Kapitel 17

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22.09.2022 - Berlin

Verweint und mit den Gedanken völlig woanders als auf der Straße, gelang es Mint wie durch ein Wunder heile in Berlin anzukommen. Da sie weder Michael noch Ingo zusätzliche Lasten auftragen wollte und an dem Zustand, dass ihre Mutter nicht mehr lebt niemand etwas ändern konnte, entschied sie sich überhaupt für diese leichtsinnig Idee. Emotional angeknackst sollte man Autofahren tunlichst vermeiden, eine der wichtigsten Grundlagen aus den ersten Theoriestunden. Bei ihrer Fahrschule wurde dieser Hinweis scheinbar vergessen oder ihre Ohren wollten ihn wohl möglich einfach nicht wahrnehmen. Wenn eine Polizeistreife sie auf der Autobahn angehalten hätte, wäre es mit Sicherheit spannend geworden. Niemals ginge sie bei einer Kontrolle als noch tauglich genug durch, um ein Kraftfahrzeug zu führen. Selbst dann nicht, wenn die Beamten beide Augen zudrücken täten. Ihre rot, geschwollenen Augen könnten auch deutlich auf eine andere Ursache vermuten lassen, wie auf einen möglichen Konsum von einigen illegalen Betäubungsmitteln. Von dessen Fähigkeiten Mint in dieser Situation nicht allzu abgeneigt war, solang sie ihre zerzausten Gedanken und ihre Trauer betäubten. Um endlich wieder Ruhe und Sturktur in ihren Kopf zu bringen. Mehr wollte die Tonfrau garnicht als einfach normal zu funktionieren. Wer braucht schon all dieses durcheinander in seinem Leben. Trauer, Liebe, Freude, Hass, Sorgen, Leid. Nichts derartiges hatte sie jemals bisher vermisst, sogar ohne Partner an ihrer Seite hatte sie es gut durchs Leben geschafft. Was keineswegs hieß das Michael aus ihrem Leben verschwinden soll. Dafür sehnte ihr Körper sich viel zu stark in seine schützenden Arme zurück.

Zitternd zogen ihre Finger den Autoschlüssel aus dem Zündschloss, dass sie den Parkplatz des Hotels befahren hatte war nun eine Viertelstunde her. Seitdem ließ ihre Verfassung es wieder einmal keinen Millimeter zu, das sie sich bewegte. Starr fiel ihr leerer Blick in die dunkle Ferne, während über ihre bleichen Wangen noch immer in Massen Tränen liefen. Ihre Mutter ist Tod. Riefen ihre Gedanken sich das Geschehnis wiederholt ins Gedächtnis. Langsam schwand die Hoffnung in ihr, dass die letzten Stunden nur ein böser Albtraum seinen, aus welchem sie jederzeit erwacht. Ohne den Unfall würde ihre Mutter leben, sie hätte ihr vor wenigen Stunden eine gute Nacht und einen schönen morgigen Tag gewünscht. Vor ihrer Zeit im Krankenhaus gehörte dies zu ihrem täglichen Ritualen, genauso wie dass ihr Bruder ihr, vor seinem Hass auf sie, regelmäßig geschrieben hatte. Damit lag Mints Verlust von wichtigen Menschen nun bei einem traurigen Wert von Zwei. Wobei der Verlust ihrer Mutter als entgültiger zählte und der von ihrem Bruder, wenn sie Glück hatte, nur als kurzzeitiger. Er durfte seinen Groll keinesfalls ewig beibehalten, wie sollte sie auf Dauer damit umgehen, ihn verloren zu haben. Zu hoher Wahrscheinlichkeit schob er ihr in diesem Moment erneut den Mord an ihrer Mutter zu. Die Schuld trug allein sie. Sonst niemand.

Dank den frischen nächtlichen Temperaturen kühlte der Innenraum des Autos schnell ab, weshalb die Tonfrau diesen nur all zu gern verlassen täte. Besäße sie nur keinen Körper der ihr einen Strich durch die Rechnung macht. Jeder Muskel spiegelte ein Gefühl wieder als verfügte er über reines Blei im Inneren. Dementsprechend schmerzhaft fiel ihr das öffnen dier Autotür, um danach schleichend auszusteigen. "Fuck life...", wimmerte der kleine Rest, welcher von ihr bislang übrig geblieben ist. Kaum konnten ihre Beine sie tragen, jeder Schritt ein kleines Wunder. Kämpfen zählte zu einer ihrer Stärken und hatte ihr dass ein oder andere Mal bereits den Hintern gerettet. Aus den Kofferraum das Gepäck von dem Musiker und ihr für die heutige Nacht geholt, versuchte sie den Weg bis zum Eingang vom Hotel zu überstehen. Sie stelle kaum einen Fuß vor dem Anderen, da klatschte ihre Gestalt bereits zu Boden. Dank einem schnellen Reflex gelang es ihr den Stutz auf den steinigen Boden mit ihren Knien und Handflächen abzufangen. Jene Rettung hinterließ jedoch deutlich spüren, ein Loch in ihrer Hose und Schürfwunden entlang ihrer beiden Handflächen. Ohne dem, aus den Wunden laufenden, Blut wären ihr die zugezogen Verletzungen beinah entgangen, denn zusätzliche Schmerz verspürte sie durch diese keine. Ihre Trauer betäubte alles.

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