35. Drew

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Ich habe Drew einzig und allein aus dem Grund geküsst, weil ich ihm helfen wollte. Das hatte keinerlei tiefere Bedeutung.

Der Kuss war ein Fehler

Everlys Worte geistern durch meinen Kopf in Dauerschleife. Sie sind das Erste, woran ich denke, wenn ich aufstehe und das Letzte bevor ich schlafen gehe und ich wünschte sie würden mir nicht jedes Mal aufs Neue so verdammt wehtun. Ich wünschte es könnte mir einfach egal sein, dass sie mir das gesagt hat, doch das ist es nicht und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr stört es mich. Meine Gedanken wandern viel öfter als es mir selbst gut tun würde zu ihr und ihrem traurigen Gesicht, als sie mir genau das gesagt hat und ich bin mir sicher, dass da noch so viel mehr war, was sie mir sagen wollte und sich dann doch nicht getraut. Und ich würde gerade alles dafür tun, damit sie wenigstens noch einmal mit mir redet, doch Everly ignoriert mich und darin ist sie wirklich gut.

Seit fünf verdammten Tagen habe ich sie weder gesehen, noch mit ihr gesprochen, was wirklich eine Kunst ist, denn wir wohnen direkt nebeneinander und trotzdem hat sie es geschafft mir kein einziges Mal über den Weg zu laufen. Weder hier noch in der Uni und das, obwohl ich extra an den Gebäuden vorbeigelaufen bin, in den sie Kurse hat, was zugegebenermaßen wirklich verzweifelt und peinlich ist, doch ich kann nicht anders. Ich muss noch einmal mit ihr sprechen. Das zwischen uns kann einfach nicht so stehen bleiben.

Als ich gestern ihren Chat aus lauter Verzweiflung aufgerufen habe, habe ich allerdings gesehen, dass sie mich tatsächlich blockiert hat und vor ihrem Fenster hängen jetzt dicke lila Vorhänge, durch die man absolut nichts erkennt. Es ist zum verrückt werden.

Mein Blick wandert zu meinem Schreibtisch und den Aufgabenblättern, die sich dort stapeln, denn seit Everly mich in der Umkleide hat stehen lassen, konnte ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren, außer an meinem Fenster zu stehen und zu hoffen, dass sie wenigstens einmal rüber sieht. Überraschung, das tut sie nicht und ich komme mir allmählich vor wie dieser Stalker Vampire in den komischen Büchern, die meine Schwester so vergöttert.

Verdammt das muss aufhören.

Genau aus diesem Grund, wollte ich mich von Frauen in diesem Jahr fernhalten. Ich hatte das gesamte letzte Jahr nichts als Stress wegen Jamie und wollte doch alles anders machen. Das hatte sich allerdings erledigt, als ich Everly zum ersten Mal gesehen habe, wenn ich ehrlich bin, und es lässt mich durchdrehen. Ich verknalle mich normalerweise nicht so schnell. Auch bei Jamie hat es fast ein ganzes Jahr gedauert, doch wenn ich ehrlich bin, war ich schon hin und weg als Everly mich zu ersten Mal in ihrer Küche zusammengestaucht hat.

Sich das einzugestehen ist verdammt schwer, aber es bringt auch nichts es noch länger zu leugnen. Dafür haben mir ihre Worte viel zu weh getan, obwohl ich sie sogar ein wenig verstehen kann. Ich kann nicht nachvollziehen, wie sie sich fühlen muss, denn ich habe noch nie einen Verlust erlitten, der mit ihrem auch nur ansatzweise vergleichbar ist. Den Schmerz, den ich wegen Jamie und James gefühlt habe, kommt mir seltsam lächerlich vor, verglichen mit dem, den sie empfinden muss.

Seufzend fahre ich mir durch die Haare und ziehe schließlich ein Buch aus meinem Bücherregal. Auch wenn mich die ganzen Aufgaben auf meinem Schreibtisch gerade zu anschreien, dass ich mich endlich mal um sie kümmern sollte, tue ich es nicht. Ich würde mich sowieso nicht darauf konzentrieren können und die Langzeitaufgabe wird erst in zwei Monaten fällig.

Stattdessen lege ich mich auf mein Bett, schiebe mir ein Kissen in den Rücken und schlage die erste Seite auf. Es ist nicht so, als hätte ich das Buch nicht schon an die hundert Mal gelesen und könnte es vermutlich auswendig mitsprechen, doch ich liebe es in andere Welten einzutauchen, was Dank Büchern möglich ist. Dann kann ich mich wenigstens für fünf Minuten auf die Protagonisten und ihre Probleme fokussieren und muss mich nicht mit meinen eigenen beschäftigen. Zum Beispiel ob Everly immer noch diesen Gesichtsausdruck hat, der mir das Herz zerreißt, oder ob es irgendetwas gibt, dass ich tun könnte, damit es ihr besser geht oder ob jetzt jemand anderes da drüben ist und sie tröstet, was mich eigentlich nicht stören sollte, aber es trotzdem tut.

Two broken Souls - Finding Happiness AgainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt