Kapitel 30

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Gwendolyn: Das Gespräch mit meinen Eltern hat mir echt gut getan und sie haben mir wieder etwas Mut gegeben, trotzdem mache ich mir immer noch große Vorwürfe.

Leider war ich immer wieder in Belvue und muss schauen, wie ich jetzt ins Krankenhaus zurück komme, da kommt mir eine Idee. Ich hole mein Handy heraus und rufe sofort meine beste Freundin an, welche auch sofort ran geht: "Gwenny, ist alles okay? Was ist passiert?"

"Leslie, es ist alles okay. Ich bin nur gerade in Belvue, also da wo ich und Gideon zurückgesprungen sind und müsste zurück ins Krankenhaus. Könntet ihr mich vielleicht abholen?", bitte ich sie.
"Natürlich, wir sind in 5 Minuten da", sagt sie und legt auch kurz darauf auf. Es dauert nicht mal fünf Minuten, wenn gerade mal 4, da sind Raphael und meine beste Freundin schon da und stürmen in das Haus.

"Gwenny?", ruft sie und ich antworte ihr: "Im Wohnzimmer." Kurz darauf sehe ich auch schon die beiden, wie sie zu mir gerannt kommen.
"Geht es dir gut?", frägt mich meine beste Freundin, während sie mich stürmisch umarmt. Einen kurzen Moment muss ich leicht aufstöhnen, weil mein Rücken schon weh tat und Leslie löst sich sofort von mir: "Hab ich dir weh getan?"
"Nein, alles gut. Mein Rücken zieht noch etwas", erkläre ich ihr.
"Tut mir leid", entschuldigt sie sich sofort.
"Es ist nicht deine Schuld", seufze ich und ich spüre, wie schon wieder Tränen in meine Augen steigen.
"Aber auch nicht deine. Nichts von alldem hier ist deine Schuld", redet sie auf mich ein und ich nicke tapfer, auch wenn es sich nicht so anfühlt.

"Können wir los?", möchte Raphael nun wissen. Ich nicke und erkläre: "Mein Rollstuhl ist nicht mit in die Vergangenheit gesprungen."
"Kein Problem. Ich trage dich, wenn es für dich okay ist." Dankend nicke ich und Raphael nimmt mich im Brautstyle auf seine Arme.

"So musst du Leslie aber auch irgendwann tragen", kommt es mit einem Lächeln von mir und ich höre die beiden schmunzeln.
"Gideon wird dich auch noch so tragen, dass verspreche ich dir", sagt er zu mir und automatisch stelle ich es mir vor.
"Ich denke, dass wird er öfter machen", schmunzle ich.
"Oh ja, da bin ich mir sicher. Irgendwie seh ich euch beide, wie er dich so durch euere Wohnung trägt", sagt Raphael lachend und Leslie und ich stimmen mit ein.

Zum ersten Mal fühle ich wieder Glück, Mut und Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Mittlerweile sind wir am Auto angekommen und er setzt mich nach hinten, dann steigt er mit Leslie vorne ein und wir fahren los.

Währenddessen schreibe ich Mum eine Nachricht: Wir sind auf dem Weg, kannst du bitte mit Lydia den Rollstuhl unauffällig auf den Parkplatz schieben? Nachdem ich diese Nachricht abgeschickt habe, hänge ich meinen eigenen Gedanken hinterher und blicke verträumt aus dem Fenster.

Kurz danach kommt auch schon eine Nachricht zurück: Natürlich, wir kommen gleich raus. Danach können wir ja noch einen kleinen Spaziergang machen, es ist so ein herrliches Wetter. Da hat sie allerdings recht und ich stimme ihr auch sofort zu.

Es dauert nicht lange, da kommen wir auch schon an und die anderen helfen mir in den Rollstuhl. Ich nehme meine Tochter auf den Arm und Grace schiebt mich durch den kleinen Park.
"Wie geht es den beiden?", fragt Mum mich.
"Ihnen geht es soweit ganz gut, aber sie machen sich auch schreckliche Sorgen", erzähle ich ihnen.

"Was ist eigentlich mit William passiert?", möchte Raph wissen.
"Er ist noch mit in die Gegenwart meiner Eltern gereist, aber da Gideon und ich bewusstlos waren, konnten wir ihn nicht mitnehmen. Ich überlasse dir die Entscheidung, ob du ihn in dieser Zeit oder ob meine Eltern ihn begraben sollen", sage ich traurig.
"Könntest du ihn das nächste Mal irgendwie hier her bringen? Ich möchte mich gerne richtig von ihm verabschieden und ich bin sicher, dass Gideon auch die Grabstädte sehen will, wenn er wach ist", bittet er mich.

"Mach ich. Es tut mir leid, dass ich ihn da mit rein gezogen habe und er deshalb ums Leben gekommen ist", entschuldige ich mich bei ihm, immerhin war es sein Onkel.
"Jeder stirbt irgendwann und so war sein Tod nicht unbedeutend", meint Raphael nur achselzuckend, aber man sieht ihm an, dass ihm das ganze schon unter die Haut geht.

Wir gehen noch eine Weile spazieren und unterhalten uns über alles mögliche, bis wir beschließen wieder rein zu gehen. Ich merke, wie schwer es den anderen fällt, Gideon aber auch mich anzusehen und dabei positiv zu denken. Sie sind ebenso wie ich mit dieser ganzen Situation einfach überfordert, die einzige die wirklich noch lacht ist mein kleiner Engel.

"Daddy, Daddy", ruft sie die ganze Zeit aus, seit wir wieder in dem Zimmer sind und am liebsten würde ich sie einfach in seine Arme legen, aber ich habe auch Angst davor. Es nützt allerdings nichts, denn sie gibt einfach keine Ruhe und so wage ich den Versuch, ich setze sie auf das Bett ihres Vaters.

Sie schmiegt sich sofort ihn, als wäre diese Situation ganz normal und schläft nach kurzer Zeit sogar ein. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich nur daran denke, dass er das alles vielleicht gar nicht mitbekommt.

"Ich geh mal kurz in die Cafeteria", sage ich zu den anderen und verlasse das Krankenzimmer. Dieser Anblick und die Schuldgefühle übermannen mich und ich muss einfach kurz raus da. Leider geht mein Plan nicht ganz auf, denn meine beste Freundin kennt mich zu gut und folgt mir, dann nimmt sie mich einfach in den Arm.

"Was ist denn los?", fragt sie mich besorgt.
"Diese scheiß Hormone", antworte ich ihr und sie muss sich allem Anschein nach ein Lachen verkneifen, aber mir ist gar nicht nach lachen zumute.
"Ich hätte ihn früher befreien müssen. Einfach an dem Tag, als er entführt worden ist", erkläre ich ihr meine Schuldgefühle.
"Du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht möglich war", erwidert sie: "Die Wachen waren da einfach viel mehr und dass ihr ein paar Tage später da hin gereist seit, war besser."

"Ein paar Tage? Wir sind eine ganze Woche später aufgetaucht und was war daran besser? Nichts! Gideon liegt im Koma und ich kann nie wieder laufen!", beginne ich zu weinen: "Ich hätte das niemals zulassen dürfen. Hätte ich nur ein wenig mehr Selbstdisziplin, wäre ich damals getrennt von ihm geblieben und das alles wäre nicht passiert."
"Ja und dann? Ihr beide wärt unglücklich und die Loge wird deswegen nicht aufhören, für ihr Ziel zu kämpfen. Das meinst du doch nicht ernst Gwenny", sagt sie zu mir: "Die Lage scheint vielleicht gerade aussichtslos, aber es lichtet sich bestimmt bald wieder. Zusammen findet ihr immer eine Lösung."

"Ich bin froh, dass ich dich habe", erwidere ich wahrheitsgemäß. "Ich bin auch froh, dass du meine beste Freundin bist", stimmt sie mir froh, dann gehen wir wieder zurück auf mein Zimmer. Die anderen mustern mich besorgt, als warteten sie nur darauf, dass ich zusammenbreche, aber das wird nicht passieren weil ich stark bin und voller Hoffnung.

Nach einer Weile gehen alle wieder, aber sie versprechen bald wieder vorbei zu schauen und wieder bin ich mit meinem Freund alleine. Diesmal gehe ich im Rollstuhl zu ihm rüber und greife nach seiner Hand.
"Bitte wach auf mein Schatz", bitte ich ihn schniefend: "Tu es für unsere kleine Familie. Du musst einfach durchhalten. Ich kann ohne dich nicht leben und unsere Tochter braucht doch auch ihren Vater. Bitte! Ich darf dich nicht verlieren, du darfst nicht aufgeben. Kämpf weiter und wach bald auf."

Ich drücke seine Hand gegen meine Wange und fahre mit der anderen durch seine Haare. Wenn man sich die Schläuche wegdenkt, sieht er so aus als würde er friedlich schlafen und jeden Moment aufwachen.
Er wird aufwachen, rede ich mir in Gedanken selbst gut zu und muss dann irgendwann eingeschlafen sein.

Am nächsten Tag werde ich nämlich von einem leichten Rütteln an meiner Schulter geweckt und ich schrecke aus meinem traumlosen Schlaf hoch. Schnell sehe ich zu Gideon, dann zu der Person die mich geweckt hat und frage: "Wie spät ist es?"
"Es ist fast 10 Uhr morgens. Ich wollte einfach mal nach euch beiden sehen", antwortet meine beste Freundin und ich nicke ihr zu.
"Hat sich irgendwas geändert?", möchte sie wissen, doch ich schüttle nur den Kopf und sehe ihn wieder besorgt an.

"Findest du nicht auch, dass er ohne diese Schläuche so friedlich schlafend aussieht?", eröffne ich meine Gedanken.
"Ja, er denkt wahrscheinlich gerade an dich oder Lydia", versucht sie mich aufzubauen und ich sehe sie dankend an.

"Bleibst du hier, dann würde ich gleich elapsieren? Ich möchte ihn nicht alleine lassen", erkläre ich ihr meine Bedenken und sie bejaht sofort. Ich weiß gar nicht, was ich ohne sie machen würde und mache mich für den Zeitsprung bereit.

Genau wie gestern habe ich seine Jacke an, so fühle ich mich ihm etwas verbunden und stecke meinen Finger in die Öffnung. Ich spüre den Stich, umklammere meinen Rollstuhl und schon taucht der rubinrote Blitz auf, der mich in die Vergangenheit befördert.

RosenquarzrosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt