Kapitel 52

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Nenan Trolot

Das kleine, namenlose Dörfchen gab ihnen für einen guten Betrag Golf genug zu essen und trinken. Nenan war am Gemeinschaftsfeuer gesessen, bis er müde genug war, um wahrscheinlich schnell einzuschlafen. Er wollte nicht stundenlang grübelnd auf dem Boden liegen, denn seine Gedanken waren wild und unruhig gewesen. Zu unruhig, um zu schlafen. Er wünschte den anderen am Feuer - Lahnol, Anton, Theyn und Durand - eine gute Nacht. Berain und Oreni waren schon irgendwo auf eine dünne Strohmatratze, die sie vom Dorf bekomen hatten, schlafen gegangen. Chana trieb sich wieder einmal allein irgendwo herum.

Nenan ging hinter den Versammlungsplatz, der auf einer Anhöhe war. Dahinter war ein kleiner, seichter See. Er ließ sich neben dem dunklen Wasser nieder. Nenan seufzte, wie so oft in letzter Zeit. Er sah hinab auf den See und wünschte sich, dass Nadine jetzt bei ihm säße. Sie würde ihm sagen, dass alles in Ordnung war. Chana würde ihre Hand halten und die beiden Frauen würden sich anlächeln, bis Nenan ebenfalls grinsen müsste. Keine Frage, er genoss ihre Gesellschaft. Aber gerade würde er gerne nur allein mit Nadine sprechen. Über alles und nichts, denn er würde ihr auch so viel mit seinem Schweigen sagen können, und sie würde wortlos antworten und ihn verstehen. So wie damals, als sie oft einfach nur dagesessen hatten, zwei Freunde unter den Sternen. Ach, wie sehr er sich wünschte, dass er nicht so allein wäre!

Wie als hätte er abnehmende Mond seine Gedanken erhört, vernahm er Schritte hinter sich und eine Stimme. "Ihr seid aus Mortis, nicht wahr?", fragte sie und Nenan musste nicht einmal den Kopf wenden, um zu wissen, dass es die merkwürdige Frau mit dem Kopftuch und den dunklen Augen war. Sie deutete auf den Platz neben ihm und Nenan nickte. Die Frau setzte sich zu ihm und sah ebenfalls auf den See. Obwohl er sie nicht kannte, fühlte Nenan sich nicht unwohl in ihrer Gegenwart - ganz im Gegenteil, da war etwas Ruhiges an ihr, so ruhig wie die Oberfläche des dunklen Sees vor ihnen.

"Das mit Eurem Königreich tut mir leid", sagte sie leise. Nenan nickte. "Wir haben getan, was wir konnten." Die Frau presste die Lippen zusammen. "Wir... Ich weiß, dass ihr tapfer wart. Aber gegen einen solchen Gegner hättet ihr auch mit doppelt so viel Waffenstärke verloren." Nenan runzelte die Stirn, verwirrt von ihrer Aussage. "Ihr kennt unsren Angreifer?" Die Frau nickte, aber starrte weiter betrübt in das Wasser. "Wir kennen seine Taten. Und seit Jahren versuchen wir ihn auszumerzen. Aber er ist uns immer drei Schritte voraus. Wir wissen nicht, woher er kam, was er will und wie er handelt. Er befehligt alle möglichen Kreaturen, egal ob Orgales, Drachen, Kirians..." Nenan nickte, die Erinnerung an seinen Kampf mit einem von ihnen verdrängend. Er sah sie von der Seite an, ihr Profil wurde vom Mondschein beleuchtet. Er fragte: "Und wer seid 'ihr'?" Die Frau neigte ihren Kopf zu ihm. "Wir sind der silberne Schweif. Eine Organisation gegen diesen Feind." Sie pausierte kurz, dann fügte sie hinzu: "Oder fraget Ihr nach mir?" Nenan schmunzelte. "Nun, gegen Euren Namen hätte ich auch nichts." Sie lächelte ihn an, ehrlich, aber schmal und streckte ihm die Hand hin. "Ich bin Sakria. Die meisten nennen mich aber Ria." "Ria", wiederholte Nenan und schüttelte ihre Hand. Sie war weich, ohne Narbe und Schwielen. Also war sie keine Kämpferin. "Mein Name ist Nenan. Nenan Trolot", stellte er sich vor. "Ein seltener Name", meinte sie. "Aber er wird bald einen Aufschwung haben."

Nenan runzelte die Stirn über diese merkwürdige Aussage und ließ ihre Hand los. Sakria lächelte ihn freundlich an, dann sah sie zum Mond. "Wo geht ihr hin?", fragte sie aus dem Nichts heraus. Er antwortete ihr schnell: "Wir gehen nach Richtung Region Lotoria. Suchen uns dort ein neues Zuhause." Sie nickte. "Es tut mir leid, dass wir nicht schnell genug da waren, um euch zu helfen. Der silberne Schweif unterstützt sonst jeden, der von dem bösartigen Feind angegriffen wird." Nenan seufzte. "Ihr hättet ohnehin nur euer Leben weggeworfen." Sie schwieg eine Weile. "Ihr müsst viel verloren haben. Das tut mir leid. Wirklich." Nenan schob den Gedanken an Nadine beiseite. "Ja. Wir haben viel verloren." "Ich hoffe in Lotoria findet ihr, was ihr sucht", sagte sie leise und Nenan überkam ein komisches Gefühl. Er konnte nicht sagen, ob er ihrer Sorgen um sie wegen gerührt war, oder ob er sich langsam unwohl fühlte. Also nickte er einfach nur.

Sakria sah zu ihm auf. "Aber falls ihr einen Ort sucht, wo ihr mit Sicherheit aufgenommen werdet, können wir euch helfen. Es gibt ein Dorf, zu dem wir reisen. Dort wird jeder aufgenommen, der seinen Pfad verloren hat, denn nicht jeder kennt den Weg dort hin." "Nicht jeder?" Sie gluckste. "Nun, eigentlich kaum einer. Aber wir, vom silbernen Schweif, haben eine Verbindung dorthin. Aber falls ihr mit wollt, dann seit willkommen." "Was ist das für ein Ort?", fragte er. Ria lächelte. Es war ein schönes, sanftes Lächeln und Nenan wurde sofort ruhiger. Sie schien ihre Worte weise zu wählen, denn als sie sprach, tat sie das langsam und bedächtig. "Es ist ein Ort, an dem alles zusammen fällt. Sie wie Lotoria die Region der Erde ist, so wie Fanoria die Region des Feuers ist, so wie Sindoria vom Wasser und Windoria von der Luft, so ist das Dorf dort die Region von Tod und Leben. Der Ort, an dem alles zusammen fällt." Sie machte noch eine Pause, in der sie ihr Kopftuch abnahm und es sich enger band. Nenan betrachtete ihr dunkles Haar für einen Moment, dann lauschte er wieder ihrer Stimme. "Es hat keinen Namen, aber viele nennen es einfach.. den Mittelpunkt." Nenans Blick wanderte zu ihren großen, dunklen Augen. "Der Mittelpunkt?" Ria nickte. "Hm", machte Nenan und sah wieder in das Wasser des Sees.

"Das hört sich nicht so schlecht an", murmelte er. Nadine hätte es gefallen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 5 days ago ⏰

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