𝗺𝗮𝗿𝘃𝗲𝗹 𝗼𝗻𝗲𝘀𝗵𝗼𝘁𝘀

Kapitel 97 - Shang-Chi

⚠️offensichtlich SPOILER für «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings»⚠️

Es war geschafft. Ihr hattet es geschafft. Gemeinsam habt ihr den Seelenfresser getötet. Um dich herum brechen alle in Jubel aus, fallen sich um den Hals. Die eigentlich verfeindeten Parteien jubeln gemeinsam. Dir fällt ein Stein vom Herzen, als du siehst, wie die Große Beschützerin Xialing und Shang wieder am Ufer absetzt. Eure Blicke kreuzen sich und er sieht auch erleichtert aus, als er dich größtenteils unversehrt sieht. Shang kommt auf dich zu gerannt und schließt dich in seine Arme. „Geht es dir gut?" flüstert er in dein Ohr und du nickst, als du wieder etwas Abstand zwischen euch bringst. Er lächelt dir kurz zu bevor er auch Katy umarmt und du das selbe mit seiner Schwester machst.

An diesem Abend verabschiedet ihr euch alle gemeinsam von denen, die ihr Leben geopfert haben, damit ihr leben könnt. Die, die tapfer an eurer Seite gekämpft haben. Seite an Seite steht ihr am Ufer und schaut den kleinen Laternen hinterher, wie sie friedlich auf dem See schwimmen. Obwohl die Stimmung sehr melancholisch ist, hat der Moment etwas Erleichterndes für dich.

Du bist gemeinsam mit Shang und Xialing bei den 10 Ringen aufgewachsen. Nachdem ihre Mutter gestorben ist, musstest du mit ansehen wie Shang immer mehr nach den Vorstellungen seines Vaters groß gezogen wurde und du mit seiner Schwester immer weniger Beachtung bekamt. Mit 14 Jahren schickte er ihn auf seine erste Mission. Du wusstest sofort, dass er die Möglichkeit ergreifen würde, um der Kontrolle seines Vaters zu entkommen. Xialing war zu dem Zeitpunkt erst 8 Jahre alt. Sie konnte es sich nicht direkt zusammenreimen. Doch nachdem ihr gemeinsam mehrere Jahre auf seine Rückkehr gewartet habt, war auch ihr bald klar, dass er euch zurückgelassen hatte. Glücklicherweise gelang es euch ebenfalls mithilfe eines geheimen Tunnelgangs zu fliehen und in Macau habt ihr einen Kampfclub gegründet. Xialing lag schon von Anfang an mehr daran, den «Golden Daggers Club» aufzubauen, als dir. Sie wollte am liebsten mit ihrem ganzen alten Leben abschließen, ihren Bruder mit einbezogen. Du allerdings konntest ihre Wut nie wirklich nachvollziehen. Natürlich, er hat euch zurückgelassen. Aber Wut? Nein... Vielmehr war es tiefe Enttäuschung, die du fühltest. Nach ein paar Jahren hast du es nicht mehr ausgehalten und hast Shang ausfindig gemacht. Unter seinem neuen Decknamen „Shaun" lebte er in New York. Am Anfang hast du ihn nur ein paar Mal besucht, doch irgendwann bist du vollkommen nach New York gezogen. Xialing hat es dir nicht verübelt.

Ein gezischtes „d/n" von deiner linken Seite sowie ein Ellenbogen in deine rechte Seite lassen dich aus den Gedanken schrecken. Katy und Xialing schauen dich belustigt an. „Shang ist gegangen" wiederholt erstere und grinst dich an. „Ja und?" fragst du verdutzt. „Er wollte in Ruhe gelassen werden. Aber ich habe das starke Gefühl, dass sich das nur auf mich und Katy bezogen hat" erklärt dir Shang's Schwester. Ein Schmunzeln kann sie sich nicht verkneifen. Für sie war schon zu dem Zeitpunkt, als du sie in Macau gelassen hast und zu ihm nach New York gezogen bist, klar gewesen, dass zumindest du mehr für ihn empfindest als Freundschaft. „Er hat bestimmt uns alle drei gemeint. Und ich möchte ihn nicht nerven, wenn er alleine sein will" murmelst du und blickst wieder auf die Oberfläche des Sees. Die Sterne des Nachthimmels spiegeln sich in dieser. „D/n" hörst du Xialing hinter dir seufzen und dann spürst du ihre Hand auf deiner Schulter. „Ich kenne meinen Bruder. Er wird dich brauchen. Wir leben in einer Welt, wo mit einem Fingerschnipsen die Hälfte der Menschheit ausgelöscht werden kann. Alles ist möglich. Also genieß den Augenblick und bewegt deinen süßen Arsch jetzt endlich zu ihm." Katy muss sich zurückhalten, um nicht loszulachen und auch dir hat sie ein Grinsen auf die Lippen gezaubert. Mit ihren neckenden, aber auch gleichzeitig wahren Worten... Seufzend drehst du dich um und machst dich ohne ein weiteres Wort auf den Weg, Shang zu suchen.

Etwas abseits siehst du ihn am Ufer sitzen. Er hat die Knie an seine Brust gezogen und den Kopf in seinen Händen verborgen. Vorsichtig näherst du dich ihm. „Shang?" kündigst du dich leise an. Er hebt seinen Kopf ruckartig und wirft einen Blick über die Schulter. „D-Darf ich mich zu dir setzen? Oder möchtest du lieber alleine sein?" fragst du ihn. Als keine Antwort kommt, lässt du dich einfach neben ihm ins Gras fallen. Eine Weile sitzt ihr einfach nur da, schaut in die Ferne und genießt den lauen Wind, der euch durch die Haare weht. „Es hätte keinen anderen Weg gegeben, oder? Er musste sterben..." sagt Shang irgendwann mit belegter Stimme und dreht seinen Kopf zu dir. In seinen Augen spiegeln sich Tränen und es ist tatsächlich das erste Mal, dass du ihn so verletzt siehst. „Ja, ich denke schon" antwortest du ihm. Auch deine Stimme zittert ein wenig. „Er ist für dich gestorben. Damit ihr die Seelenfresserin besiegen könnt. Du hättest ihn nicht vorher zur Vernunft bringen können, er war besessen davon, deine Mutter zu befreien. Von einem Ort, wo sie nicht von befreit werden muss." Er nickt langsam und legt dann seinen Kopf auf deine Schulter. „Es tut mir leid für dich, Shang" sagst du leise. Stumm schaut er geradeaus. Wieder herrscht einige Minuten Stille.

„Danke, dass du für mich da bist. Es schon immer warst" murmelt er irgendwann. Lächelnd greifst du nach seiner Hand und fährst zärtlich über seinen Handrücken. „Immer" sagst du leise.

„Ist alles okay bei euch?" hörst du Katy's Stimme hinter euch. Du zuckst zusammen und lässt schnell seine Hand los, bevor ich euch beide umdreht. Xialing steht neben Shang's bester Freundin und schaut auf euch hinab. „Es geht schon" antwortest du mit einem Seitenblick zu Shang. Dieser steht auf und nimmt seine Schwester fest in den Arm. Aus Reflex will sie sich wehren, doch als sie merkt, wie gut es ihr tut, lässt sie es zu. Der Tod ihres Vaters ist auch an ihr nicht ohne Spuren vorbeigegangen. „Ying hat gesagt, dass ein paar Dorfbewohner so nett waren und uns eine Hütte freigemacht haben. Sie ist zwar klein und hat nur zwei Schlafzimmer, aber es wird genügen" erzählt Xialing. Mit einem vielsagenden Blick schaut sie auf Shang's Arm, welcher auf deiner Hüfte ruht. Wann hatte er den dorthin gelegt? „Xialing und ich teilen uns dann wohl das eine von den beiden Schlafzimmern" fügt jetzt auch Katy grinsend hinzu und klatscht sich lachend mit ihrer "Partnerin in crime" ab, bevor beide euch zurücklassen.

Ratlos bleibt ihr stehen. Shang's Hand auf der Höhe deines Hüftknochens lässt dein Herz ein bisschen höher schlagen, vor allem nachdem dir die ganze Situation bewusst wird. „Lass uns wieder zurückgehen" schlägt er vor und du nickst stumm. Deiner Stimme traust du im Augenblick nicht so ganz. Wie selbstverständlich greift Shang nach deiner Hand und verschränkt sie mit deiner, als ihr Seite an Seite durch die Nacht lauft. Euch kommt seine Tante entgegen, welche sich ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen kann, als sie euch Händchen-haltend sieht. „Die Hütte da hinten rechts ist für euch. Katy und deine Schwester sind schon schlafen gegangen" sagt sie an seinen Neffen gewandt. Dann grinst sie dich an. „Pass gut auf ihn auf, ja?" fragt sie und du nickst lächelnd. „Werde ich machen" versprichst du ihr.

Wie Shang neben dir rot wird, bekommst du gar nicht mit. Ihr bleibt dort stehen, wo ihr vor nichtmal einer Stunde, die Lichter auf den See gleiten lassen habt. Diesmal bist du diejenige, die ihren Kopf auf seiner Schulter ablegt, während er wieder einen Arm um dich legt. „Deine Schwester wusste es schon lange vor mir. Als ich in Macau jeden Tag von dir sprach und dich dann schließlich ausfindig machte, ahnte sie es. Spätestens als ich ihr sagen wollte, dass ich zu dir ziehe, wusste sie es. Und auch Katy hat mich am ersten Abend zur Seite genommen, und mich gefragt, wie lange wir schon zusammen sind. Wir seien so vertraut und glücklich miteinander, wie ein frisch verliebtes Pärchen. Nur es dir ins Gesicht zu sagen, das habe ich mich nie getraut" gestehst du ihm. „Also erstens hast du das gerade mehr oder weniger gemacht und zweitens wäre das gar nicht nötig gewesen. Ich bin zwar etwas dumm, wenn es zur Abänderung von Namen geht, aber blind bin ich nicht. Und ja, vielleicht hat Katy auch mit mir gesprochen." Überrascht schaust du ihn an.

Er wusste die ganze Zeit, was du für ihn fühlst?! Aber warum hat er nie mit dir geredet? Dafür gab es eigentlich nur einen logischen Grund...

„Oh nein, ich kenne diesen Blick!" ruft Shang entsetzt, als er dich anschaut. „Denk' jetzt bloß nicht, dass ich dich nicht lieben würde." Unsicher erwiderst du seinen Blickkontakt. „Warum solltest du dann nicht mit mir reden?" willst du mit zittriger Stimme wissen. Diesmal hast du einfach nur Angst vor seiner Antwort. „Ich-... Weißt du, wir-. Ach weißt du was, vergiss es." Und dann küsst er dich.

Seine Hände sind in deinem Nacken verschränkt, als er dich zu sich zieht und seine Lippen verlangend auf deine presst. Deine zuerst weit aufgerissenen Augen sieht er gar nicht, doch dass du ihn nach ein paar Sekunden erleichtert und überglücklich zurück küsst, dass spürt er. Wie deine Hände durch seine Haare fahren, bevor ich euch seufzend voneinander löst. „Verzeih mir, dass ich das nicht früher gemacht habe" murmelt er gegen deine Lippen und verbindet sie dann gleich wieder. So steht ihr mindestens ein paar Minuten am Rand des Sees, küsst euch und blendet alles um euch herum aus. Irgendwann löst du dich endgültig von ihm. „Shang..." flüsterst du leise. Deine Sinne sind benebelt von den Hormonen, die durch deinen Körper fließen. Und auch er scheint etwas durcheinander. „Lass uns schlafen gehen" meinst du und ziehst ihn am Arm in Richtung "eurer" Hütte.

Xialing und Katy sitzen an einem runden Tisch in der Mitte des Raumes, beide mit einer Flasche in der Hand und einem Kartenspiel auf dem Tisch. Als sie seine zerwühlten Haare und deine roten Wangen sehen, grinsen sie vielsagend. Euch ist das egal. Nach einem flüchtigen „Gute Nacht" verzieht ihr euch in euer Zimmer. Dabei wäre vermutlich die Nacht noch viel besser geworden, wären die zwei nicht im nur durch eine dünne Holzwand getrennten Zimmer nebenan gewesen.