45. Kapitel

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Nur ich konnte also diese blöde Markierung sehen. Sonst niemand. Das machte alles nicht besser. Jeder wird mich für verrückt halten, selbst Noah beäugte mich komisch.

„Wieso hat es genau dann geschmerzt, als ich dich angefasst habe?" fragte mich Noah. Nachdenklich blickte ich ihn an. „Raphael mochte es nie, wenn mich jemand anderes außer ihm berührt hatte. Vielleicht könnte es daran liegen. Aber genau erklären kann ich es mir auch nicht." überlegte ich laut. Schweigend saßen wir eine Weile da, bis Noah mich plötzlich angrinste.

„Du bist ja eine Hexe, zeig es mir. Ich will es selbst sehen." mit diesen Worten klatschte er begeistert mit seinen Händen. Zweifelnd sah ich zu ihm „Ich weiß aber nicht, ob ich hier auch Kräfte habe." meinte ich. Noah verdrehte seine Augen und antwortete, dass ich das nur erfahren würde, wenn ich es ausprobiere. Wo er Recht hat, da hat er Recht.

Mein Blick schweifte durch mein Zimmer. Was wäre am besten dazu geeignet zum schweben lassen. Da kam ich auf eine Idee und nahm eines meiner vielen Kissen. Ich zerriss es. Auf meinem ganzen Bett verteilt lagen nun Federn. Langsam schloss ich meine Augen und erinnerte mich zurück an meinen Unterricht. Dann ließ ich die Federn schweben. Ich öffnete meine Augen und genoss den Anblick von den Federn, die sich langsam auf den Boden senkten. Als alle Federn wieder auf meinem Bett lagen, sah ich grinsend zu Noah, der ganz verdattert da saß. Ich konnte also hier auch hexen, was mich echt glücklich stimmte. Es war wohl der erste Moment seit ich wieder hier war, wo ich nicht an Raphael dachte, wo ich nichts als Freude empfand. Doch lange hielt dies nicht an. Schon hatte sich Raphael in meine Gedanken geschlichen und ich wünschte mir ich könnte diesen Moment mit ihm teilen. Aber zugleich wünschte ich mir auch, dass ich wieder ohne ihn glücklich werden konnte. Dieser eine Moment zeigte mir doch, dass es eine Chance gab. Vielleicht keine große aber eine Chance bestand und ich werde alles daran setzen, diese Chance zu nutzen. 

"Silvester, das das war der Wahnsinn!" mit diesen Worten riss Noah mich aus meinen Gedanken. Ja das war es. Nickend stimmte ich ihm zu. Noah bombardierte mich mit Fragen, welche ich versuchte so gut wie möglich zu beantworten. Ich wusste, dass Noah mir jetzt alles glaubte. 

"Noah es ist Zeit, dass du gehst. Silvester muss sich noch ausruhen. Du siehst sie ja e morgen in der Schule." störte uns meine Mutter. Noah verabschiedete sich von uns beiden und ging. Meine Mutter stand weiter noch in meinem Türrahmen und schaute zu mir. "Wie geht es dir Silvester?" wollte sie wissen. Gerade als ich ihr antworten wollte, dass es mir gut ging, unterbrach sie mich "Und sag nicht, dass es dir gut geht ich sehe, dass du Schmerzen hast. Nur weiß ich nicht warum. Das kann nicht alles vom Alkohol kommen, was ist also wirklich passiert?" fragte sie mich. Zweifelnd blickte ich zu ihr. Ich könnte ihr die Wahrheit sagen, aber irgendwie wusste ich, dass das nicht der richtige Weg war. Vielleicht würde sie mir glauben, aber sie würde es zugleich auch nicht verstehen. Niemand konnte es verstehen. Mein Körper will nichts sehnlicheres als Raphaels Körper zu berühren. Meine Gefühle kreisen nur noch an Raphael und ich vermisse ihn so sehr, dass alles einfach nur schmerzte. Und doch kämpfte mein Verstand gegen diese ganze Bindung an. 

"Silvester ich verstehe, dass du mit mir nicht darüber reden willst. Aber ich bin für dich da. Du kannst mit mir reden. Und ich hoffe du verstehst warum der Hausarrest sein muss. Ich hatte solche Angst um dich, ich hatte noch nie so Angst." meinte sie dann. Ich schaute sie lächelnd an und sagte, dass ich ihr nicht böse war. 

"Schlaf jetzt Silvester. Morgen musst du in die Schule." sagte sie und schloss die Türe hinter sich. 

Nun war ich wieder allein. Allein mit meinen Gedanken und mit meinen Schmerzen. Ablenkung tat gut, aber es verhinderte nicht, dass nach der Ablenkung die ganzen Gefühle auf mich niederprasselten. Sie erdrückten mich fast. 

Vielleicht tat mir die Schule morgen ja gut. Ich konnte endlich meine ganzen Freunde wieder sehen. Ich konnte mein normales Leben wieder beginnen und alles andere hinter mir lassen. Ich musste es zumindest versuchen. 

Aber ich wusste tief in meinem Inneren, dass ich keine Chance hatte Raphael zu entkommen. Er hatte mich markiert. 

Alles was ich dagegen tun konnte, war mich zu wehren und zwar mit allen Kräfte und solange bis sie mir ausgehen. 

Lange lag ich noch wach im Bett, versunken in meinen Gedanken. Bis ich irgendwann eindöste nur um wieder aufzuwachen, mich wieder im Bett zu drehen und wieder einzuschlafen. Das zog sich die ganze Nacht durch bis zum Morgen. Als mein Wecker klingelte war ich alles andere als ausgeschlafen und ich wusste, dass ich schrecklich aussah. Doch als ich bei meiner Morgenroutine in den Spiegel sah erschreckte ich mich von mir selbst. Rote geschwollene Augen mit tiefen Augenringen umrundet blickten mich an. Mein ganzes Gesicht war blas und meine sonst so tiefroten Lippen waren ganz hell. 

Nach meiner Morgenroutine begab ich mich in die Küche um zu frühstücken. Ich bekam jedoch keinen Bissen runter. Mir war schwindelig und übel zugleich. 

"Guten Morgen, Silvester. Hast du gut geschlafen?" begrüßte mich meine Mutter, die wohl gerade die Küche betrat. Ich drehte mich zu ihr und schüttelte langsam und vorsichtig den Kopf. "Silvester was ist mit dir? Bist du etwa krank?" mit schnellen Schritten eilte sie zu mir und griff an meine Stirn. "Du bist ja ganz kalt. Leg dich wieder hin. So kannst du nicht in die Schule. Ich mach dir eine Suppe." meinte sie und half mir beim Aufstehen. 

"Ich will keine Suppe. Es geht schon. Ich muss in die Schule. Ich muss mich ablenken. Den ganzen Tag nur im Bett liegen hilft mir auch nicht." antwortete ich. Und so begann eine heftige Diskussion zwischen meiner Mutter und mir. Sie wollte mich nicht in die Schule lassen. Und ich wollte nicht zu Hause bleiben. Wie sollte ich ihr erklären, dass ich nie wieder gesund werden würde? Mein einziges Mittel war alles zu vergessen auch, wenn mir immer mehr bewusst wird, dass ich nichts vergessen oder verdrängen konnte. 

Raphael zog mich zu sich. 

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