„Geht es dir gut?", erkundigt sie sich, als ich mich wieder setzte.
„Ja, entschuldige, dass es so lang gedauert hat.", antworte ich, leere mein Glas in einem Zug und versuche einen unauffälligen Blick über meine Schulter zu werfen, um zu sehen, ob Everly noch da ist oder nicht, doch ich kann sie an ihrem Tisch nicht mehr entdecken.
„Ist das deine Ex-Freundin gewesen?", erkundigt sich Chloe mit ruhiger gefasster Stimme, während sie mich abwartend ansieht. Shit. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mitbekommen hat, dass ich mit Everly verschwunden bin.
Was dachtest du denn? Dass sie denkt, dass du über fünfzehn Minuten auf dem Klo verbringst, verhöhnt mich meine innere Stimme, womit sie zugegebenermaßen nicht ganz unrecht hat.
„Tut mir leid.", entschuldige ich mich sofort. Jetzt fühle ich mich richtig beschissen und frage mich augenblicklich, wie es Chloe wohl gehen muss, die ich habe sitzen lassen, um mit einem anderen Mädchen in einem dunklen Raum zu verschwinden. Allerdings wirkt sie zu meiner Überraschung nicht böse oder beleidigt, sondern nur aufrichtig interessiert.
„Ich habe vielleicht ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, bin aber nicht bescheuert. Mal abgesehen davon, dass sie mich den ganzen Abend so angesehen hat, als würde sie sich wünsche, dass ich an meinem nächsten Nacho ersticke. Also, was läuft hier eigentlich? Hast du dem Date nur zugestimmt, um sie eifersüchtig zu machen, weil du wusstest, dass sie heute Abend hier sein würde?"
„Nein, auf keinen Fall. Ich wusste nicht, dass sie hier sein würde. Ich habe mich mit dir verabredet, weil ich dich besser kennen lernen wollte. Und auch immer noch will.", beteure ich und frage mich, ob der Abend noch auf irgendeine Weise schlimmer werden kann, als er es gerade ist.
„Und was läuft dann mit ihr?"
„Wir haben versucht so ein Freundschafts-Ding zwischen uns hinzubekommen, aber..."
„...aber du hast Gefühle entwickelt?", beendet Chloe meinen Satz, während sie sich ihre blonden Haare zu einem Knoten dreht.
„Ja vielleicht. Ach keine Ahnung. Ich mag sie. Sie mich aber nicht.", antworte ich ihr ehrlich und hoffe, dass sie nicht heraushört, wie sehr mich diese Erkenntnis niederschmettert.
„Das glaube ich nicht. Sie mag dich definitiv, aber sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Sonst hätte sie mich den ganzen Abend nicht so böse angestarrt. Du hast das vielleicht nicht mitbekommen, weil du mit dem Rücken zu ihr saßt, aber ich wäre nur noch ein Häufchen Asche, wenn es nach ihr gegangen wäre.", meint sie grinsend und schnappt sich einen weiteren Nacho aus der Mitte.
„Und wie geht es jetzt weiter mit euch beiden?"
„Überhaupt nicht. Das hat sie mehr als nur deutlich klar gemacht."
„Autsch. Immerhin musst du sie nicht wieder sehen. Das hilft vielleicht, um über den Liebeskummer hinweg zu kommen."
„Sie ist meine Nachbarin. Und ich habe keinen Liebeskummer. Wir waren nicht einmal zusammen.", widerspreche ich und bestelle mir einen vierten Gin Tonic. Wenn ich in dem Tempo weiter mache, werde ich heute nicht einmal mehr nach Hause finden und das liegt dann ausnahmsweise nicht an meinem beschissenen Orientierungssinn.
„Also ersten: Das ist wirklich scheiße und zweitens: Man muss keine Beziehung haben, um Liebeskummer zubekommen, glaub mir, ich spreche aus Erfahrung."
„Können wir bitte nicht mehr darüber reden?", frage ich und fahre mir durch die Haare. Ich will nicht mehr reden und am liebsten auch nicht mehr denken, sondern einfach nur vergessen, dass ich mich schon wieder in ein Mädchen verliebt habe, dass fantastisch darin ist, mir das Herz zu brechen.
„Es tut mir leid, wie der Abend verlaufen ist. Das muss das schlimmste erste Date gewesen sein, auf dem du vermutlich jemals gewesen bist, und ich kann verstehen, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zutun haben möchtest. Wenn du magst, dann kann ich zahlen und mir ein Taxi nach Hause nehmen.", schlage ich vor, weil ich wirklich nicht weiß, wie ich es wieder gut machen soll, dass ich sie fünfzehn Minuten habe warten lassen, um mit Everly zu streiten. Und schon wieder spüre ich, wie mich eine heiße Welle der Wut überrollt. Wut auf Everly, dass ich ihretwegen, dass auch noch mit Chloe ruiniert habe. Wenn ich ehrlich bin, bin ich vermutlich mehr wütend auf mich selbst, aber Wut auf Everly ist besser, als den Schmerz zu fühlen, der ab jetzt garantiert auftauchen wird, sobald ich nur an sie denke.
„Oder du kommst noch mit zu mir und wir vergessen, was bisher passiert ist." Ich verschlucke ich beinah an meinem Drink und fange an, wie ein Irrer zu husten, was Chloe mit einem Grinsen kommentiert, bevor sie aufsteht, um mich vor dem ziemlich sicheren Erstickungstod zu bewahren.
„Wie bitte?", krächze ich, während mein Gesicht allmählich die Farbe einer Tomate annimmt.
Super.
Wenn sie sich jemals dazu entschließen sollte, ein Buch über katastrophale Dates oder bescheuerte einundzwanzigjährige zu schreiben, würde sie allein mit mir ein Vermögen verdienen.
„Ich will keine Beziehung, nur damit das gleich klargestellt wird, dafür ist mein Leben gerade viel zu abgefuckt und noch mehr Stress kann ich nicht gebrauchen. Aber ich bin es leid, die ganze Zeit nur daheim rumzusitzen und ich mag dich. Du bist süß, vielleicht ein bisschen trottelig, aber süß, du hast einen tollen Buchgeschmack und wirkst nicht wie einer dieser Idioten, dessen Ego größer als die Eingangstür dieses Restaurants ist. Und du siehst aus, als könntest du ein wenig Ablenkung ohne Gefühle und den ganzen Scheiß gebrauchen, also was sagst du?" Ich starre sie mit offenem Mund an, während ich versuche den Inhalt ihrer Worte zu begreifen. Genau genommen schlägt mir dieses bildschöne Mädchen vor mir unverbindlichen Sex vor, nachdem ich sie sitzen gelassen und mich komplett zum Depp gemacht habe.
Deswegen hat sie dich auch als trottelig bezeichnet, lacht mich meine innere Stimme aus, während ich versuche diesen Teil ihres Satzes zu ignorieren und über ihr Angebot nachzudenken. Normalerweise wäre ich der letzte, der so etwas machen würde, nicht weil ich es verurteile, sondern weil für mich Sex bisher immer nur innerhalb einer Beziehung stattgefunden hat. Unverbindlicher Sex ist Neuland für mich, aber was spricht eigentlich dagegen. Chloe ist verdammt cool und ich kann eine Ablenkung wirklich gut gebrauchen. Zumal ich seit über acht Monaten nun schon unfreiwillig enthaltsam lebe. Trotzdem will ich ganz sicher gehen, dass das auch wirklich für sie in Ordnung ist.
„Und du bist sicher, dass das für dich in Ordnung ist?"
Chloe entfährt ein leises Lachen, bevor sie sich ein Stück weiter zu mir nach vorne beugt, um mir zu antworten. „Glaub mir, ich bin in der Lage Gefühle und Körperliches zu trennen. Sonst hätte ich wohl kaum ein Tinder Profil bei dem Nichts Festes in der Bio steht. Ich kann verstehen, wenn das nicht dein Ding ist, aber ich bin mir sicher, dass ich es bereuen werde, wenn ich dich nicht wenigstens einmal Frage. Also das wäre somit erledigt. Jetzt liegt es bei dir."
Ich atme noch einmal tief durch und versuche einen klaren Gedanken zu fassen, bevor ich etwas zu stimme, was ich vielleicht bereuen werde, doch eigentlich fällt mir kein Nachteil an der ganzen Geschichte ein. Ich kann jetzt nach Hause gehen und im Selbstmitleid versinken, dass Everly mich at abblitzen lassen, oder ich kann mit Chloe nach Hause gehen und den ganzen Scheiß vergessen. Mein Blick fällt auf die hübsche Frau vor mir, die mich abwartend ansieht und in dem Moment weiß ich, wie ich mich entscheiden werde.
Weiter geht's mit Teil 2🥰
Was haltet ihr von Chloes Angebot?🙈
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Two broken Souls - Finding Happiness Again
Storie d'amore„Suchst du etwas?", raune ich Everly zuckt so heftig zusammen, dass ihr erstens der Karton aus den Fingern gleitet und sie zweitens selbst das Gleichgewicht verliert und ins Straucheln gerät. Da ich allerdings finde, dass ihre Gesundheit wichtiger i...