22. Drew

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Everly ignoriert mich den gesamten Tag über. Sie geht sogar so weit, dass sie die Vorhänge von ihrem Zimmer zu zieht, damit ich sie nicht mehr sehen kann. Im Kopf gehe ich alles durch, was ich getan haben könnte, finde aber nichts, was ihre Reaktion rechtfertigen würde. Klar, wir haben uns gegenseitig Streiche gespielt, aber das war gegenseitig. Und keiner meiner Streiche war so fies, dass sie jetzt so wütend auf mich sein kann. Hinzu kommt, dass wir mal wieder bei den Taylors zum Abendessen eingeladen sind.

Keine Ahnung, warum meine Eltern meinen, dass wir so gut wie jeden Abend mit ihnen zusammen essen müssen, aber wir haben in Chicago nicht mal so oft mit meinen Großeltern zusammen gegessen und die haben ebenfalls nur ein paar Häuser weiter gewohnt. Irgendwie ist das alles ein wenig seltsam. Allerdings habe ich größere Sorgen nämlich, dass Everly mich während des Essens umbringen wird, was ich ihr aktuell sogar zutrauen würde. Was auch immer ich getan habe, scheint wirklich schlimm zu sein. Vielleicht bekomme ich beim Essen mit, was ich angeblich so Schlimmes verbrochen habe. Meine Schwester reißt mich aus meinen Gedanken, indem sie ihren Kopf, ohne vorher zu klopfen in mein Zimmer steckt.

„Mum sagt du sollst dich anziehen. Wir gehen gleich rüber."

„Hast du schonmal was von anklopfen gehört?", frage ich genervt. „Was ist, wenn ich... keine Ahnung... nackt gewesen wäre.

„Dann wäre ich verstört bis an mein Lebensende und müsste höchst wahrscheinlich brechen.", kontert sie und verschwindet aus meinem Zimmer. Seufzend stehe ich auf, schnappe mir ein frisches T-Shirt und fahre mir nochmal durch die Haare. Ein schneller Blick in den Spiegel sagt mir, dass es ausreicht. Ist ja nicht so, als ob ich irgendjemanden beeindrucken müsste. Geschwind laufe ich die Treppe hinunter, wo meine Familie schon auf mich wartet und mir meine Mutter eine Flasche Wein in die Hand drückt, dann gehen wir auch schon rüber. Mrs. Taylor öffnet und die Tür und begrüßt meine Eltern strahlend, bevor sie auch uns lächelnd hineinbittet. Drinnen steht Mr. Taylor schon in der Küche und bereitet irgendetwas zu, was fantastisch duftet. Von Everly ist nach wie vor keine Spur zu sehen.

Während unsere Eltern mit Everlys Eltern ins Wohnzimmer gehen, stehen Lilly und ich etwas überfordert im Flur rum und schauen uns skeptisch an. Sollen wir hinterher gehen? Sollen wir stehen bleiben? Ich hasse es bei anderen Erwachsenen im alter meiner Eltern zu sein. Man fühlt sich wie das überflüssige Anhängsel. Auf einmal sind Schritte auf der Treppe zu hören und wenige Sekunden später erscheint Everly am Ende der Stufen. Ihr Anblick bringt mich ein wenig aus dem Konzept. Was zur Hölle hat sie da an?

Sie trägt ein knappes schwarzes bauchfreies Top und dazu eine passende enganliegende Sportleggins. Eigentlich nichts besonders Aufreizendes, trotzdem wirft mich ihr Anblick völlig aus der Bahn.

Vermutlich, weil sie genau dein Typ und verdammt heiß ist. Vor allem wenn sie dich so böse anfunkelt, raunt mir meine innere Stimme zu. Warum bist du eigentlich immer genau dann da, wenn man dich absolut nicht gebrauchen kann? Und was ist eigentlich mit meinen Gedanken los. Anstatt dass sie in eine Richtung wandern, die absolut nicht angebracht ist, sollte ich mich eher damit beschäftigen, warum sie mich so ansieht, als würde sie wünschen, dass ich auf der Stelle tot umfalle.

Ich versuche mich zu sammeln, während Everly mich mit ihren Blicken fast erdolcht. Wenn ich nur wüsste, was überhaupt ihr Problem ist, könnte ich mich dafür ja entschuldigen. So stehe ich einfach nur dumm da und starre sie wie ein Spanner an, während sie meine Schwester freundlich begrüßt und mit in Richtung Wohnzimmer nimmt. Dass sie so eine Wirkung auf mich hat, ärgert mich gewaltig. Denn was ich erfolgreich die Woche über versucht habe zu ignorieren ist, dass ich mich nicht nur emotional verdammt wohl in ihrer Nähe fühle, sondern dass sie auch eine enorme körperliche Anziehung auf mich auswirkt. Kurz gesagt, ich habe verdrängt, wie heiß ich meine Nachbarin finde. Dass mir das genau jetzt wieder bewusstwird, ist absolut unpassend, vor allem, weil ich nicht einmal genau sagen kann, was mich an ihr so fasziniert. Sie hat irgendetwas an sich, was mich wahnsinnig anzieht und ich habe es bis jetzt nicht geschafft herauszufinden, was das ist. Und diese Tatsache frustriert mich zutiefst.

Two broken Souls - Finding Happiness AgainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt