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Mit pochendem Herz blickte ich in Miguels kalte Augen.

,,Was machst du hier!", fragte er bedrohlich, sodass ich erstmal schlucken musste.
,,Hast du gelauscht!?"
Ein dumpfer Laut kam aus meinem Mund und ich schüttelte den Kopf. Miguel nahm seine Hand von meinem Mund.
,,Lüg mich nicht an", raunte er jetzt gefährlich. ,,Hast du gelauscht?!"
,,Nur am Anfang", gab ich ertappt zurück.
Er spannte seine Kiefer an und brummte.
,,Verschwinde!", kam es jetzt harsch von ihm.

Genervt sah ich ihn an. ,,Du kannst mir nicht dauernd was befehlen! Ich bin nicht dein Haustier!", machte ich ihm klar.
Er sah mich verstört an und schüttelte kaum merklich den Kopf.

,,Wer waren die Männer?", platze es aus mir. Jetzt wurden seine Gesichtszüge wieder hart.
,,Und wer genau bist du?", kam es jetzt über meine Lippen und dafür könnte ich mich jetzt hauen.

Echt jetzt, Cosima?

Er griff unsanft nach meinem Handgelenk und zog mich an sich. Er kam mir mir seinem Gesicht gefährlich nahe.
,,Hör zu Chica. Zu viel Neugierde kann schaden", raunte er mir zu und verpasste mir eine Gänsehaut als sein Atem mein Ohr berührte.
Dann ließ er mich los.
,,Und jetzt verschwinde. Aber nicht von dem Weg den du gekommen bist. Geh da lang", sagte er und deutete mit dem Kopf in die jeweilige Richtung.

Angepisst sah ich ihn an. ,,Willst du mir auch vielleicht sagen wie viele Schritte ich machen darf bis ich zu Hause ankomme?", spottete ich und verdrehte die Augen.
Er hob eine Augenbraue und leckte über die Lippen ehe sich darauf ein leichtes Schmunzeln abbildete, was mir zugegeben gar nicht gefiel. Überhaupt nicht.

,,Wenn du jetzt nicht läufst werde ich dafür sorgen dass du gar nicht mehr gehen kannst."

Ähm, hatte er es so pervers gemeint oder hatte das jetzt nur so geklungen?

Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken und schob eilig die Kapuze über mein Gesicht bevor er die angekrochene Röte sehen konnte. Dann lief ich schnell an ihm vorbei.
So ein Perversling aber auch.

___
Dad war schon zu Hause als ich ankam und Meli war nicht da. Das hieß, dass Dad nüchtern nach Hause gekommen war und eigentlich musste man sich für danach keine Sorgen machen, denn Dad kiffte zu Hause nicht.

,,Du siehst ziemlich erschöpft aus. Hat dich die Bahn so angestrengt?", scherzte Dad, als ich mich neben ihn aufs Sofa warf und Lia auf mein Schoß setzte.
,,Ich bin gelaufen", maulte ich.
Dad zog die Stirn kraus. ,,Warum?"
,,Ich hatte keine Lust die Bahn zu warten", meinte ich nur. Dass mein Nachhilfeschüler mich sitzen lassen hatte musste er ja nicht wissen.

,,Hättest du gesagt, dass du läufst wäre ich dich abholen gekommen", seufzte er.
,,Und ich hab mit Meli geredet, bevor sie gegangen ist", meinte er und sah zu Lia. ,,Schätzchen, gehst du mit deinen Puppen spielen? Die haben dich sicher vermisst."

Sie nickte und eilte aus dem Wohnzimmer. Abwartend sah ich Dad an, der schwer seufzte.
,,Sie macht sich sorgen um Lia. Ihr zu oft vorkommender Zustand, dass sie nicht isst, ihre Lustlosigkeit. Sie sieht stark aus, aber das ist sie nicht. Ein Leben ohne Mutter macht sie zu schaffen." Dad seufzte. ,,Meli hat gemeint, wenn das Jugendamt mal kommen sollte werden sie sie wegnehmen." Er senkte seinen Blick. ,,Auch leider Gottes wegen mir", murmelte er.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Dass Lia mental nicht okay war war mir klar. Aber für nichts auf der Welt würde ich sie dem Jungendamt überlassen. Aber warum sollte denn das Jugendamt kommen.

,,Warum wollen die denn kommen?", fragte ich Dad.
,,Ich hab nicht gesagt, dass sie kommen werden. Es könnte sein."
,,Und warum?"
,,Weil Meli gemeint hat, dass wenn es so weiter geht sie dazu verpflichtet sei, ihr Zustand zu melden."

Ich zog scharf die Luft ein. Das konnte sie nicht tun. Sie wusste wie sehr ich Lia liebte und wie sehr ich Dad und sie brauchte. Und sie wusste, dass Lia nicht ohne uns können würde.
Warum also bitte hatte sie sowas im Kopf.

Einerseits versuchte ich sie zu verstehen. Sie machte ihren Job und wenn Lia was passieren würde würde sie sich auch schuldig fühlen. Aber andererseits, nein ich würde es ihr nicht verzeihen können. Das wäre zu viel für mich. Nach Mom konnte ich nicht auch noch Lia verlieren.
Dad war auch nicht der alte. Lia war die einzige in meinem Leben, die mich davor bewahrt hatte mir das Leben zu nehmen.

Ich sollte mit Meli darüber reden und ihr klar machen, dass das nicht möglich war. Jugendämter waren außerdem der letzte Dreck.

Dad sah gedankenversunken auf den Fußboden und ich wusste, dass ihn gerade die selben Gedanken quälten. Vor allem gab er sich gerade selber die Schuld an Lias Problem. Naja, zum Teil war es so, so hart es auch klang. Aber der wahre Grund war Moms Tod gewesen und die letzten Jahre, die Lia ohne eine Mutter durchstehen musste und immernoch muss. Sie war ja noch winzig.

,,Ich mach uns Spaghetti."
Mit den Worten stand ich auf, doch Dad stoppte mich. ,,Brauchst du nicht. Ich bestell was von draußen."
Er lächelte mich an. ,,Asiatisch?"
,,Asiatisch."

In deinem SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt