6 - Anziehung

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Ich weiß nicht weshalb ich so ruhig bin. Immerhin habe ich gerade das Schlimmste in meinem ganzen Leben erlebt. Ich habe Angst gehabt. Große Angst. Aber seit dieser unbekannte Mann erschienen ist, ist sie wie weggefegt.

Es hat sich so angefühlt, als würden seine braunen Augen direkt in meine Seele blicken. Es ist einfach so vertraut gewesen. Als ob wir uns ein ganzes Leben lang kennen würden.

Unbewusst schmiege ich mich an seinen warmen Pullover, der unglaublich duftet. Wer ist dieser attraktive Mann und wieso hat er mein Leben gerettet?

Als plötzlich die Tür aufgeht, zucke ich erschrocken zusammen.

"Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken!", sagt der Unbekannte schuldbewusst.

Seine Stimme allein reicht aus, dass ich Gänsehaut bekomme. Wie kann ein Mann nur so unglaublich attraktiv sein? Normalerweise habe ich nie etwas für blondhaarige Jungs übrig gehabt. Sie sind nicht mein Typ gewesen. Ich habe dunkle Haare einfach attraktiver gefunden. Aber nun glaube ich nicht ganz daran. Er ist die Bestätigung dafür.

"Ist das in Ordnung für dich?", höre ich plötzlich wieder seine Stimme. Mir ist bewusst, dass ich vorhin alles ausgeblendet habe und nun keine Ahnung habe, was er gesagt hat.

Er sieht meinen fragenden Blick und ich kann schwören, dass ich für den Hauch einer Sekunde ein Schmunzeln gesehen habe.

"Deine Verletzungen gehören behandelt. Ich will dich zu einem Arzt bringen."

"Ouh. In Ordnung!", sage ich zum ersten Mal etwas. Seine Augen werden groß und er sieht mich einige Sekunden an, ehe er seinen Kopf schüttelt und raubartig auf mich zukommt.
Plötzlich hebt er mich hoch und trägt mich in seinen Armen hinaus.

"Ich kann selber laufen!", sage ich schüchtern.

Er ignoriert meine Aussage und trägt mich einfach weiter. Ich kann deutlich, seinen schnellen Herzschlag spüren. Bestimmt bin ich zu schwer und es überanstrengt ihn.

An einem schwarzen Jeep angekommen, setzt er mich auf den Beifahrersitz und schnallt mich an. Dadurch, dass er sich zu mir runterbeugt, halte ich meine Luft an.

Als er wenige Augenblicke selbst eingestiegen ist, fährt er los.

Die ganze Fahrt über, sagt keiner etwas. Der unbekannte Mann scheint ziemlich angespannt zu sein, weshalb ich selbst kein Wort sagen will.

"Wir sind da."

Als ich aus dem Fenster blicke, runzle ich die Stirn. Ist das ein Krankenhaus? Es sieht eher wie ein Schloss aus. Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken, weil die Tür aufgeht und ich mich plötzlich wieder in seinen starken Armen befinde.

"Was machen wir hier?", frage ich kleinlaut.

Sein Körper spannt sich wieder an und ich habe Angst, dass ich schon wieder etwas falsches gesagt habe. Also senke ich meinen Kopf und beschließe, meine Klappe zu halten.

/A

Mein ganzer Körper ist angespannt. Jedes Mal, wenn ich ihre bezaubernde Stimme höre, bekomme ich eine Art "Aussetzer".

Wie soll ich mich verdammt nochmal von ihr fernhalten? Für uns gibt es keine Zukunft. Ich habe nie nach meiner Erasthai gesucht. Ich habe nicht einmal damit gerechnet, dass ich sie je kennenlernen würde.

Es fällt mir schwer, mich von ihr fernzuhalten. Jetzt, nachdem ich sie gesehen habe. Aber es gibt keine andere Möglichkeit für uns. Die wird es auch niemals geben. Ich muss sie wieder gehen lassen, aber erst nachdem unser Arzt sie behandelt hat.

...

"Adam, wer ist die schöne Frau in deinen Armen?", fragt der Arzt, als wir den Raum betreten.

Ich unterdrücke ein Knurren und lege meine Erasthai auf die die Liege ab, sodass sie aufrecht sitzt.

Per Gedankenübertragung antworte ich ihm: "Sie weiß vielleicht nichts über unsere Art. Erzähl ihr nichts."

"Ich werde sie gleich behandeln. Ich muss nur schnell meinen anderen Patienten versorgen. Kannst du das aushalten, Liebes?"

Die schwarzhaarige Schönheit nickt schüchtern und wenige Sekunden später, sind wir allein.

"Danke. Dafür, dass du mich gerettet hast!", höre ich leise ihre Stimme.

Ich drehe mich zu ihr um und sehe sie mir nun genauer an. Ihre blauen Augen scheinen glanzlos zu sein. Sie sieht aus, als hätte sie wochenlang kein Auge zugemacht. Außerdem ist sie abgemagert und ich habe Sorge, dass sie nicht genug Verpflegung bekommt. Ihre ganze Kleidung ist dreckig und zerissen und es scheint, als wäre sie tagelang unterwegs gewesen.

"Bedank dich nicht dafür."

Ich seufze laut und frage sie neugierig: "Wie heißt du?"

"Sareena."

Sareena. Ein seltener und wunderschöner Name.

"Ich bin Adam. Wo haben dich diese Kerle gefunden?"

Sie zögert und zupft an ihrer Kleidung herum. Beziehungsweise an meinen Pullover. Unbewusst muss ich kurz schmunzeln, denn sie in meiner Kleidung zu sehen, macht mich irgendwie glücklich.

"Im Wald."

"Was zur Hölle machst du in einem Wald?", sage ich unbeabsichtigt ein wenig zu wütend.

"Ich...man hat mich dort abgesetzt. Ich war mit dem Bus auf dem Weg und als ich aufgewacht bin, hat mich der Fahrer sozusagen ausgesetzt."

Ich runzle meine Stirn.

"Ist dir etwas ungewöhnliches passiert?", frage ich nach.

"Nun, da war ein Wolf. Er hat mich angegriffen."

Ich balle meine Hände zu Fäusten. Ein Wolf hat sie angegriffen?

"Was genau ist passiert?"

"Ich habe einen Stein genommen und ihn damit geschlagen. Dann bin ich weggerannt. Irgendwann ist der Wolf stehen geblieben und dann haben mich diese Männer gefunden."

Es ist also schon wieder passiert. Es gibt einige Menschen, die sich als Busfahrer oder als Taxifahrer ausgeben und die Menschen am Waldrand ausetzen. Genau in dem Gebiet der abtrünnigen Wölfe.

Wenn sie sich nicht gewehrt hätte, dann wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet worden. Dieser Gedanke verursacht bei mir eine Gänsehaut. Was, wenn sie gestorben wäre?

"Wo wolltest du hin?"

Sie zögert und ihr Blick wirkt trauriger.

"Weg. Einfach nur weg."

"Bist du von Zuhause weggelaufen?", stelle ich die Hypothese auf.

Als Antwort nickt sie lediglich.

"Wie alt bist du?"

"21."

"Du hast also keinen Ort, an dem du bleiben kannst?"

Sie schüttelt mit ihrem Kopf.

Innerlich kämpfe ich mit mir selbst. Der Gedanke daran, dass sie bis jetzt keinen Dach über den Kopf hat, macht mich wütend. Wenn ich nach ihr gesucht hätte, dann hätte ich dies alle verhindern können. Sie hätte nicht so ein Leben führen müssen.

Aber ich kann nicht in ihrer Nähe bleiben. Die einzige Möglichkeit ist es, ihr weit weg ein Haus zu kaufen. Ihr ein schönes Leben zu ermöglichen und das werde ich auch tun. Hauptsache, sie bleibt mir fern.

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Adam ist etwas ernster als Kaiden, wenn es um seine Erasthai geht.

Aber warum will er sie nicht? Was könnte der Grund dafür sein?

---> nächstes Kapitel: "Abrechnung"

Dangerous Love (Adam & Sareena)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt