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Jeno

„Und dann hat mich einfach geküsst. Auf den Mund! Kannst du das glauben?" Es ist Freitag, und seit Mittwoch bin ich sowohl Jaemin erfolgreich aus dem Weg gegangen als auch Mark gegenüber schweigsam gelieben. Nach Hause gefahren sind wir heute nicht wie üblich mit den anderen, und laut Mark diskutiert halb Twitter gerade, warum wir uns ignorieren.

Recht beliebt ist die These, dass ich eifersüchtig bin – auf wen bitte? -, aber das Gerücht, dass Jaemin mit dieser Soojin etwas hatte, führt eindeutig. Jaemin selbst leidet ziemlich wegen dieser ganzen Sache. Dass er es schade findet, nicht mehr mit mir diskutieren zu können, bezweifle ich stark. Allerdings scheinen ihm die ganzen Anschuldigungen ziemlich zuzusetzen, und rational betrachtet ist es irgendwie auch meine Schuld.

„Endlich." Mark fummelt ein paar Erdnüsse aus der Dose. „Hab ich auch schon oft fast gemacht." Ich blinzele, halb verwirrt, halb geschockt. „Mich geküsst?" Er nickt, als wäre es selbstverständlich. Die ganzen Erdnüsse kippt er sich in den Mund. „Klar."

„Ähm, du bist lieb und nett, aber das wäre... weird."

„Igitt, nein!"

„Gut." Ich stopfe meinen Mund voll. Weil Mum noch arbeiten ist und wir keine Lust hatten zu kochen, waren zwei Fruchtzwerge unser Abendessen und die machen echt nicht satt. „Warum dann?"

„Weil es nervt. Ständig dieses ‚Mimimi, erster Kuss'. Ich liebe dich echt, Alter, aber deswegen hätte ich dir schon öfter fast eine geklatscht." Mark schenkt mir einen entschuldigenden Blick. „Oder mich geküsst", ergänze ich nachdenklich. Mir ist nie aufgefallen, wie nervtötend ich damit gewesen bin.

„Diese geniale Idee kam mir erst neulich. Und jetzt hat Jaemin das ja zum Glück übernommen, denn scharf darauf wäre ich wirklich nicht gewesen", sagt er ungetrübt. „Und was er dafür alles riskiert hat, Respekt man."

„Wie meinst du?"

„Naja überleg mal: Er lässt sich seit Tagen als untreue Schwuchtel beschimpfen und das nur, weil du deinen Mund nicht aufbekommst. Da wundert es mich nicht, dass er bei Theater nicht da war."

Mark frisst weiter und ich starre schockiert auf den Fußboden meines Zimmers. „So habe ich das noch nie gesehen. Ich hab immer nur auf meine eigenen Gedanken geachtet. Fck, ich muss ihn anrufen!" Mark rappelt sich auf, nachdem er mir gegen den Oberschenkel geschlagen hat. „Ihr müsst echt miteinander reden. Wir schreiben morgen, ich gehe noch zu Minhee."

„Ist gut. Danke, Mark", lächele ich und er erwidert mein Lächeln. Dann fällt sein Blick auf die Uhr. „Wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch zur zweiten Hälfte ihrer Aufführung. Kann ich dein Fahrrad haben?" Entgeistert blicke ich ihn an. „Du hast ihr Theaterstück für mich sausen lassen?"

„Klar. Ich habe meine Prioritäten. Mir ist halt was Wichtiges dazwischengekommen."

„Du bist der Beste. Jetzt nimm mein Fahrrad und beeil dich!"

Er grinst dankbar und hebt die Hand zum Gruß, bevor er meine Tür zuschlägt und die Treppe herunterrumpelt.

cheese [nomin]Where stories live. Discover now