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Jeno

Ich schlage auf meinen Boxsack ein. Die Audio von Jaemin, die ich problemlos meiner Mutter hätte zeigen können (denn Jaemin erwähnt in den gesamten zehn Minuten nichts, was auch nur im Entferntesten von unserer offiziellen Beziehung abweicht), hat mich gestern Abend zwar etwas getröstet, aber trotz der Reue in Jaemins Stimme habe ich – oder er, oder wir – die Grenzen überschritten und unser Verhältnis durch den Alkohol komisch gemacht.

Wie er auch so schön gefaselt hat, obwohl viele seiner Sätze zusammenhangslos waren.

Die Grenzen sind überschritten, ganz egal wer daran schuld war – WENN überhaupt jemand Schuld trug, denn offiziell führen wir eine Beziehung. Ich sollte einfach akzeptieren, dass meine erste Beziehung und mein erster Kuss auf einen dämlichen Deal gefolgt ist, der irgendwie jetzt schon anders läuft als geplant.

Frustriert hämmere ich auf de Boxsack ein, als es klopft.

„Jo", rufe ich und wider Erwarten ist es nicht Eomma, die nichtsahnend ins Zimmer kommt. „Alter, bist du durchtrainiert!", entfährt es Jaemin und er hebt sich die Hand vor die Augen. Panisch halte ich mir meinen Pyjama vor die Brust. „Hättest du nicht schreiben können?", entgegne ich gereizt.

„Keine Zeit", entschuldigt sich der Andere, nimmt die Finger wieder von seinem Gesicht, „Ich musste Hyuck noch erklären, dass meine Nachprüfung in Mathe nur ein Traum war. Und du hast einen langen Tag vor dir."

„Die Nachprüfung wird bald zur Realität, wenn du nicht bald lernst. Willst du kurz hier warten?" Ohne auf eine Antwort zu warten, ziehe ich mir frische Klamotten aus dem Schrank.

„Du kannst auch runter zu Mum, gib mir zehn Minuten."

+++

Als ich aus dem Bad trete, höre ich sofort Mums und Jaemins Lachen. Unten angekommen sehe ich die beiden wie beste Freunde auf dem Sofa sitzen, Jaemin mit einem Kaffee in der Hand und meine Mutter mit einem Kinderbuch von mir. „Hey Schatz! Ich habe Jaemin gerade das BFF-Buch gezeigt, das dir Mark in der siebten Klasse geschenkt hat. Setz dich zu uns, wir sind fast durch!"

Glücklich grinsend wartet sie, bis ich neben Jaemin Platz genommen habe, dann tippt sie auf ein Foto, auf dem Mark und ich in Superhelden-Kostümen stecken. „Weißt du noch, euer erstes gemeinsames Fasching?"

Ich nicke, wohlwissend, was auf der nächsten Seite folgen würde. Jaemin tätschelt meinen Kopf. „Ihr wart echt süß", gibt er schmunzelnd zu. „Naja, und damit du das auch weiter glaubst, gehen wir jetzt besser." Tatsächlich sieht es gut aus, Jaemin steht widerwillig auf, aber natürlich muss Mum genau das Falsche machen:

Neugierig blättert sie weiter und aus dem Augenwinkel sehe ich die roten, schrecklichen Kleider, in die wir zu Marks 13. Geburtstag hineingeschlüpft sind. Beide Kleider waren von Mum, und zum Glück sind sie beide nicht wertvoll gewesen, denn beim Ausziehen habe ich mehrere Knöpfe aufgerissen und Mark einen fetten Riss verursacht, als er mit dem Fuß hängen geblieben ist.

Ich atme aus, weil Jaemin das Bild nicht sieht, doch da quietscht Eomma auf und Jaemin dreht sich neugierig um. „Marks Geburtstag", bemerkt sie gerührt. Ich werfe einen kurzen Blick auf das verwackelte Selfie von zwei Jungen in Kleidern – Mark hat sich sogar HighHeels angezogen, aber das sieht man auf dem Bild glücklicherweise nicht – und ziehe grob an Jaemins Ärmel.

„Wir müssen jetzt wirklich los."

Jaemin schnappt sich seine Jacke. „Jeno, das ist doch nicht schlimm. Du warst niedlich! Tschüss Yongsun!" Aus dem Wohnzimmer kommt ein Gruß zurück, und ein „Viel Spaß!"

cheese [nomin]Where stories live. Discover now