Kapitel 29

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Die zu Beginn der Trauerfeier verteilten Taschentücher blieben von Mint unberührt, zuvorkommend reichte sie ihrer Tante, eine Reihe hinter ihnen, die Packung weiter. Sie und viele andere Anwesenden schienen den Verlust weniger gut zu verkraften, wobei nur weil sie nicht weinte, keinesfalls hieß dass sie ihre Mutter nicht weniger schmerzlich vermisste. So existierte auch in ihrer Brust ein schwarzen Loch durch ihren Tod, nur wurde dieses notdürftig von vielen Ablenkungen gestopft. Ohne ihre Arbeit und ohne Michael, ohne eine andere Form von Halt, kämen ihr wohl ebenfalls Tränen. Leicht war die gesamte Situation trotzdem keineswegs. Jedesmal wenn sie dem Priester anschaute, strahlten sie die Augen ihrer Mutter an. Wie üblich stand vorne auf dem Altar ein schwarz weißes Bild mit schwarzer Binde, um an die Verstrobenen zu erinnern und sie ein letztes Mal im Kreis ihrer Liebsten aufzunehmen. Das ausgewählte Bild war weit vor ihren Unfall entstand, in einem gemeinsamen Urlaub am Meer. Für ein Wochenende hatte es Mint damals geschafft sich von ihrer Arbeite zu trennen und ihren Eltern und ihren Geschwister nach zu reisen, welche bereits zwei Wochen früher angereist waren. Über ihren Besuch, wenn auch nur für drei Tage, freute ihre Mutter sich so sehr, dass sie in der gesamten Zeit nicht mehr aufhören konnte zu Strahlen. Immer wenn sie zu einem sah entsprang ihrem Lächeln und ihrem Augen eine unbeschreiblich starke Liebe, die Herz und Seele sofort umschloss. Selbst als schwarz weiß gedruckte Abbildung versprühte sie die gleiche Liebe. Seitdem Unfall hatte Mint von ihrer Mutter nie mehr ein derartig Gefühl verspüren können, all die Wärme und Liebe verließ sie mit der Anbringung der Maschinen. Zu dem Zeitpunkt hatte ihr Körper ihre wundervolle Seele längst verloren.

Michael lauschte still den Worten und Gebeten des Priester, womit er deutlich mehr anfangen konnte als sie, ihre Konzentration alleine reichte nicht einmal dafür aus ihm länger als nur eine halbe Minute am Stück zu zuhören. Sofort drifteten ihre Gedanken wieder ab und zeigten ihr alte Erinnerungen an bessere Zeiten. Gut, dass wohl auch niemand von ihr verlangte vollkommen bei der Sache zu bleiben. Obwohl all die vielen Bilder in ihrem Kopf, keinen wirklichen Vorteil mitbrachten, zum Teil sorgten sie nur für Verwirrung ihrer Gefühle. Gerade im Umgang mit ihrem Bruder, früher schaffte keine Situation sie auseinander zubringen und jetzt schien er sie zu tiefst zu hassen. Für ihn stellte sie die böse Hexe da, die ihm mit Absicht seine Mutter genommen hatte. Dabei wollte sie ihm niemals mit ihrer Meinung dermaßen verletzen. Ihn nie verlieren. Ohne ihn an ihrer Seite gab es niemanden mehr mit dem sie reden konnte und dies völlig frei. Alle anderen Menschen die ihr nun noch blieben waren Michael, Melly, Ingo und Christian. Melly erzählte jedoch schnell alles weiter und nahm sie nie wirklich ernste bei wirklichen wichtigen Dingen. Und all die Anderen, mit denen konnte sie zwar sprechen, aber nur solange wie ihr Verhältnisse mit dem Musiker gut ging, sobald sie Probleme hatten fielen all drei Optionen aus. Immerhin kannten Ingo und Christian Michael viel länger als sie und somit würden sie verständlicherweise auf seiner Seite stehen und selbst wenn nicht, wollte sie nicht dass ihre Freundschaft wegen ihrer Anwesenheit litt. Trotzdem gab es deutlich schlimme Situationen als mit niemanden frei über alles reden zu können, damit käme sie schon zurecht. Und aktuell strahlte zwischen ihnen die Sonne, sodass sie niemand anderes zum reden außer ihn bräuchte, "my love", hauchte sie leise und stieß seinen Arm sanft an, damit er diesen hob. Sicher unter seinen Arm, kuschelte Mint ihren Körper an seine Seite, die Schmerzen ihrer Wunden konnte ihr in diesem Moment gestohlen bleiben, sie wollte nur seine Nähe spüren und bei ihm sein. Ein weiches Lächeln fuhr über seine Lippe, als er sich zu ihr beugte und ihre Stirn leicht küsste, danach verfolgte er wieder das Wort des Priesters, "...und wie uns Albert Schweizer einst so schön lehrte. Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen..." Von diesen hatte ihre Mutter viele hinterlassen. Sie zu vergessen wäre unmöglich.

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