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Jeno

Wir abgemacht stehe ich um zwölf Uhr am Sonntag vor dem großen Anwesen, in dem laut Adresse Jaemin mit seiner Familie haust. Ein Kerl öffnet mir, der mir irgendwie bekannt vorkommt. „Hey, du musst Jeno sein. Komm rein!" Während ich meine Schuhe ausziehe, redet er munter weiter: „Ich heiße Jaehyun, wir kennen uns von der Party, erinnerst du dich?"

„Klar." Ich erinnere mich kein Stück an diesen Jaehyun und krame in meinen Erinnerungen, als wir durch einen langen Flur gehen und er weiterspricht. „Jisoo kennst du schon, lass dich von ihr nicht einschüchtern. Wir sind alle ziemlich neugierig, denkt dir bitte nichts."

Verwirrt starre ich auf seinen Rücken. „Neugierig? Jaemin hat doch bestimmt schon öfter wen mit nach Hause gebracht." Wir durchquerem ein zweites Foyer mit Marmorfliesen. Was ist das denn für ein Schloss? „Nein, du bist der Erste. Außerdem ist er fast nie da. Hängt immer bei seinen Kumpels rum."

Wir treten in ein helles, geräumiges Zimmer. Am Tisch in der Raummitte sitzen Jaemin und seine Schwester. Jisoo trägt eine hellblaue Bluse und auf ihrem Gesicht glänzt dezentes Make-Up, während Jaemin wie sein Bruder und ich in einem schlichten Hemd steckt.

„Hey!" Beide lächeln mich an, Jisoo noch ein Stück enthusiastischer als mein ‚Freund'. Jaemin steht auf und gibt mir einen federleichten Kuss auf die Wange. „Jaemin, können wir kurz reden?" Er nickt, nimmt meine Hand und zieht mich in irgendein Nebenzimmer, wo er die Tür zudrückt.

„Ich bin der Erste, den sie kennenlernen?", falle ich direkt hektisch mit der Tür ins Haus. „Mach dir keinen Kopf!", zischt Jaemin. „Erfinde einfach irgendwas Cooles für Jaehyun, was Schnulziges für Jisoo und was Vernünftiges für meine Mutter, und alle lieben dich", rät er mir entspannt. Seine Haare sind nicht nur gekämmt wie meine, sondern auch mit Haarspray bearbeitet. Plötzlich fühle ich mich schäbig.

Mein Seufzen beantwortet Jaemin direkt, indem er die Türe öffnet und meine Hand nimmt, sie einmal fest drückt (keine Ahnung ob drohend oder ermutigend) und mich wieder in die Küche zieht. Dort sitzt Jisoo, mit glattgebürsteten Haaren und gelangweilter Mimik. Jaehyun ist verschwunden.

„Hey, Jeno. Wir kennen uns ja schon. Willkommen in der Familie", lächelt sie mich breit an. Jisoo steht auf Kitsch, das ist mir bei unseren Nachhilfestunden aufgefallen und Jaemin hat mir verraten, dass es noch immer so ist. Eben dieser zieht mir wie selbstverständlich einen Stuhl heran und ich lächle warm. „Danke, Jisoo. Jaemin war auch ziemlich nervös", lüge ich selbstbewusst und nach einer kurzen irritierten Stille brummt der Dunkelhaarige.

„Ich hab gehofft, das erzählst du ihr nicht." Im Improvisationsmodus lässt er den Kopf hängen und nimmt meine Hand schüchtern. „Braucht dir doch nicht peinlich zu sein, das ist süß!" Mark wäre wirklich stolz auf mich, auf uns beide. Aber bevor wir weiter herumkitschen können, quietscht Jisoo schrill auf.

„Ich wusste gar nicht, dass du so ein Romantiker bist", grinst sie ihren Bruder an, „Süß!"

„Wer ist süß?" Jaehyun kommt durch eine Tür, vermutlich ist da die Küche. Er trägt einen Stapel Teller, und schaut Jisoo gestresst an: „Hol doch bitte die Servietten, Kleine." Jisoo steht auf, ein bittersüßes Lächeln auf den Lippen. „Für dich doch alles, Bruderherz. Jaemin ist richtig süß mit Jeno, oh mein Gott! Nomin is real!", flötet sie und sie ist wohl jetzt schon überzeugt von unserer ‚Beziehung'.

Auch Jaehyun lächelt warm. „Ja, Jeno muss echt etwas Besonderes sein", zwinkert er mir zu und fängt an die Teller zu verteilen. „Er macht einen besseren Menschen aus Nana", schwärmt Jisoo übertrieben, vermutlich hat sie diese Phrase aus einem ihrer Liebesromane, die sie früher immer dabei gehabt hat. Ob sie die immer noch liest?

Jaehyun verdreht die Augen und Jaemin will etwas, sagen, da ertönt streng und herrisch, aber doch minimal belustigt eine laute Frauenstimme: „Na hoffentlich bringt er Jaemin auch zum Lernen! Hallo Jeno. Ich bin Sihyeon, die Mutter von Jaemin. Nett, dich kennen zu lernen."

Ihre dunklen Haare liegen im Gegenteil zu Jisoos nicht lose auf ihren Schultern, sondern sind ordentlich in einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Ihr schwarzer Hosenanzug macht sie wahnsinnig anmutig und selbst mit dem Topf in der Hand sieht sie furchteinflößend und autoritär aus. Unbewusst zerquetsche ich Jaemins Hand, dieser antwortet mit einem beruhigenden Streicheln über meinen Handrücken, und schlucke, ehe ich mir ein freundliches Lächeln aufs Gesicht zwinge und aufstehe. Ich verbeuge mich vor der Frau, deren Lächeln aussieht wie aufgemalt, und stelle mich höflich vor.

cheese [nomin]Where stories live. Discover now