Kapitel 28
Alice stieg mit dem Blumenstrauß in der Hand die Treppe bis in den vierten Stock hoch. Es war Samstag. Die Uhr im Bus hatte halb fünf angezeigt, sie lag also gut in der Zeit. Und sie war hier, um ihr Date für die Benefizgala abzuholen. Ihr Date. Sahra. Sie grinste überglücklich, als sie an Sahra dachte. Das würde hoffentlich ein toller Abend werden.
Sahra mochte doch Blumen? Rosa Luxemburg mochte Blumen. Jeder mag Blumen, oder nicht? War der Strauß vielleicht doch too much? Oh Mist, jetzt hatte sie ihn aber schon dabei... Wird schon schief gehen, dachte sie und kam vor der Wohnungstür zum Stehen.
Sie schloss den Knopf ihres nachtblauen Smokings. Den hatte sie maßanfertigen lassen – da ging einiges von dem NFT money drauf, aber dafür sah sie jetzt wirklich unglaublich gut aus. Die dazu passenden schwarzen Lackschuhe hatte sie sich natürlich auch gegönnt. Ihre Haare hatte Alice heute mal schicker stecken lassen, da hatte Helena wirklich gute Arbeit geleistet.
Alice war ein bisschen schlecht. Sie hatte einen nicht so tollen Vormittag gehabt. Zum Frühstück hatte sie schon nur einen Zwieback gegessen, und das auch nur weil ihre Mutter sie komisch angeschaut hatte. Heute hatte sie dann bestimmt sechs Schmerztabletten geschluckt aber sonst fast nichts Festes runtergebracht.
Sie hatte das Mittagessen nicht angerührt und den ganzen Tag über nur Tee und Wasser getrunken. Als sie mit Wärmflasche und zwei Kuscheldecken in ihrem Bett lag und Sahras Steckbrief in der Unizeitung schon zum dritten Mal durchlas, kam Helena mit einer Auswahl an Schonkost vorbei. Das Tablett stand jetzt noch unberührt in ihrem Zimmer. Dass sie total aufgeregt war, machte alles nicht wirklich besser.
Gerade als sie die Klingel drücken wollte ging die Tür auf und Cem stand ihr gegenüber. Er war auch sehr schick angezogen, sein dunkelgrauer Anzug ließ ihn wie ein richtiger Geschäftsmann aussehen.
„Schick siehst du aus", grinste Alice.
„Brauchst du grade sagen. Wie lange hast du denn schon da vor unserer Tür rumgelungert? Ah, ich sehe du hast mir Blumen mitgebracht."
„Ha ha." Alice rollte mit den Augen und trat ein.
„Warte einen Moment." Er richtete ihre Fliege und schloss dann die Tür hinter ihr. „Sahra ist gleich bereit, darf ich dir so lange etwas zum Trinken anbieten?"
„Alles gut." Sie folgte ihm ins Esszimmer, wo er seine Fliege vom Tisch fischte, und dann startete er auf seinem Handy ein YouTube Tutorial übers Fliegenbinden. Alice ließ ihn einen Moment an den Anweisungen verzweifeln, dann legte sie den Blumenstrauß auf dem Tisch ab und half ihm mit seiner Fliege.
Annalena kam aus ihrem Zimmer zu ihnen. „Fuck me– Lille! Ach du scheiße, lass dich mal ansehen." Sie selbst trug ein elegantes, dunkelgrünes und großzügig ausgeschnittenes – Alice sah respektvoll hin – Abendkleid, das ihre Figur wunderbar betonte. Die Brünette war außerdem ein paar Zentimeter größer als sonst, denn sie hatte hohe Schuhe an.
„Nicht hier auf dem Esstisch, bitte", scherzte Cem und sah den beiden zu, wie sie sich gegenseitig einen Moment lang regelrecht anstarrten.
Anne kam aus dem Badezimmer. Sie wurde ebenfalls mit Komplimenten begrüßt. Sie bemerkte dankbar, dass Cems Fliege bereits gebunden war. Anne war nämlich die letzten zwanzig Minuten mit Sahras Frisur im Bad beschäftigt gewesen und die Gute hatte ihr den letzten Nerv geraubt.
Als Alice Sahra ins Esszimmer kommen sah klappte ihr die Kinnlade runter und sie fing beinahe an zu sabbern. Sahra trug ein schwarzes Abendkleid, das ähnlich geschnitten war wie das von Annalenas – das war schon das dritte Mal, dass Alice an diesem Abend respektvoll schaute. Zum Glück stieß Annalena ihr in die Seite und holte sie aus diesem Zustand raus. Alice griff schnell nach dem Blumenstrauß, den sie zuvor auf dem Esstisch zwischengeparkt hatte.
„Hi." Sahra lächelte.
Ein bisschen unbeholfen kam Alice zu ihr und überreichte ihr den Strauß. Anne, Annalena und Cem sahen grinsend zu, wie nervös Alice in Sahras Gegenwart wurde. Es war schon echt süß. Anne legte ihren Arm um Cems Schulter und scherzte: „Mich schaust du nicht so an."
Cem hatte Anne bereits vor einer Woche als seine Begleitung für den heutigen Abend ausgewählt. Sie mussten es nur so lange vor Sahra geheim halten bis Alice endlich den Mut aufgebracht hatte sie zu fragen. Sie hatte das natürlich bis kurz vor knapp vor sich hergeschoben. Sie alle hatten von Alices Plan Sahra zu fragen gewusst – naja, alle bis auf Sahra.
„Das ist ein hübsches Kleid", meinte Alice und trat unbewusst auf der Stelle.
Anne wäre Cem nicht böse gewesen, wenn er jemand anderes gefragt hätte. Wenn sie gewollt hätte, dann wäre sie auch so auf die Veranstaltung gekommen, Stichwort Pressepass und so. Aber für Cem kam das gar nicht infrage. Er hatte weder eine Herzensdame, die er ausführen wollte, noch wollte er jemanden anderes einfach so der Tradition wegen fragen. Er würde wahrscheinlich eh nur mit den Jungs und Mädels aus der Mannschaft abhängen und das war ja dann auch nicht so nett, die Begleitung links liegen zu lassen.
Linda würde auch auf der Gala sein, schließlich hatten sie, Lars und Volker Wissing das alles organisiert. Ja, die waren in irgend so einer Orga-Gruppe oder so drin, Cem wusste das auch nicht so genau... aber es ist schon ein starkes Stück so etwas auf die Beine zu stellen. Jedenfalls würde Anne dann wohl eh bei Linda rumhängen und er musste sich keine Sorgen über eine unglückliche Begleitung machen.
Es klingelte an der Tür und Annalena ging los. „Das ist für mich."
Anne und Cem tauschten einen verwirrten Blick aus.
Sahra und Alice waren gerade noch ein bisschen in ihrer eigenen Realität; Sahra hatte sich für die Blumen bedankt und dann war sie in die Küche gegangen, um eine Vase zu besorgen. Alice wusste nicht so recht, ob sie ihr folgen oder im Esszimmer warten sollte. Sie entschied sich für etwas dazwischen und blieb im Türrahmen zwischen beiden Zimmern stehen.
Annalena kam mit Janine am Arm zu den anderen zurück, Cem und Anne staunten nicht schlecht. Janine trug ein Abendkleid in dunkelrot und ihre langen Haare in einer eleganten Frisur geflochten.
„Ich wusste, dass du nicht alleine gehst!" grinste Cem. Es war jedenfalls ein Statement, das Annalena setzte. Cem hatte das Gefühl gehabt seit dem bösen Gerücht über Annalenas Fehltritt war sie besonders vorsichtig unterwegs, was ihren Beziehungsstatus anging.
Sahra kam auch wieder aus der Küche und stellte ihren Blumenstrauß auf dem Esstisch ab, dann begrüßte sie Janine und bewunderte ihr Kleid. Sie alle standen noch etwas rum. Anne ließ Bastet zum Balkon raus und wer seine Schuhe noch nicht anhatte (Cem zum Beispiel), zog sie noch an.
Dann ergriff Annalena das Wort. „Ich würde sagen wir machen uns mal auf den Weg. Unser Bus wartet schon."
Sie sagte das, als würden sie nicht mit den Öffis zur Gala fahren. Aber da war ja nichts Verwerfliches dabei. Die anderen Fahrgäste schauten nicht schlecht und tuschelten, als die Gruppe in den Bus einstieg – ja, für die Öffis waren sie vielleicht ein bisschen overdressed.
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Bundestag College AU
FanfictionDer Titel und das Cover Art sagen eigentlich schon alles aus, was man über diese Geschichte wissen sollte. Falls es doch etwas detaillierter sein soll, dann gibt es vor dem ersten Kapitel eine kleine Übersicht. :) Crack-esque