Jeno
Gegen halb vier fährt Jaemin mich noch nach Hause. „Hätte nicht gedacht, dass du so kreativ bist", stichelt er. „Dass wir gemeinsam ein Lateinprojekt machen glaubt doch trotzdem keiner", schnaube ich beleidigt. Der Wagen ist noch immer frei von Müll, was mich ein wenig verwundert. „Du hast nicht mal Latein."
Jaemin trommelt an einer roten Ampel grinsend gegens Lenkrad. „Aber das weiß meine Mutter doch nicht." Bedrückt denke ich an meine Mum, die ausnahmslos immer mit mir Französischvokabeln gelernt hat, bis ich es abwählt habe. Jaemins Geschwister und er haben wohl nicht wirklich ein enges Verhältnis mit Sihyeon.
„... Problem, oder, Jeno?"
In Gedanken über Jaemin und seine Mutter habe ich irgendeine Frage von Jaemin verpasst. „Tut mir leid, was?", frage ich leicht beschämt nach. Jaemin lächelt und wirft mir einen kurzen Blick zu. „Mach dir keinen Kopf, meine Mutter ist angetan von dir. Du warst gut heute, Hase." Das letzte Wort fügt er grinsend hinzu und ich stöhne auf. „Alter, ich hasse dich. Woher willst du überhaupt wissen, ob sie mich mag?"
„So ein Gefühl. Und Jaehyun hat vorhin mit mir geredet, als du auf dem Klo warst." Er schaut konzentriert auf die Straße, aber bei genauem Betrachten kann man eine Spur von Zufriedenheit in seinem Gesicht erkennen. „Ahh", mache ich und sehe aus dem Fenster. „Nochmal: Deine Eomma ist zuhause, oder?"
„Ja, wieso?"
„Was dagegen, wenn ich noch kurz mit rein komme?"
„Denkst du, du musst, wegen meiner astreinen Lügen oder was?"
„Nein, gar nicht. Mark hat doch am Freitag was erzählt. Außerdem kriegt man bei Yongsun bestimmt was zu essen"
Ach ja, Marks Schilderung von Eommas Geschwärme über den ‚reizenden Jungen' habe ich schnell unterbrochen, weil das die anderen wirklich nichts angeht. Und Jaemin würde das nur unter Druck setzen. Trotzdem siegt in meinem Kopf die Vorstellung, dass Jaemin sich wegen meiner ausgezeichneten Improvisation dazu verpflichtet fühlt.
„Kannst gerne mit rein. Wenn wir nochmal Händchen halten", sage ich. „Die freut sich bestimmt, dich zu sehen." Der Andere fährt in meine Gegend. „Hat Mark sonst noch irgendwas Wichtiges geplappert am Freitag? Ich hab nicht wirklich zugehört." Jaemin schnaubt und lenkt behutsam in eine Spielstraße. „Habe ich auch kaum, der hat die gesamte Fahrt über geredet."
Wir kommen in meine Straße und selbstbewusst parkt Jaemin vor meinem Haus. „Bereit, Hase?", fragt er, wir schnallen uns ab.
„Wetten, sie bietet dir einen Kaffee an?", wisperte ich, nachdem Jaemin geklingelt hat. Das wird eine schöne Überraschung für sie. „Dazu sage ich nicht nein. Sieh es als Gegenleistung für vorhin", raunt er. Also doch, denke ich und höre einfach nur zu, wie Eomma die Tür öffnet und Jaemin direkt seinen Charme ausspielt.
Der Unterschied zwischen Mum und Sihyeon ist riesig. Bei seiner eigenen Mutter ist Jaemin wie auch seine Geschwister kerzengerade gesessen und hat nur etwas gesagt, wenn er angesprochen wurde. In unserem Wohnzimmer sitzt er entspannt neben mir auf der Couch, den rechten Arm hinter mir auf der Lehne, den linken auf dem Schoß und gelegentlich nach seiner Kaffeetasse greifend, und unterhält sich mit Eomma.
Natürlich hat sie ihm Kaffee angeboten, was auch sonst. Irgendwie bin ich doch ziemlich froh, dass die beiden sich so gut verstehen, an die geplante Trennung – wann auch immer die ist – will ich nicht denken, es ist alles perfekt gerade. Lächelnd höre ich Jaemins verharmlosten Schulstorys und Eommas Kichern zu und komme erst wieder in der Realität an, als Jaemin auf mein Bein schlägt.
In seiner erfundenen Geschichte unseres Kennenlernens (ähnlich der superkitschigen, realistischen Lüge, die ich mir vorhin für Sihyeon und Jisoo aus dem Ärmel geschüttelt habe) fange ich Mums Blick auf, sie grinst glücklich und wissend.
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cheese [nomin]
Fanfiction„Wir sehen uns später, Jaemin." „Bis dann. Willst du noch einen Kuss?" „Übertreib's nicht, Alter." „Sei froh, dass ich dir noch keinen Kosenamen gegeben habe." „Fick dich." „Fick dich selbst."