Ich verschaffe uns Zeit

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Doch wir haben nicht lange Zeit uns zu freuen. Immer wieder kracht es laut, wenn eine Fledermaus gegen den Trailer fliegt und irgendwie versucht durch zu kommen. "Hier, kommt her." Eddie führt und ins Wohnzimmer direkt unters Portal, falls wir schnell flüchten müssen. Während die Fledermäuse immer noch von außen versuchen den Trailer zu zerstören und dabei immer wieder ein hohes Kreischen von sich geben, stellen wir uns in einen Kreis, Rücken an Rücken und hören aufmerksam auf die Geräusche. Doch da verstummen sie plötzlich. "Wars das etwas schon?! Mehr habt ihr nicht drauf, Ihr Dumpfbacken?!", brüllt Dustin und Eddie entgegnet: "War das jetzt echt nötig?"

Ich zucke erschrocken zusammen als ein Krachen über uns ertönt. "Sie sind auf dem Dach.", stellt Eddie fest und wir folgen dem Geräusch über unseren Köpfen. Mein Blick fällt auf die runde Lüftung in der Decke. "Da kommen sie aber nicht durch oder?", ich sehe fragend zu Eddie, doch noch bevor er antworten kann, ertönt plötzlich ein Lautes Krachen und eine Fledermaus versucht durch das nun offene Loch in der Decke, hinein zu kommen. Erschrocken halte ich mein Schild hoch und zu dritt stechen wir auf das Monster ein, damit es nicht hindurch kommt. Es schreit und kreischt unaufhörlich und ich würde mir am Liebsten die Ohren zu halten, doch dafür habe ich keine Hand frei. "Zur Seite!", brüllt Eddie plötzlich, stellt einen Stuhl unter das Loch, stellt sich selbst auf diesen und rammt sein Schild, mit den spitzen Nägeln, in das Dach um das Loch zu verschließen. Es funktioniert.

"Das war gut.", stellt Dustin außer Atem fest. Eddie nickt und auch sein Atem geht schnell. Ich will mich gerade erleichtert auf die Couch fallen lassen, als ich höre wie sich die Fledermäuse auf dem Dach in eine andere Richtung bewegen. Erschrocken sehe ich zu Eddie. "Hier gibt es aber nicht noch mehr Lüftungen oder?" Eddies Augen weiten sich und auf einmal springt er auf und rennt ins Badezimmer.

Dustin und ich folgen ihm um  zu helfen, die Lüftung zu verschließen, doch es ist bereits zu spät. Mehrere Fledermäuse strömen durch das Loch in das Bad. "Scheiße!", brüllen Eddie und Dustin gleichzeitig und Eddie stellt sich schützend vor uns. "Schnell, raus hier!", er schubst uns unsanft aus dem Bad und schließt die Tür hinter sich. Doch das wird die Fledermäuse nicht lange aufhalten. Dustin und ich stolpern erschrocken zurück. "Das hält nicht!", rufe ich panisch als sich immer mehr Fledermaus-Krallen durch die dünne Holztür bohren.

"Los, raus hier!", brüllt Eddie und Dustin hilft mir am Seil hoch, durch das Tor. Ich falle auf die andere Seite und gehe schnell zur Seite um Dustin Platz zu machen. Als er durch das Portal fällt, helfe ich ihm hoch. Ich sehe durch das Portal über uns. "Komm schon, Eddie! Beeil dich!", rufe ich ihm zu als er das Seil hinauf klettert. "Du hast es gleich geschafft, komm schon!", ruft Dustin neben mir, doch plötzlich hält Eddie mitten in der Bewegung inne.

Zuerst glaube ich, dass er zu erschöpft ist oder dass er sich vielleicht verletzt hat, doch dann lässt er das Seil plötzlich los und sieht zu uns hinauf. Als ich seinen entschlossenen Blick sehe, bekomme ich Angst. "Eddie! Was machst du da?! Komm jetzt!" Doch er ignoriert mich, hebt die Matratze auf und verschwindet damit für einen Moment aus meinem begrenzten Sichtfeld. Dann kommt er wieder und hebt seinen Speer und das Schild auf. "Nein! Verdammt! Eddie! Was soll das?!" "Ich verschaffe uns Zeit." Das Krachen der Fledermäuse an der Badezimmertür wird lauter. Eddie blickt noch einmal zu mir hinauf. Mit seinem Speer zerschneidet er das Seil und es fällt zu Boden. "Bringt euch in Sicherheit." Er wendet seinen Blick von mir und verschwindet aus meinem Blickfeld. "Was?! NEIN! Eddie! Verdammt! Komm sofort wieder her! EDDIE!", doch er ist weg.

"Scheiße!", flucht Dustin neben mir. "Verdammte Scheiße!" "Wir müssen ihm helfen, Dustin!" "Ich weiß...wir müssen irgendwie...", er sieht sich in dem Trailer um und schnappt sich schließlich einen Stuhl und stellt ihn unters Tor. "Das Tor ist immer noch zu weit oben, wie kommen wir dahin?" "Du musst springen.", erklärt er und nimmt ein wenig Abstand vom Stuhl. "Ach, Scheiß drauf.", sagt er schließlich, nimmt Anlauf, springt auf den Stuhl und dann so hoch zum Portal, dass er sich an der Öffnung festhalten und hindurch ziehen kann. Auf der anderen Seite fällt er unsanft zu Boden und verzieht schmerzerfüllt das Gesicht. "Dustin! Geht's dir gut?!", rufe ich besorgt nach oben. Er zwingt sich mit schmerzerfülltem Stöhnen wieder auf die Beine und sieht zu mir hoch. "Ja geht schon...ich hab mir nur den Knöchel verknackst. Pass auf wenn du springst!", ruft er mir noch entgegen, bevor ich ein paar Schritte zurück gehe.  Ich atme tief durch, nehme Anlauf und springe ihm hinterher.

Ich stöhne auf, als der Schmerz meinen Körper durchzuckt, sobald ich auf dem Boden aufkomme. "Argh-verdammt!" Dustin hilft mir auf die Beine und sieht mich besorgt an. "Geht's dir gut?" Ich nicke auch wenn es immer noch weh tut. Aber ich hab keine Zeit mich jetzt auszuruhen. "Schnell. Wir müssen ihm helfen!" Ich greife mir Speer und Schild und verlasse entschlossen den Trailer. Dustin folgt mir humpelnd. Ich sehe Eddie, der mit dem Fahrrad davon fährt, den gesamten Schwarm Fledermäuse im Schlepptau. "Scheiße! Was denkt er sich nur dabei!", gebe ich wütend von mir und sehe mich um, doch die anderen Fahrräder wurden bereits von den Fledermäusen zerstört.

Also renne ich. "Jack, warte!", ruft Dustin hinter mir, doch ich ignoriere ihn. Mein Blick ist starr auf Eddie gerichtet, der plötzlich von einer Fledermaus vom Fahrrad gerissen wird. "Eddie!", rufe ich besorgt und renne noch schneller. Meine Lungen brennen bereits, doch das ist mir  egal. Ich unterdrücke den Schmerz und versuche meine Beine noch schneller zu bewegen. Die Fledermäuse umkreisen Eddie, der sich gerade wieder aufrappelt und davon rennen will.

 Ich atme erleichtert aus, als er in meine Richtung gerannt kommt und bleibe erschöpft stehen. "Komm schon, Eddie! Beeil dich!" Noch haben die Fledermäuse ihn nicht verfolgt, sie umkreisen immer noch kreischend das Fahrrad. Als Eddie mich sieht, sehe ich ein Lächeln auf seinen Lippen und ich kann nicht anders, als ebenfalls zu lächeln. Er ist nur noch ein paar Meter von mir entfernt. Alles wird gut. Wir schaffen das schon. Wir besiegen Vecna und schaffen es hier raus. Lebend. Und dann können wir endlich wieder ein normales Leben leben. Zusammen. Schon in der zweiten Klasse habe ich mir ein Leben mit Eddie erträumt. Und jetzt, haben wir uns endlich gefunden. Jetzt konnte ich mir endlich eingestehen, dass ich immer noch Gefühle für ihn habe. Und ich weiß das wir alles schaffen werden. Zusammen. Egal was da noch kommt. Egal, was sich uns in den Weg stellt...ob es Chad ist...oder auch meine Eltern...selbst Vecna...Wir schaffen das. Ab jetzt wird alles gut. 

Ich kann ihn fast schon greifen. Ich kann das Leben mit ihm schon fast greifen. Doch da wird sein Blick plötzlich ernst und er bleibt stehen.

Verwirrt sehe ich ihn an. "Was ist los? Komm schon, Eddie!" Er blickt zurück zu den Fledermäusen und scheint stark überlegen zu müssen. Doch dann sieht er wieder zu mir und erneut liegt dieser entschlossene Ausdruck in seinem Blick, der mir einen Schauer über den Rücken jagt. Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut. Wir haben es doch fast geschafft.

 Ich schüttele den Kopf. "Nein. Nein. Nein. Eddie! Komm schon! Lass uns hier verschwinden. Es sind zu viele!" Doch er ignoriert mich erneut. Er sieht mich einfach nur an und ich sehe eine Träne in seinen Augen glänzen. "Ich liebe dich, Cherry!" Und ohne ein weiteres Wort oder auch nur eine Antwort abzuwarten, dreht er sich herum und rennt in die entgegengesetzte Richtung. Er rennt in de falsche Richtung. Rennt weg vor mir. Weg vor der letzten Hoffnung auf unser glückliches Leben. Er rennt in die falsche Richtung. 

Cherry (Eddie Munson ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt