Ich werde sie finden

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"Jackie." Die Stimme klingt dumpf und rau, als würde sie nicht oft benutzt werden und so tief, dass ich die Vibration bis in meinen Brustkorb spüre. Mein ganzer Körper zittert  und mein Herz rast mittlerweile so schnell, dass ich glaube es würde jeden Moment den Geist aufgeben und einen Herzstillstand erleiden. Ganz langsam und in aller höchster Alarmbereitschaft, drehe ich mich herum.

Doch hinter mir ist niemand. Panisch sehe ich nach links und dann nach rechts. Doch ich bin alleine. Eine drückende Stille liegt über dem Wald und das einzige was ich höre ist mein rasselnder, viel zu schneller Atem.

 "Jackie.", sagt erneut eine Stimme. Doch diesmal ist es nicht dieselbe Stimme. Diese Stimme kenne ich. "Chrissy?" Ungläubig ihre Stimme zu hören, drehe ich mich hoffnungsvoll um.

Doch meine Hoffnung vergeht, als ich sie vor mir stehen sehe. Ich weiche einen Schritt zurück bei ihrem schrecklichen Anblick. Ihre Arme sind krotesk verbogen und auf ihrem Rücken zusammengefaltet und ihr Kopf hängt soweit zur Seite, dass ihr Genick längst gebrochen sein müsste. Ihre Augen sind merkwürdig starr und weiß. Blut fließt von ihnen ausgehend, über ihre Wangen. "Du hättest mich retten können, Jackie. Wieso hast du mich sterben lassen?" Ihre Stimme klingt halb wie ihre eigene, halb wie die, die ich zuvor gehört habe und während sie redet, fällt ihr Kopf mit einem grässlichen Knacken noch mehr zur Seite.

Erschrocken weiche ich zurück und laufe panisch in den Wald hinein. Scheiße, scheiße, scheiße, das kann nicht wahr sein. Ich träume das sicher. Nein ich träume nicht. Es ist echt. Es ist alles echt. Meine Beine bewegen sich fast schon von alleine und ich renne so schnell ich kann, wodurch meine sowieso schon rasende Atmung noch schneller wird.

Meine Lungen brennen und ich glaube mein Brustkorb müsse jeden Moment explodieren, doch ich ignoriere den Schmerz, den ich bei jeder Atmung spüre und renne einfach weiter. Dabei bleiben meine Füße immer wieder fast an Wurzeln oder Steinen hängen, und ich stolpere eher über den unebenen Waldboden, anstatt darüber zu rennen. "Jackie. Du kannst mir nicht entkommen.", sagt wieder diese raue und tiefe Stimme. Doch ich ignoriere sie und renne einfach weiter, so schnell ich kann, doch die nächste Wurzel, an welcher mein Fuß hängen bleibt ist größer als alle Anderen und ich falle der Länge nach zu Boden.

Einen Moment bin ich, wie benebelt und Schmerz durchzuckt meinen Körper, doch ich komme schnell wieder zur Besinnung und rappele mich hastig wieder auf, um weiter zu rennen. Panisch sehe ich immer wieder hinter mich, während ich weiter durch den Wald renne. Meine blutenden Knie ignoriere ich dabei. Als ich während des Rennens erneut hinter mich sehe, um zu sehen ob ich verfolgt werde, renne ich plötzlich mit voller Wucht in etwas hinein. "Jackie?! Verdammt was ist los?"

Zwei Hände halten mich fest an den Oberarmen und ich blicke erschrocken vor mir auf. "Eddie?" Als ich ihn erkenne, lasse ich mich, ängstlich aber erleichtert, in seine Arme fallen. Zu Beginn ist er etwas verwirrt, doch dann legt er schützend seine Arme um mich und ich drücke mich dankbar an ihn. Als er meinen zitternden Körper bemerkt sagt er: "Hey, alles ist gut." und streicht beruhigend mit der Hand über meinen Rücken, während ich gegen seine Schulter schluchze. "Es ist alles gut."

Als ich meinen Kopf noch mehr an Eddies Schulter schmiege, spüre ich plötzlich, dass sein Körper ganz kalt ist. Und er riecht auch nicht, wie sonst. Er riecht nach....nach Verwesung und Tod und etwas metallisches liegt mir in der Nase. 

Beunruhigt will ich mich von ihm lösen, doch seine Arme halten mich noch fest. "Eddie, lass mich los." Ich versuche mich gegen ihn zu wehren, doch er zieht seinen Griff um mich nur noch fester. Langsam steigt Panik in mir auf. "Lass mich los, Eddie." "Schhhhhh. Alles ist gut. Ich hab dich.", wiederholt er immer wieder flüsternd und streicht mir mit der Hand übers Haar. Ich stemme meine Fäuste gegen seine Brust und schaffe es schließlich mich von ihm zu lösen. Als ich zu ihm aufsehe, weiche ich erschrocken zurück.

Sein ganzer Körper ist bedeckt mit Blutflecken und seine Haut ist seltsam bleich. Seine Augen sind nicht mehr romantisch braun wie normalerweise, nein sie sind rot und von ihnen ausgehend, verlaufen schwarze Linien, wie Adern unter seiner Haut, über seine Wangen. Ängstlich sehe ich ihn an. "Was ist los, Prinzessin?" Aus seinem Mund tropft Blut, und auf seinen Lippen liegt ein gehässiges Grinsen. "Hast du etwa Angst vor mir?" Als er spricht sehe ich seine Eckzähne aufblitzen, die unnatürlich spitz sind. Ganz langsam laufe ich rückwärts, während er mir immer näher kommt. "Du brauchst keine Angst vor mir haben, Jackie." Während er spricht, wechselt seine Stimme in die gruselige Stimme die ich vorhin gehört habe und auf einmal steht nicht mehr er, sondern eine furchteinflößende Gestalt mit ekliger Haut vor mir. Vecna. Schießt es mir durch den Kopf. Das muss er sein. Es gibt ihn wirklich.

Immer weiter weiche ich vor ihm zurück, als ich plötzlich etwas Hartes hinter mir spüre. Erschrocken sehe ich hinter mich. Ich stehe mit dem Rücken an einer Felswand und kann nicht weiter. Verdammt. Ich sehe wieder zu Vecna. "Sieh es ein, Jackie...du kannst nicht entkommen." Scheiße. Scheiße. Scheiße. Langsam und gefährlich nähert er sich mir immer weiter.

Mein Herz rast immer schneller. Schließlich steht er nun direkt vor mir. Ängstlich weiche ich seinen Blicken aus und weigere mich ihn anzusehen. Ich stemme mich so sehr gegen die Felswand hinter mir, dass man meinen könnte ich wollte sie mit eigener Kraft wegschieben. Als Vecna seine furchterregende Hand hebt und mir an die Wange legt, versuche ich mein Gesicht von ihm zu wenden. "Hab keine Angst, Jackie." Ich winde mich weiterhin unter seiner Hand und versuche ihr irgendwie zu entkommen. "Sieh mich an." Ich sehe ihn nicht an. "Sieh mich an!", sagt er erneut aber diesmal lauter. Sein Griff um mein Kinn wird dabei fester und er zwingt mich mit Gewalt ihn anzusehen. Er mustert kurz mein Gesicht und sagt schließlich. "Erstaunlich." Ich versuche mein Gesicht aus seiner Hand zu winden, doch sein Griff ist zu stark. "Du siehst genauso aus wie sie."

Ich bringe nur ein, "Lass mich los.", zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. "Keine Sorge.", beginnt er und nimmt seine Hand von meinem Gesicht. "Ich will dich nicht töten." Haha wer's glaubt. "Jedenfalls noch nicht. Ich will, dass du eine Nachricht überbringst." Immer noch versuche ich panisch einen Fluchtweg zu finden. Doch die Felswand ist zu groß und Vecna steht direkt vor mir. "Ich will, dass du ihr sagst, dass ich noch lebe." Er sieht mich ernst an und ich frage mich, wen er mit 'ihr' meint. "Sag ihr, dass ich überlebt habe und dass ich noch stärker geworden bin. Und sag ihr was ich hier tue."

Auf einmal höre ich ein mir bekanntes Geräusch. Es-es klingt wie ein Lied, aber gedämpft. Wie als würde jemand weit weg ein Konzert spielen. Wie wenn man bei einer Party im Badezimmer ist und die Musik nur gedämpft durch die Tür hört. Als ich erkenne, was es für ein Lied ist sehe ich mich verwirrt um.

Während 'Cherry Bomb' irgendwo über unseren Köpfen spielt, sieht Vecna mich amüsiert an. "Sieh an...deine Freunde versuchen dich zu retten.", stellt er fest und lacht dabei ein kaltes Lachen. "Das ist nicht nötig. Ich lass dich gehen. Vorerst." Er hält seine Hand über meinen Kopf. Die Musik wird lauter und plötzlich höre ich gedämpfte Stimmen die verzweifelt meinen Namen rufen. "Ach und Jackie..." Diese furchterregenden kalten Augen sehen mich noch ein letztes Mal ernst an. "Sag Nina, dass ich sie finden werde."



Cherry (Eddie Munson ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt