Dann erkläre es mir

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Ich sage nichts. Ich bewege mich nicht. Ich sitze einfach nur da und starre auf die Tischplatte vor mir. Meine Finger gleiten über den abgeplatzten Lack an der Tischkante. Komisch, dass Mum und Dad nicht bereits einen neuen Tisch gekauft haben. Sie können doch Makel, aller Art nicht ausstehen. Mein Gedanken sind die ganze Zeit bei dem abgeblätterten Lack. Die Worte die aus Steves Mund kommen, höre ich schon gar nicht mehr. Wieso sind wir überhaupt hier? Über was genau reden wir gerade?  Ich blinzele einmal mit den Augen und wende meinen Blick schließlich von der Tischkante ab. "Jackie?", höre ich meinen Bruder besorgt fragen. Ich sehe abwesend zu ihm auf. "Hm?" "Hast...hast du gehört, was ich gesagt habe?" Ich überlege kurz und obwohl ich sein Worte vorher vollkommen ausgeblendet habe, weiß ich dennoch, was er gesagt hat. Doch mein Gehirn kann es irgendwie nicht realisieren. 'Chrissy ist tot.', wiederhole ich in meinem Kopf immer wieder Steves Worte. Ich wiederhole sie immer und immer wieder. Und ich versuche verzweifelt irgendetwas dabei zu fühlen. Doch ich kann nicht. Ich fühle rein gar nichts. Ich verstehe den Satz nicht.

"Chrissy ist tot." Ja ich weiß, was das bedeutet. Ich weiß was das Wort tot bedeutet. Aber ich kann es nicht verstehen. Es ist als hätte mir jemand den Stecker gezogen. Ich bin völlig erstarrt. Ich fühle gar nichts. Chrissy. Meine beste Freundin seit der zweiten Klasse. Sie ist tot. Sie ist nicht mehr da. Ich werd sie nie wieder sehen können, sie nie wieder in meine Arme schließen können. Ich werde nie wieder ihre Stimme hören und nie wieder mit ihr über Jungs reden können. Ich werde nie wieder mit ihr nach der Schule nach Hause laufen. Nie wieder ihre blauen Augen sehen. Nie wieder mit ihr zu Mittag essen. Sie ist weg. Und sie kommt auch nicht wieder.

 Ganz Langsam und wie in einer Trance stehe ich vom Tisch auf. "Jackie, ist alles-" "Danke, dass du mir das gesagt hast Steve.", sage ich monoton und gehe in mein Zimmer. Dort setze ich mich auf die Bettkante und starre zu Boden. Erst als ich etwas Nasses auf meine Hose tropfen sehe, merke ich, dass ich weine. Und auf einmal wird die Leere in mir gefüllt mit allen möglichen Emotionen. Auf einmal prallt alles auf mich ein und auf einmal realisiere ich es. Chrissy ist tot. Meine beste Freundin ist tot. Sie kommt nicht mehr wieder. Ich weine so sehr, dass ich keine Luft mehr bekomme. Ich weine solange bis Steve in mein Zimmer kommt und mich umarmt. Und auch dann weine ich noch. Ich weine so sehr, dass ich glaube es müssten längst alle Tränen aufgebraucht sein. Doch ich weine weiter. Und ich kann nicht aufhören.

...

Am nächsten Morgen wache ich mit verheulten Augen auf. Steve liegt neben mir in meinem Bett und schläft noch. Ich wollte gestern Abend nicht mehr alleine sein und er hat angeboten die Nacht bei mir zu schlafen. Ich will gerade duschen gehen, um mir die Trauer aus dem Gesicht zu waschen, als Steve neben mir aufwacht. "Hey, wo willst du hin? Ist alles gut?" Ich nicke. "Ich-ich geh nur schnell duschen.", meine Stimme klingt immer noch rau und verheult. Steve nickt und sieht mir besorgt nach. Als ich unter die Dusche steige und das Wasser anstelle muss ich augenblicklich anfangen zu weinen.

...

"Wie geht's dir?", fragt Steve als ich runter in die Küche komme. "Scheiße.", sage ich nur und muss mich zusammenreißen nicht gleich wieder zu weinen. "Komm her." Er zieht mich in eine Umarmung und ich lasse es dankbar geschehen. Ich bin so dankbar ihn zu haben. "Es tut mir so Leid, Jackie. Es tut mir so Leid." Ich seufze und schlucke den Kloß, der sich schon wieder in meinem Hals bildet schnell herunter. "Es ist nicht deine Schuld, Steve." "Ich weiß. Trotzdem."

...

Ich sitze Steve gegenüber am Küchentisch und sehe ihn abwartend an. Dabei versuche ich  nicht allzu oft an Chrissy zu denken. "Also.", sage ich mit bebender Stimme. Ich räuspere mich. "Wo-woher weißt du das? Und...und was ist mit Eddie?" "Du musst das nicht tun, okay?" "Was?", frage ich verwirrt. "Du musst nicht die Starke spielen. Nimm dir ruhig einen Moment zum Trauern. Eddie geht's gut. Mach dir keine Sorgen." "Ich weiß Steve. Aber ich will mir nicht die Zeit zum Trauern nehmen. Ich will das nicht Steve. Ich will...ich brauch Ablenkung. Also erklär mir bitte was passiert ist."

"Na gut. Also ich weiß auch nicht wirklich was passiert ist, aber als ich gestern auf Arbeit gefahren bin, kamen Dustin und Max zu uns in den Laden. Max hat erzählt wie sie gesehen hat, dass Chrissy gestern Abend mit Eddie in seinen Trailer gegangen ist. 10 Minuten später hat sie einen Schrei gehört und dann ist Eddie wohl aus seinem Trailer gerannt und mit dem Auto davon gefahren. Dustin und Max sind zu uns in den Laden gekommen um Freunde und Bekannte von Eddie anzurufen um herauszufinden, wo er sich verstecken könnte und wir haben eine Adresse von einem Freund von Eddie gefunden. Wir sind gleich dorthin gefahren."

"Und habt ihr ihn gefunden?", frage ich hoffnungsvoll. Er nickt. "Wirklich? Wo ist-" "Jackie, ich kann dir nicht sagen wo er ist. Ich will nicht, dass du zu ihm gehst. Ich will dich nicht unnötig in Gefahr bringen." "Was? Steve, komm schon. Sag mir wo er ist. Ich-ich mach mir echt Sorgen. Bitte ich muss ihn unbedingt sehen. Und was denn überhaupt für eine Gefahr? Was soll denn schon passieren ich-" "Jackie es gibt Dinge von denen du nichts weißt." Verwirrt sehe ich ihn an. "Was denn für Dinge?" "Das-das kann ich dir nicht sagen. Jackie hör zu. Ich will einfach nur, dass du in Sicherheit bist. Bitte vertrau mir einfach und bleib hier während wir das regeln, okay?"

"Was denn regeln? Steve was ist denn los? Ich verstehe gerade gar nichts mehr. Woher weißt du denn, dass Eddie, Chr-." Ich halte kurz inne. Ich habe nicht die Kraft ihren Namen auszusprechen. Er bleibt mir im Hals stecken. Ich setze erneut an. "Woher weißt du, dass er nicht Schuld an dem Mord ist? Weißt du etwa, wer sie wirklich umgebracht hat?" "Ja...und Nein...Hör zu, Jackie. Das ist alles wirklich kompliziert und es geht hier um viel mehr als nur um diesen einen Mord. Es gab noch Einen." "Was?! Noch einen Mord?" Voller Angst sehe ich zu ihm auf. Ich kann nicht noch einen Verlust verkraften. "W-wer ist es?" "So ein Junge namens, Fred Benson." Ich atme erleichtert aus, da mir der Name unbekannt ist. Was es jedoch nicht weniger beängstigend macht. "Wann-wann ist das passiert?" "Gestern Abend." "Aber Steve, wenn du weißt wer der Täter ist, solltest du das der Polizei sagen sonst-" "Genau das ist es ja, Jackie. Das ist nicht so einfach. Du verstehst das nicht." "Dann erkläre es mir."

Oh man Leute ihr seid echt krass. Gestern Abend habe ich noch gehofft, dass wir die 300 Votes knacken, jetzt sind wir fast bei 600?! Danke fürs fleißige Voten <3

Cherry (Eddie Munson ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt