ihm keine Erholung. Seine Träume zeigten weiterhin dasselbe Grauen, nur dass es immerzu seine Arena sein würde. Die Bilder der Kinder hatten es nie geschafft, sich einen Weg in seine Träume zu stehlen und obwohl er sich deshalb schuldig fühlte, war er gleichzeitig erleichtert darüber. Die Liste der Menschen, die er verloren hatte, war bereits lang genug. Seit seinem Sieg waren mittlerweile so viele Jahre vergangen, dass seine Erinnerungen ihn langsam im Stich ließen. Die Erinnerungen an seine Familie verblassten langsam aber sicher und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Noch wusste er, wie sie ausgesehen hatten: Die Farbe ihrer Augen, die Art wie sich ihre Gesichter bei jeder Gefühlsregung verzogen hatten, ihre Stimmen. Und doch hatten ihre Gesichter an Schärfe verloren. Es war als würde er durch eine Wand aus Milchglas schauen, wenn er versuchte, ihre Gesichter vor seinem inneren Auge heraufzubeschwören, was er ohnehin kaum tat. Es war eine Furcht, die ihm nach jedem Aufwachen die Eiseskälte in den Körper jagte. Er schämte sich dafür und fühlte sich noch schuldiger für ihren Tod als er es ohnehin schon tat. Die Erinnerungen an sie taten weiterhin genauso weh wie am Tag als er die Nachricht ihrer Tode erhalten hatte. Daran würde sich niemals etwas ändern. Niemals.

Das Klopfen an der Tür weckte Haymitch und er war beinahe dankbar, aus seinem Traum aufgeschreckt zu werden. Effie wartete nicht auf eine Antwort seinerseits, dafür war sie zu sehr in Eile. Alles was sie wollte war, ihn daran zu erinnern, sich fertigzumachen. Dann hörte man auch schon das Klackern ihrer Highheels, die sich im Gang entfernten.

Haymitch drehte den Kopf und starrte auf die digitale Uhr, die auf seinem Nachttisch stand. Das Frühstück hatte er verpasst und er war froh darum. Er wäre sowieso nicht hingegangen. Ihretwegen. Während seine Träume noch genau dieselben Überraschungen für ihn bereithielten wie immer, hatte sich die Wirklichkeit um ihn herum mehr als nur ein wenig verändert. Haymitch sträubte sich davor, Effie zu begegnen. Er wusste nicht, was er sagen oder machen sollte, geschweige denn, was sie von ihm erwartete.

Effie hatte ihn geküsst und die Barriere zwischen ihnen damit unwiderruflich überschritten. So wie er es einige Tage zuvor gemacht hatte, aber da war er betrunken gewesen. Das war etwas anderes gewesen. Wenn sie ihn küsste, fühlte es sich verbindlicher an, als wenn er sie küsste. Er konnte nicht sagen, weshalb er so empfand.

Wenn du denkst, dass ich Gefühle für Seneca habe, dann täuschst du dich. Was sollte das bedeuten? Haymitch konnte nicht leugnen, dass das Eingreifen dieses Mannes ihn gestört hatte. Seneca Crane war ein Spielemacher und somit wohl eines der größten Übel in Panem. Natürlich hatte er gestört. Aber was sollten diese Worte von ihr? Es war nicht so als würde er etwas für Effie empfinden. Er kannte sie ja kaum. Da war eine gewisse Verbundenheit, eine Spannung, eine Zuneigung und Haymitch verstand nichts davon, aber keine Gefühle. Er würde nie etwas für eine Frau aus dem Kapitol empfinden können. Niemals. Dafür hatte dieser Ort ihm zu viel genommen. Aber was sollten diese Worte dann? Hatte sie andeuten wollen, dass sie Gefühle für ihn hatte? Das war ebenfalls mehr als albern. Und doch hatte sich der Kuss so echt, so gut, so vertraut angefühlt, dass er für eine Sekunde vergessen hatte, dass es das Kapitol war, das er da in den Armen gehalten hatte.

An Era Awakens (Hayffie)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt