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Jeno

Jaemins Auto ist ziemlich vermüllt und vollgestopft, aber dafür hat er sich schon tausend Mal entschuldigt. „Bist du angeschnallt?", vergewissert er sich und ich nicke stumm. Ich habe absolut keine Lust, mit ihm zu reden, aber ein Teil von mir hofft immer noch auf ein Essen mit ihm bei meiner Eomma. Und ich wollte die Chance ausnutzen, einmal vor sechs zuhause zu sein.

Jaemin fährt behutsam an und drückt solange auf irgendwelche Knöpfe, bis leise Musik ertönt. „Was hattest du gerade?", fragt er und der Wagen rollt auf die Straße. „Chemie-Kurs", erwidere ich und eine leere Pfandflasche prallt mir gegen den Fuß, als Jaemin abbiegt. „Oh, wie interessant", lacht er ironisch, „jede Woche?"

Die nächste Ampel ist rot. Na super „Wenn man's versteht, ja. Und du?" Ich hebe einige Flyer auf, die anscheinend schon länger hier liegen. „Fotografie AG. Auch bis halb." Er sieht, wie ich die Heftchen mustere. „Wunder dich nicht, hier lassen alle Mitfahrer ihren Kram liegen. Allen voran Jisoo." Er zeigt auf einige Schminkratgeber und Tipps fürs Abnehmen.

„Oh okay. Soll ich einen Stapel mitnehmen und entsorgen?"

„Bloß nicht! Seit Jisoo einmal fast in Tränen ausgebrochen ist, weil ich ihren Marken-Handspiegel weggeschmissen habe, fasse ich nichts mehr an. Und Renjun hat regelmäßig gemosert, dass seine dumme Truckzeitschrift verschwunden ist."

Seine kleine Rede endet passend mit einer Vollbremsung, weil eine ältere Frau zwischen parkenden Autos aufgetaucht ist. „Alles in Ordnung, Jeno?"

„Ja, alles gut."

Wir lächeln beide der Rentnerin zu, wegen der wir angehalten haben. Sie hat jetzt die Straße überquert und hebt dankend die Hand. Es bleibt still, Jaemin gibt ebenfalls ein Handzeichen und gibt wieder Gas. „Hast du einen Führerschein?"

„Nein, ich bin erst 17. Und uns fehlt das Geld und die Zeit für sowas. Ich muss ja das Haus intakt halten und so."

„Stimmt, du wohnst nur bei deiner Mutter. Ihr steht euch recht nahe, oder?"

„Ja, ziemlich. Und du?", frage ich dann zurück. Wenn meine Antworten so einsilbig bleiben, darf ich vielleicht den Rest der Strecke laufen. „Unser Verhältnis ist... schwierig", weicht er aus. „Oh, verstehe." Wieder einmal bin ich unendlich froh, dass ich meiner Mutter immer alles erzählen kann und sie den Fakt, dass schwul bin, so gut aufgenommen hat. Bei Jaemin war das wohl anders.

Er dreht das Radio ganz leise. „Kannst du mir sagen", fragt er dann leise, „warum du so abweisend zu mir bist, seit gestern Nachmittag?"



„Und dann lädst du mich ein?" Ich schließe die Augen. „Die Aufführung war dir doch wichtig, oder?" Eigentlich logisch, dass er diese Fragen stellt. Und obwohl ich lange darüber nachgedacht habe, finde ich nicht wirklich die richtigen Worte. „Es ist kompliziert", murmele ich deshalb hilflos. „Die Matheaufgaben in der zwölften Klasse sind kompliziert. Bitte, Jeno."

Er klingt bittend und eigentlich hat er eine Antwort verdient. Aber die weiß ich selbst nicht. Als würden sie mir die Antwort liefern, fixiere ich die Flyer und Hefte. Wer den Playboy hier reingelegt hat, will ich lieber gar nicht wissen.

„Mark ist das Stück sehr wichtig", fange ich dann simpel an. Meine genauen Beweggründe will ich Jaemin gar nicht erläutern. „Aber warum auch immer du dich da eingemischt hast – ich will nicht, dass du dich damit befassen musst."

„Lieb von dir, aber denkst du nicht, ich bin alt genug, um auf mich selbst zu achten?"

Ein Teil von mir will sich sofort bei Jaemin entschuldigen und sich mit ihm anfreunden, wegen Eomma, aber ich verschränke nur die Arme vor der Brust. „Würde dir raten, mal das Drehbuch zu lesen." Ich höre mich schnippischer an als geplant und eine eisige Kälte breitet sich im Auto aus. Jaemin seufzt nur und ich bin froh, als wir in meiner Gegend ankommen. „Zur Abwechslung ist Vorbereitung echt mal wichtig."

„Wow, du hast echt ein schlechtes Bild von mir." Jaemin lacht bitter auf.

„Wir sind im selben Mathekurs."

„In Mathe bin ich ja auch extra schlecht!"

Mir fällt kein guter Konter ein, deshalb mache ich ein abfälliges Geräusch und gucke wieder aus dem Fenster.

Er lenkt den Wagen in meine Straße. „Sechs oder sieben?", fragt er, klingt dabei nicht wirklich wütend, sondern eher müde. „Sieben. Aber du kannst mich einfach hier rauslassen." Wir bleiben am Straßenrand stehen. „Wie du meinst", sagt Jaemin leise. „Dann bis morgen."

„Tschüss, Jaemin, und danke fürs Fahren."

Schnell schnalle ich mich ab und steige aus. Jaemins Auto bleibt regungslos, bis ich in der Dämmerung die Haustür aufgeschlossen habe. „Hey, Jeno! Schon da? Bist du geflogen oder was?"

Eomma sieht mich vom Herd aus sofort. Sie rührt in einem Topf herum. Ja, um zehn vor sechs bin ich dienstags normalerweise nie zuhause. Ich gehe zu ihr und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. „Nein, ich wurde gefahren." Überrascht guckt sie mich an. „Wie nett! Von wem denn? Von Jaemin?"

Ich bin zu müde, mir eine andere Antwort auszudenken, deshalb nicke ich schwach.

„Ja. Jaemin."

cheese [nomin]Where stories live. Discover now